Der Kampf einer Frau für ein besseres Afghanistan

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Tag der Frau: Afghanische Frauen sitzen am 10. März im Barbur Garden in Kabul beisammen, um den Internationalen Tag der Frau zu feiern.Foto: Shah Marai/AFP/Getty Images
Von 20. April 2011

Mariam Sadat ist eine stolze Frau. Sie ist stolz, Afghanin zu sein, stolz auf den Fortschritt, den ihr Land in den letzten zehn Jahren gemacht hat und stolz auf die erstklassigen Früchte und Nüsse, die aus der afghanischen Erde wachsen.

Aus diesem Grund hat sie ihr schnell wachsendes Unternehmen auch „Afghan Pride Association“ genannt. Das Unternehmen dient jedoch nicht nur zur Erzeugung von Gewinn, sondern auch als Netzwerk für 350 Frauen aus drei afghanischen Provinzen. Diese Frauen arbeiten als Bäuerinnen und sie alle nutzen die von Miriam angeschaffte hochmoderne Solartechnologie, um getrocknete Früchte und Nüsse zu produzieren. Dazu gehören Pistazien, Mandeln, Rosinen und Walnüsse. Miriam verkauft die verpackten Produkte an Geschäfte und Hotels und dreht regelmäßig ihre Verkaufsrunden in Kabul.

Viel Arbeit für wenig Geld

Bei einem Mittagessen in Kabul im Februar erzählte mir Miriam – mit ihren beiden Töchtern im Schlepptau – wie sie auf die Idee für dieses Geschäftsmodell kam, als sie bei „Afghaen Women’s Business Council“ als Ausbilderin beschäftigt war.

Bei ihren Reisen durch das Land, um die Bäuerinnen auszubilden, konnte sie miterleben, wie sich die Frauen viele Stunden auf dem Feld plagten und dennoch nur ein geringes Einkommen besaßen. Die Frauen waren für jeden Arbeitsschritt, vom Pflanzen, Ernten und Sortieren bis hin zur Verarbeitung verantwortlich und dennoch hatten sie keinen Einfluss auf ihren Verdienst und keinen Zugang zu den Märkten, auf denen die Produkte verkauft werden. Die Ehemänner behielten das Geld ein, das die Frauen verdienten.

„Sie machen die ganze Arbeit und haben keine Befugnis Entscheidungen zu treffen“, sagte Miriam Sadat.

Sie verwendeten veraltete Technologie und beim Verarbeitungsprozess kam es häufig zu Verunreinigungen,, was zu einem schlechteren Produkt führte. Miriam folgerte, dass die Frauen durch Ausbildung in neuen Technologien für die Verarbeitung und den direkten Zugang zu den Märkten mehr Einfluss auf ihren Lebensunterhalt nehmen könnten.

Heute verdienen die Frauen ihr eigenes Geld, genau wie Miriam. Sie beschreibt ihre Arbeit als „sehr lukrativ“ und jetzt versucht sie, auf ausländischen Märkten Fuß zu fassen. Dazu bekommt sie Unterstützung von der nationalen amerikanischen Hilfsorganisation USAID, um sich in dem komplexen Prozess des Lebensmittelexports zurechtzufinden.

Die Erfolgsgeschichte von Afghan Pride entstammt einer Vielfalt an unternehmerischen Möglichkeiten, von denen sich unter den verschiedenen Entwicklungsszenarien die durchgesetzt haben, die der afghanischen Wirtschaft die Türen öffneten. Miriam ist das beste Beispiel für jemanden, der die Gelegenheit des Moments für den eigenen Vorteil nutzen konnte. Die Programme waren nicht nur Lippenbekenntnisse – für Miriam haben sie sich wirklich ausgezahlt.

 

Die Dinge positiv sehen

Miriam zeigt sich ungebrochen optimistisch im Hinblick auf ihre Zukunft. Ich fragte sie nach den alltäglichen Problemen, mit denen afghanische Frauen zu kämpfen haben: dem Patriarchat, der Unsicherheit, der Korruption. Sie wies jeden der Punkte zurück und bestand darauf, die Dinge positiv zu sehen.

„Das Streben nach Sicherheit, bleibt immer im Hinterkopf, aber wir sind es gewohnt, so zu leben. Ich kann in jede Region des Landes reisen, in den Norden wie in den Süden und habe vor niemandem Angst“, sagte sie. Sie möchte die Frauen im ganzen Land zusammenbringen und ihnen Möglichkeiten bieten, aus dem Haus zu kommen und sich an sozialen Aktivitäten zu beteiligen, „die Frauen sind auch ein Teil dieser Gesellschaft“.

Als sie mit ihrem Unternehmen anfing, war es nur eine Idee. Inzwischen habe sie sie in die Tat umgesetzt. Das Unternehmen expandiert und Miriam Sadat trägt für sich selbst die Verantwortung, genau wie andere Frauen. „Ich sehe positiv in die Zukunft“, sagt sie. „Wenn afghanische Frauen sich entfalten und ihre Fähigkeiten entwickeln wollen, dann können sie das tun und brauchen vor niemandem Angst zu haben. Die Schwierigkeiten nehmen ab. Andere Länder haben diese Entwicklung ebenfalls durchgemacht.“

Miriams Unternehmertum bringt Hunderten Familien das Essen auf den Tisch und gibt Bäuerinnen die Bestimmungsgewalt über ihr Leben. Ursprünglich hatte die Unternehmerin nicht das Ziel, anderen Frauen zu helfen, sie wollte nur, dass ihre Kinder zur Schule gehen konnten.

