Die Machtstruktur in China – Das Innenleben des Roten Drachen

Titelbild
Der rote Drache ist ein Symbol für die KPCh.Foto: AFP/Getty Images
Von 17. November 2012

 

Wenn das politische System in China ein Mensch wäre, könnte bei ihm vielleicht eine Persönlichkeitsspaltung diagnostiziert werden. Einerseits wird über Fälle wie „Organraub“, „Folter“ und „Leichenhandel“ berichtet, also Vorwürfe von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die über die Vorstellungskraft eines vernünftigen Menschen hinausgehen. Andererseits gibt es Meinungen, die besagen, dass China auf dem Weg zu einer ähnlichen Demokratie wie die der westlichen Länder sei. Wie sind solch widersprüchlichen Bilder möglich? Wie können so massive Menschenrechtsverletzungen in China vorkommen? Die Antwort liegt möglicherweise in der undurchsichtigen und sich überschneidende Machtstruktur des Landes und schließlich im Einparteiensystem.

In einem an sich gesunden Körper wohnt ein kranker Geist

Einfach ist die Machtstruktur in China nicht. Werden die Staatsorgane nur grob betrachtet, können Analogien zu einer Demokratie gefunden werden. Der Nationale Volkskongress gilt als höchstes Machtorgan und kann den Staatspräsidenten und seinen Stellvertreter bestimmen. Das höchste Verwaltungsgremium soll der Staatsrat sein, wo verschiedene Ministerien unter der Führung des Premierministers arbeiten. Außerdem gibt es den Obersten Volksgerichtshof und die Oberste Staatsanwaltschaft, die nur dem Nationalen Volkskongress untergeordnet sind.

China hat also anscheinend ein System, bei dem gegenseitige Überwachung und Kontrolle nach dem Prinzip der Gewaltenteilung möglich wäre. Aber wenn der Nationale Volkskongress so wichtig wäre, warum wird kaum jemals über eine wichtige Entscheidung berichtet, die dort gefallen ist? Über den 18. Parteitag wird jedoch gesagt, dass dort der Führungswechsel in China über die Bühne geht. Die Wahrheit ist, dass die Kader der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) hinter den Kulissen der offiziellen Verwaltungsstruktur die tatsächliche Macht ausüben. Dieses Schattensystem ist der diktatorische Teil von China.

Genau wie die offiziellen Verwaltungsorgane hat das Parteisystem eine nach Rängen gestaffelte Machtstruktur. Beispielsweise gibt es in China in jeder Stadt und auf jedem Dorf einen Parteichef und gleichzeitig einen Bürgermeister. Also scheinbar zwei Verantwortliche, der eine durch das Parteisystem legitimiert, der andere ist Teil der offiziellen Verwaltung. Eigentlich sollte der Parteichef weniger Macht haben, da er „nur“ zuständig für alle Parteimitglieder an diesem Ort ist. Tatsache ist jedoch, dass der Bürgermeister und viele andere Beamte ebenfalls Parteimitglieder sind und dass sie daher der Autorität des Parteichefs unterstehen. Dann ergibt sich in der Praxis, dass der Parteichef das Sagen hat und der Bürgermeister nur eine Marionette ist, bestenfalls eine Art Sekretär mit erweiterten Befugnissen.

Ist es dann möglich, dass der Bürgermeister oder andere Beamte in einer wichtigen Position kein Mitglied der KPCh sind? Theoretisch ja, faktisch nein. Ein einfaches Beispiel: Auf jeder Regierungsebene gibt es in regelmäßigen zeitlichen Abständen eine Sitzung für alle Parteimitglieder, die „Organisationsleben“ genannt wird. Dort wird unter anderem über wichtige Entscheidungen der KPCh und weitere Pläne der Regierung berichtet. Wer nicht zur KPCh gehört, hat daher einen deutlichen Informationsnachteil und kaum eine Chance, Entscheidungsträger zu werden.

Dann stellt sich die Frage, ob diese vielen kleinen und größeren Parteichefs auf unterschiedlichen Führungsebenen effektiv überwacht und kontrolliert werden. Offensichtlich nicht. Wenn dies der Fall wäre, hätte der scheidende Parteivorsitzende Hu Jintao nicht vor einem möglichen Kollaps der KPCh und des Landes wegen Korruption gewarnt.

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Das Komitee für Untaten

Faktisch steht China streng unter der Kontrolle der KPCh und daher heißt das eigentliche Machtzentrum von China „Politbüro der KPCh“. Auf dem 18. Parteitag wurde genau dieses Gremium neu besetzt und das bedeutet, dass ein Machtwechsel in China stattfand. Das neue Politbüro besteht aus dem Parteivorsitzenden, sechs weiteren ständigen Mitgliedern und 25 regulären Mitgliedern. Genau hier, im Politbüro, liegt der Grund für die massiven Menschenrechtsverletzungen in China.

