Hanna Ludwig, die Grande Dame der Gesangskunst, ist gestorben

Titelbild
Hanna Ludwig und Indira Gandhi in Neu Delhi, Indien, 1957Foto: Archiv Roland Ropers privat
Von 14. März 2014

Am 11. März 2014 ist die berühmte Sängerin und begeisternde Gesangspädagogin  Hanna Ludwig im Alter von 96 Jahren in ihrem Haus in Salzburg  gestorben. In der Mozartstadt hat sie seit 1971 gelebt und gewirkt. Sie war eine herausragende Künstlerpersönlichkeit.

Hanna Ludwig wurde am 10. Januar 1918 in Lauterach/Bayern als jüngste von drei  Töchtern eines Försters geboren. Als Dreijährige zeigte sie eine auffallende mathematische Begabung, welche den Vater mit Stolz erfüllte, denn er sah in der kleinen Hanna seine potentielle Nachfolgerin im Försteramt.

Sie liebte ihren Vater, der ihr die Schönheit der Natur zeigte, über alles; er starb plötzlich, als sie erst 10 Jahre alt war. Die Mutter, eine sehr willensstarke Persönlichkeit, führte das Haus weiter und ihre Töchter ins Leben.

Hannas Ambitionen lagen im musikalischen Bereich. Sie studierte Gesang bei der legendären Pädagogin Franziska Martienssen-Lohmann (1887 – 1971), die in München, Berlin, Weimar und Düsseldorf unterrichtete. Deren in vielen Auflagen erschienenes Buch „Der wissende Sänger“ bezeichnete Dietrich Fischer-Dieskau als „Evangelium für alle, die ihr Leben lang sehnsüchtig dem Klang der menschlichen Stimme nachlauschen.“

In den 1950er- und 1960er-Jahren war Hanna Ludwig eine der gesuchtesten Mezzosoprane Deutschlands mit festem Engagement an den Opernhäusern von Düsseldorf und Köln. Sie gastierte an den großen Opern- und Konzerthäusern in Europa, USA, Südamerika, Nahost und Ostasien.

Gastspiele an der Wiener Staatsoper, der Mailänder Scala, bei den Bayreuther und Salzburger Festspielen unter Dirigenten wie Karl Böhm, Herbert von  Karajan, Joseph Keilbert, Erich Kleiber, Otto Klemperer, Hans Knappertsbusch, Wolfgang Sawallisch, Georg Solti.

[–Eine Weltkarriere–]

In den Jahren 1957 und 1958 hat sie als  Kulturbotschafterin Deutschlands in Indien, Vietnam, Persien, Japan u.a. umjubelte Konzerte gesungen. Im Beisein von Pandit Nehru (1889 – 1964) und Indira Gandhi (1917 – 1984) hatte Hanna Ludwig mit ihrem Gesangskonzert in New Delhi die "Vivekananda Hall" feierlich eingeweiht. Vivekanda (1863 – 1902) war einer der großen Weisen Indiens. Beeindruckende Liederabende folgten in Kalkutta und Benares.

Am 22. Oktober 1957 sang sie im Spiegelsaal des Kaiserpalasts von Teheran Lieder von Franz Schubert. Zum ersten Mal trat eine europäische Sängerin in Persien auf. Der Schah Mohammad Reza Pahlevi (1919 – 1980), seine Frau Kaiserin Soraya (1932 – 2001) , König Feisal von Irak (1935 – 1958), der gesamte Hofstaat und das diplomatische Korps waren die begeisterten Zuhörer in den ersten Stuhlreihen. Hanna Ludwig beendete das Galakonzert mit einem persischen Lied. Und Kaiserin Soraya dankte der charmanten Künstlerin aus ihrer Heimat mit einem wertvollen Perserteppich.

Als John F. Kennedy (1917 – 1963) im Jahr 1961 der 35. Präsident der USA wurde, gab Hanna Ludwig anlässlich der großen Festveranstaltung zur Amtseinführung im Weißen Haus ein Konzert, zusammen mit der in Philadelphia geborenen afroamerikanischen Opernsängerin Marian Anderson (1897 – 1993).

Hanna Ludwig war stets eine besonders mutige und zu vielen Späßen aufgelegte Frau. Ihr erstes Opernengagement hatte sie 1948 in Koblenz. Sie sang als junge Mezzosopranistin eine kleine Rolle in Mozarts berühmter Oper „Die Zauberflöte“.  Als die Königin der Nacht ihre Rache-Arie singen sollte, blieb der Aufzug unterhalb des Bühnenbodens stecken. Geistesgegenwärtig stellte sich Hanna Ludwig auf den Platz der erwarteten Königin und sang diese schwierige Koloraturpartie für ihre Kollegin, um die peinliche Situation zu retten.

Wieland Wagner engagierte Hanna Ludwig für die Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele im Jahre 1951. Sie erinnerte sich an diese Zeit: „Fassungslos stellte ich fest, dass Wieland mich zu seinem ersten Kundry-Modell ausgewählt hatte und mich für diese Partie vorbereiten wollte. Die nun folgende Zusammenarbeit mit ihm war faszinierend.

Seine Regie zwang zu einer totalen Auseinandersetzung und zum tiefen Erfassen der Partie. Das einheitliche Zusammenwirken von Stimme, Musikalität und schauspielerischer Ausdruckskraft musste gefunden werden, um die innere vollständige Identifizierung mit der Rollengestaltung zu erreichen.

