Schwarzer Fleck: Rassismus in den USA

Vor 50 Jahren kämpften die Schwarzamerikaner für gleiche Rechte wie die Weißen. Heute scheint der Rassismus in den USA überwunden zu sein, es gibt sogar einen schwarzen Präsidenten. Doch dem ist nicht so, sagt Angela Glover Blackwell in der Körber Stiftung in Hamburg. Die Epoch Times sprach mit der amerikanischen Bürgerrechtlerin, die im weißen Haus beratende Funktion hat.
Epoch Times29. Januar 2010

Epoch Times: Was hat sich seit der Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King vor rund 50 Jahren verändert?

Angela Glover Blackwell:
Damals hatten wir gesetzliche Diskriminierung, gegen die die Bürgerrechtsbewegung kämpfte. Die Regierung diskriminierte wegen ihrer Hautfarbe auf gesetzlicher Basis. Die Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King versuchte diese gesetzlich verankerte Diskriminierung zu beseitigen. Heute sind vor allem Schwarze und Lateinamerikaner von verhältnismäßig viel Armut betroffen oder werden ausgeschlossen – aber das ist keine gesetzliche Diskriminierung mehr sondern eine wirtschaftliche. Es ist das Vermächtnis der Diskriminierung von früher. Diskriminierung beruht jetzt vor allem auf der Kombination von schlechter Ausbildung, der Bildung von Ghettos, dem Zugang zu Arbeitsplätzen und der derzeitigen Entwicklung in den USA, nämliche Geld und politischer Macht in die Außenbezirke zu verlagern und die Städte wo Leute unterschiedlicher  Hautfarbe leben zurück zulassen.

Epoch Times:
Gibt es in den USA nach wie vor Diskriminierung wegen der Hautfarbe?

Blackwell:
Es gibt überverhältnismäßig viel Armut bei den Farbigen, aber nicht wegen gesetzlicher Diskriminierung, sondern weil sie in eine wirtschaftlich schlechtere Lage gekommen sind. Der Rassismus, der früher gegen einzelne gerichtet war, hat sich zu einem strukturellen Rassismus gewandelt, einem Rassismus, der in die Gesellschaft eingebrannt ist, für den sich der einzelne aber nicht verantwortlich fühlt. Die weiße Bevölkerung glaubt, dass Rassismus vorbei ist. Aber schwarze Kinder versagen in der Schule, weil die Schulen ihrer Stadtteile alle von Kindern aus armen Verhältnissen besucht werden. Auch die Lehrer und Gebäude sind oftmals nicht die besten und die Lehrpläne nicht aktuell. Die Amerikaner sagen deshalb: Es ist nicht Rassismus, sie haben einfach Pech. Aber dieses Pech ist wegen des Vermächtnisses des Rassismus an Rassen gebunden.

Epoch Times: Welche Hautfarbe ist besonders von Diskriminierung betroffen?

Blackwell:
Hinsichtlich der Indikatoren, wer ganz unten ist, also Wohnsituation und körperliche Angriffe, sind es die Schwarzen. Doch fällt es mir schwer zu sagen, dass nur die Schwarzen betroffen sind. Wenn Sie in einen Stadtteil gehen, wo Inder wohnen, werden Sie dort vielleicht einen der ärmsten Plätze sehen, den Sie jemals gesehen haben. Viele Latinos, die erst vor kurzem in die USA gezogen sind, leben in überfüllten Verhältnissen, gehen in Schulen, die sie nicht ausbilden, fallen durch die Gesundheitsfürsorge und trauen sich nicht, sich diesbezüglich an die Regierung zu wenden. Den Chinesen dürfte es besser gehen, als den Japanern, aber es gibt auch hier sehr arm: Die Schwarzen sind am leichtesten zu identifizieren, weil sie in schlechten Wohnvierteln leben. Das andere sind die Inhaftierungen: Von 1950 bis 2000 hat die Anzahl schwarzer Menschen in Gefängnissen um 900 Prozent zugenommen, es sitzen jetzt rund eine Million Schwarze hinter Gittern. Das Fehlen von Arbeit und der Einfluss von dem Stadtviertel, in dem sie wohnen, führt zu Verbrechen. Die Anzahl der Inhaftierungen ist viel größer als in Deutschland: Auf 100.000 Deutsche kommen 93 Häftlinge, auf 100.000 US-Amerikaner kommen 750 Häftlinge – dies ist ein großes Problem.

Epoch Times: Wie kommt es zu diesen Unterschieden?

Blackwell:
Ich kann es nicht für Deutschland sagen, nur für Amerika. Wir müssen zuerst verstehen, dass es den Leuten nicht hilft, wenn man sie ins Gefängnis steckt. Es beginnt mit einem Gefängnisaufenthalt in der Jugend. Sie werden dann nicht rehabilitiert und bekommen keine Unterstützung, um ihre Probleme, beispielsweise mit dem Lesen, Hören oder geistige Probleme, lösen zu können. Wenn sie erwachsen sind kommen sie wieder ins Gefängnis und es entwickelt sich ein Teufelskreis: Gefängnisinsassen haben keine Aussichten auf Arbeit oder Bildung, wenn sie herauskommen. Es gibt auch keine Programme, damit sie sich in die Gesellschaft auf gesunde Art wieder eingliedern. Dies bringt die Leute wieder dazu Verbrechen zu begehen. Die Richtung, wohin sich das derzeit bewegt, ist erschreckend.

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Epoch Times: Es gibt derzeit auch viele erfolgreiche Schwarze in den USA, beispielsweise den Präsidenten – steht das nicht im Widerspruch, zu dem, was sie gesagt haben?