Nach Analyse der chinesischsprachigen Epoch Times, Dajiyuan, können die Änderungen auf dem 18. Parteitag große Bedeutung für die Menschenrechtslage in China haben. Die Anzahl der Ständigen Mitglieder des Politbüros wurde von neun auf sieben reduziert. Des Weiteren gehört der Generalsekretär des Komitees für Politik und Recht nicht mehr dazu. Die Verfolgung von Millionen von friedlichen Falun Gong-Praktizierenden in China und viele andere massive Menschenrechtsverletzungen stehen in engem Zusammenhang mit diesem Komitee.

Was verbirgt sich eigentlich hinter diesem ominösen Komitee für Politik und Recht? Nach offiziellen Erklärungen wird der Eindruck erweckt, dass es sich dabei eher um eine Beratungs-, Koordinations- und Hilfsabteilung für relevante Organe handelt, anstatt um ein eigenständiges Machtorgan. Aber in Wirklichkeit stehen die Gerichte, die Staatsanwaltschaft, die bewaffnete Polizei, Organe der öffentlichen Sicherheit und andere Staatsorgane unter seinem Einfluss. Dabei ist zu beachten, dass der Verantwortungsbereich der Gerichte und der Staatsanwaltschaft durch das Grundgesetz geregelt ist und dass das Ministerium für die Öffentliche Sicherheit dem Staatsrat untersteht. Das Komitee für Politik und Recht ist jedoch erst im Jahr 1980 auf Beschluss der KPCh entstanden.

Das Komitee für Politik und Recht ist also offensichtlich ein Parteiorgan, das sich quasi selbständig gemacht hat und dort Macht ausgeübt hat, wo es eigentlich nur eine beratende Funktion innehaben sollte. Das alles war nur deshalb möglich, weil Zhou Yongkang, der Generalsekretär des Komitees eines der Ständigen Mitglieder des Politbüros war. Innerhalb der KPCh ist der Rang einer Person sehr wichtig. Zhou als Ständiges Mitglied des Politbüros hatte den Rang „der Landesebene“, während der Minister für Öffentliche Sicherheit nur ein reguläres Mitglied des Politbüros war und deshalb den Rang „Vize-Landesebene“ innehatte, genau wie die Verantwortlichen für die Gerichte und die Staatsanwaltschaft. Mit einem hohen Parteirang, aber unscharf definiertem Aufgabenbereich konnte Zhou so Macht über die Gerichte, die bewaffnete Polizei und die Staatsanwaltschaft erlangen. Damit war das Komitee für Politik und Recht so etwas wie das „zweite Zentralkomitee der KPCh“.

Wenn es schon schwierig ist, die Macht eines Parteichefs einer Stadt, wie zum Beispiel die des entmachteten Spitzenpolitikers Bo Xilai, einzuschränken und zu überwachen, dann ist es erst recht kaum möglich, einem Ständigen Mitglied des Politbüros zu widersprechen. Die Schwächen des Einparteiensystems werden vielen Chinesen zum Verhängnis, massive Menschenrechtsverletzungen geschehen.

Es gibt mehrere Erklärungen für das Interesse von Zhou Yongkang an der Unterdrückung des Volks. Es kann sein, dass er insbesondere Falun Gong-Praktizierende verfolgt hat, weil er ein Gefolgsmann des ehemaligen Staatspräsidenten Jiang Zemin ist, der diese Verfolgung im Jahr 1999 begonnen hat. Möglicherweise stecken auch finanzielle Interessen dahinter. Da sein Komitee inzwischen zuständig für die sogenannte „Stabilitätsinstandhaltung“ ist, kann es mehr Zuschüsse bekommen, wenn verstärkt Unruhen auftreten. Mit der Verfolgung von Millionen Falun Gong-Praktizierender und der Unterdrückung von Andersdenkenden haben sich die gesellschaftlichen Konflikte verschärft. Dementsprechend bekam sein Komitee in der späten Phase seiner Amtszeit mehr Zuschüsse als das Militär. Es gibt auch Vermutungen, denen zufolge er nach mehr Macht strebte und mit Einheiten der bewaffneten Polizei einen Putsch gegen die Regierung anzetteln wollte. Mit den gestärkten Finanzen hat er einen weitreichenden Einfluss erlangen können. Beispielsweiser gehören die vielen Männer in Uniform, die auf chinesischen Straßen die kleinen Händler verjagen, auch zum System des Komitees für Politik und Recht.

Es ist bis jetzt noch unklar, wie es mit diesem Komitee weitergehen wird und wann die Verfolgung von Falun Gong-Praktizierenden und vielen anderen Chinesen beendet werden wird. Solange das Einparteiensystem weiterhin besteht, werden früher oder später noch weitere Personen Macht erlangen, die dem chinesischen Volk Leiden zufügen können. Eine solche Regierung bleibt unberechenbar und ist nicht vertrauenswürdig.

 



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