Miriam wurde zur Lehrerin ausgebildet. Aber als die Taliban Kabul einnahmen und alle Mädchenschulen schlossen, verlor sie ihren Job. Arbeitslos musste sie Zu Hause bleiben. Zuvor hatte sie eine Burka nicht einmal besessen, einen Gegenstand, den sie völlig verabscheute. Sie musste sich die Burka ihrer Schwiegermutter ausleihen, wenn sie das Haus verlassen wollte.

Aber eines Tages wurde Miriams Schwiegermutter krank und sie musste zum Arzt gebracht werden. Es gab nur eine Burka und die Erkrankte trug sie. Miriam trug einen großen Tschador, ein großes dunkles Gewand, das muslimische und hinduistische Frauen tragen, wenn sie das Haus verlassen. Die beiden Frauen wurden von den Taliban angehalten. Miriam wurde zuerst grob gepackt und dann auf öffentlicher Straße geschlagen. Im Nachhinein sagt sie: „An diesem Punkt entschied ich mich, das Land zu verlassen aus dem ich komme.“

Flucht aus Afghanistan nach Pakistan

Familie Sadat packte ihre Sachen und floh über die Grenze nach Pakistan, wie es Tausende Familien vor ihnen getan hatten. Mit vier Kindern war die finanzielle Lage der Familie äußerst prekär. Die meisten Afghanen in der Nachbarschaft arbeiteten in der zermürbenden Teppichindustrie. Ganze Familien mit Kindern arbeiteten viele Stunden, um sich ein bescheidenes Leben zu ermöglichen. Miriams Ehemann, der einen Masterstudiengang in Wirtschaft in Bulgarien abgeschlossen hatte, ging nach Delhi und arbeitete dort auf dem Bau, wo er 100 Rupien am Tag verdiente, etwa 1,56 Euro.

Sein Verdienst reichte nicht aus, um die Familie zu ernähren und als die Situation immer schlimmer wurde, stand Miriam der Situation gegenüber, ihre Kinder in der Teppichindustrie arbeiten lassen zu müssen: „Ich dachte, was kann ich nur tun? Wenn ich meine Kinder arbeiten schicke, können sie nicht zur Schule gehen und welche Zukunft können sie dann haben?“

Diesen Gedanken konnte sie nicht ertragen und so gab sie die Hoffnung auf eine Anstellung als Lehrerin auf. Nach langer Suche fand Miriam, die einen Master in Pädagogik hat, einen Job als Hausmädchen in einem pakistanischen Haushalt. Die Arbeit war zermürbend und erniedrigend. Aber ihre Kinder konnten wenigstens weiterhin zur Schule gehen.

Die Zeit verging, bis sie endlich eine Anstellung in einer Schule für afghanische Flüchtlinge in Atak bekam. Sie arbeitete sich zur Direktorin hoch und nebenher eröffnete sie eine weitere Schule, um dort die Kinder der Flüchtlinge zu unterrichten.

Als sie nach Afghanistan zurückkehrte, fand sie ihr altes Haus zerstört vor. Sie mietete ein Haus in Kabul, aber die Preise waren explodiert und alles war überteuert. Miriam war des Lebens in Armut und der ständigen Sorge, wie sie ihre Kinder durchbringen und in die Schule schicken konnte, überdrüssig. Sie wollte ein ordentliches Einkommen erzielen und nicht in einem ständigen Kampf ums Überleben sein. Sie beschloss, das Unterrichten aufzugeben und in die private Wirtschaft zu wechseln.

Erfüllende Arbeit

So haben ihre Fähigkeiten als Lehrerin ihren Weg in ihre jetzige Rolle als Arbeitgeber gefunden. Ihre Angestellten erhalten eine gute Ausbildung und jetzt plant sie, Unterricht in Literatur und anderen Fächern für die Frauen anzubieten. Aber das Wertvollste, was sie erreicht hatte, war vielleicht, dass sie ihre Kinder weiterhin zur Schule schicken konnte. Die Älteste hat gerade die Hochschule absolviert und die anderen bekommen nur Bestnoten. Es sind freundliche Kinder, aufgeweckt und selbstsicher und genau wie ihre Mutter immer am Lächeln.

Für die Zukunft hat Miriam große und ambitionierte Pläne und ihr Arbeitstag ist noch genauso lang wie seinerzeit in Afghanistan. Aber jetzt ist ihre Arbeit erfüllend und verläuft nach ihren eigenen Vorstellungen. Sie nimmt ihre beiden Töchter, die neben ihr sitzen, in den Arm und sagt: „Jetzt bin ich wirklich frei.“

Lauryn Oates ist Mitarbeiterin bei Troy Media und eine kanadische Entwicklungshelferin, die Projekte in Afghanistan führt. Sie setzt sich seit 1996 für die Rechte der Frauen in Afghanistan ein. Sie ist Gründungsmitglied beim Canada-Afghanistan Solidarity Committee und Projektleiterin bei Canadian Women for Women in Afghanistan. Copyright Troy Media Corporation.

Artikel auf Englisch: One Woman’s Battle to Improve Afghanistan

 

 



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