Blackwell:
Ich würde sagen, es ist für die Schwarzen die beste und die schlechteste Zeit gleichzeitig. Es ist die beste Zeit, weil die Vorstellung einen schwarzen Präsidenten zu haben, alle Vorstellungen übertrifft, die meine Eltern jemals gehabt hätten und wovon meine Kinder geträumt hätten. Und Obama ist nicht alleine, es gibt auch sehr viele Schwarze in Landesregierungen, Eliteunis, Sportler, Künstler –  viele Schwarze stehen gesellschaftlich sehr hoch und sind sehr einflussreich.

Gleichzeitig ist es erschütternd, dass die Anzahl der Arbeitslosen unter den Schwarzen, die früher bei zehn Prozent lag, jetzt, wo die allgemeine Arbeitslosigkeit bei zehn Prozent liegt, auf 17 Prozent gestiegen ist. Wenn man die schwarzen Teilzeitkräfte dazunimmt, sind es sogar rund 30 Prozent. Für die Schlechtausgebildeten und die Leute, die in Stadtteilen mit konzentrierter Armut leben, ist das Leben am Schnittpunkt von Rasse und Armut sehr schwer. Es wäre falsch zu sagen, dass ein Schwarzer, bei guter Ausbildung, es nicht genauso gut hat wie ein Weißer. Mit guter Ausbildung wird man von der Hautfarbe nicht behindert. Nur Kinder von Schwarzen und Latinos kommen nicht in dem Ausmaß zu guter Ausbildung wie die weißen Kinder. Das Problem hat sich verschoben, von Rasse zu Ort. Es ist entscheidend, wo man wohnt. Allerdings ist der Ort, wo man wohnt, oftmals an die Hautfarbe gebunden – manche Wohnviertel ziehen Schwarze an, weil sie dort Freunde und Verwandte haben. Der Ort steht stellvertretend für gute Möglichkeiten, dort wo es Möglichkeiten gibt, sind oftmals die Wohnungspreise relativ hoch. Das können sich Schwarze und Latinos aber nicht leisten.

Epoch Times: Aber gilt dies alles nicht auch für arme Weiße?

Blackwell: Ja. In Gebieten mit konzentrierter Armut sind die Möglichkeiten eingeschränkt, weil die Schulen und die Ausbildung nicht so gut sind. In einem Gebiet mit konzentrierter Kriminalität wird man leichter zu einem Bandenmitglied und selbst kriminell und landet leichter im Gefängnis. Der Unterschied ist: US-Amerikaner, die weiß und arm sind, tendieren nicht dazu in solchen Wohnvierteln zu wohnen, weil sie andere Möglichkeiten haben. Arme und weiße Amerikaner leben meistens bei Verwandten, bei den Schwiegereltern, sie haben die Möglichkeit an anderen Orten zu leben. Oftmals vermitteln auch Bekannte günstige Wohngelegenheiten in besseren Gegenden.

Aber Schwarze kennen oftmals niemanden, der in einer solchen Gegend wohnt. Sie finden also keine leistbare Möglichkeit. Es ist eine Diskriminierung nach Wohngelegenheit. Auch die Latinos sind arm dran. Die Armuts- und Arbeitslosenzahlen von Schwarzen und Latinos sind ähnlich, die gesundheitlichen Probleme sind ähnlich. Der Schlüssel liegt in der Ausbildung. Leute mit guter Ausbildung haben es oftmals sehr gut. Die Kinder von Schwarzen und Latinos haben hier nur nicht dieselben Möglichkeiten wie die Weißen.

Epoch Times:
Liegt die Lösung des Problems also nur in der Ausbildung?

Blackwell:
Der Schlüssel um Kindern aus armen Verhältnissen zu ermöglichen aus ihrer Situation herauszukommen liegt darin, das öffentliche Schulsystem gewaltig zu verbessern und  unterstützende System zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist die „Harlem Children Zone“. In einem Gebiet mit 26 Wohnblöcken wurde erreicht, dass jedes Kind sein volles Potenzial ausschöpfe kann. Dies fing schon in der Schwangerschaft mit einem „Baby College“ an – auch die Eltern müssen dazulernen, damit ihre Kinder eine gesunde Entwicklung haben. Mit zwei Jahren gingen die Kinder in ein hochqualitatives Kinderprogramm und dann in die Schule, die „Promise Academy“. Die Harvard Universität fand heraus, dass diese Kinder ebenso gut lernen wie weiße Kinder in New Yorker Schulen. Doch liegt es nicht nur an guten Schulen, sondern auch an der Umgebung. Kinder brauchen Bewegung und Unterstützung, damit sie die Hausaufgaben machen. Sie hatten all das, was auch Kinder reicher Familien hatten. Wenn also in das Schulsystem investiert wird, haben es die Kinder wirklich besser. Wir müssen also die Schulen und Stadtteile verbessern und wir müssen den Eltern helfen, damit sie verstehen, was Kinder brauchen. Wir könnten es so in den USA wirklich schaffen das Vermächtnis des Rassismus zu beseitigen.

Epoch Times: Wie war die politische Reaktion darauf?

Blackwell:
Präsident Obama meinte, dass dieses Modell gut ist. Sein Vorschlag war, es mit 20 weiteren Stadtteilen zu versuchen. Es begann ursprünglich mit einer Nichtregierungsorganisation und wurde jetzt von der Regierung aufgegriffen. Es ist ein wunderbares Beispiel, dass unsere Regierung das versteht, unterstützt und dem Modell eine weitere Basis gibt.

Epoch Times:
Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Alexander M. Hamrle.

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