Er verstand es meisterhaft, ganz aus dem Geist dieses mystischen Bühnenwerks Parsifal heraus alle Facetten der schillernden, hintergründigen, rätselhaften Kundry aus mir herauszuformen. Nie verlor er den Blick auf das Wesen des Spirituellen in aller Kunst … Das Erlebnis der Begegnung mit dem Regisseur und Künstler Wieland Wagner hat mein ganzes folgendes künstlerisches Leben geprägt. Das geistig-künstlerische Feuer, das er damals in mir entfachte, hat bis heute, durch meine Bühnenkarriere hindurch und in meine Lehrtätigkeit hinein, nichts von seiner sprühenden Aussage verloren, sodass es mir wie ein Vermächtnis ist, diese Erfahrung immer wieder an junge, begabte Bühnensänger weiterzugeben.“

Durch sehr tragische Umstände musste Hanna Ludwig im Jahre 1967 ihre Karriere als Sängerin abrupt beenden.

[–Die begeisterte und begeisternde Gesangslehrerin–]

1968 begann ihre Lehrtätigkeit mit Meisterklassen für „Stimmtechnik, Interpretation und dramatische Darstellung“ am Hindemith-Konservatorium in Ankara/Türkei. 1971 wurde sie als ordentliche Hochschulprofessorin an das Mozarteum in Salzburg berufen. Sie gab wiederholt Kurse an der Internationalen Sommerakademie Salzburg. Neben dem Privatunterricht übernahm sie die Leitung zahlreicher Seminare und Meisterkurse in Europa, Amerika, Japan, Hongkong, Philippinen sowie stimmtechnische Betreuung für Bühnensänger; u.a. auch für Solisten der Nationaloper Oslo, der Königlichen Oper Stockholm, der Metropolitan Opera New York und der Festspiele Salzburg und Bayreuth.

Zu ihren herausragenden Meisterschülern gehört die deutsche Sopranistin Diana Damrau, die heute als „Königin der Koloraturen“ in der ganzen Welt umjubelt wird. Am 80. Geburtstag von Hanna Ludwig sang Diana Damrau bei der Festveranstaltung im Hotel Österreichischer Hof in Salzburg u.a. die halsbrecherische „Glöckchenarie“ aus der Oper „Lakmé“ von Léo Delibes.

Im Herbst 1991 bekam Hanna Ludwig eine Einladung nach Moskau, um am Tschaikowsky-Konservatorium zwei Wochen lang zu unterrichten. Nie zuvor hatte ein westlicher Lehrer hierzu die Gelegenheit. Hanna Ludwig suchte sich aus allen Gesangsklassen die besten Stimmen aus und probte mit 17 Sängern und Sängerinnen (Bass, Bariton, Tenor, Sopran) von früh morgens bis spät in die Nacht. Mittels einer Sondererlaubnis blieb das Konservatorium bis 23 Uhr abends geöffnet.

Das festliche Abschlusskonzert wurde ein Riesenerfolg. Die hochbegabten Sänger bekamen von Hanna Ludwig ein Stipendium für eine weitere Ausbildung bei ihr in Salzburg. Alle russischen Sänger aus diesem Kurs haben heute erstklassige Engagements.

Das Opernmagazin „Orpheus“ publizierte zum 10. Januar 2002 eine Hommage an Hanna Ludwig und druckte ihr großartiges Referat zum Thema „Stimmbildung – Persönlichkeitsbildung – Künstlerbildung“ ab. Hieraus einige Passagen:

„Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass der Schüler von allem Anfang an die Übungen – auch schon die kleinsten Tonfolgen – lebendig und lustbetont als musikalische Phrase empfindet, damit die Stimme vital und elastisch bleibt und nicht durch Wiederholung von mechanisch übertechnisierten Tonabläufen ermüdet und in Versteifung gerät.

Wir wissen alle, was ein Künstler leisten soll, was von ihm erwartet wird, und dennoch – auch das wissen wir – ist es so unendlich schwierig, einen Künstler heranzubilden. Singen muss mehr sein als nur Stimmproduktion. Die Kunst, vor allem aber der Dienst an der Kunst, muss dem Lernenden eindringlich nahegelegt werden. Nur durch unbedingte Hingabe an die Musik, durch Selbstdisziplin und ständige geduldige Lernbereitschaft kann der junge Sänger das nötige Rüstzeug erhalten, um sicher zu werden und erfolgreich zu sein. Wie leicht wird er sonst ein Opfer des zermürbenden Konzert- und Theateralltags, wenn er ihm nicht das entgegenhalten kann, was den Künstler ausmacht: Die Verantwortung der Kunst, sich selbst und dem Publikum gegenüber…

Im Mittelpunkt muss also die Persönlichkeitsbildung stehen. Wenn ich erwarte, dass der Künstler zwischen Kunstwerk und Publikum vermitteln können muss, wenn ich verlange, dass durch den Sänger das Kunstwerk aus seiner allgemeingültigen, damit aber abstrakten Bedeutung immer wieder neu zum ergreifenden, bewegenden, überzeugenden und besonderen Ereignis werden muss, dann ist all das nicht möglich, wenn hinter dem Künstler nicht auch die menschliche Persönlichkeit steht.

Das bedeutet nun für mich, dass auch ich als Lehrer nicht aufhören darf, geistig an mir zu arbeiten, um lebendig und wach zu bleiben. Auf das kommt es mir also an: Hilfen bei der Lösung stimmbildnerischer Probleme nicht nur vom rein physiologisch-technischen her zu geben, sondern auch durch psychologische und geistige Einwirkung auf den Schüler.

Liegt nicht eben darin die ungeheure Faszination unseres Lehrerberufes: sich immer wieder neu mit den Problemen junger Menschen und Stimmen auseinanderzusetzen und – immer wieder neu – Stimmen entdecken und entfalten zu dürfen!

Beide – Lehrer wie Schüler – verbindet die Liebe zur Kunst. Dort, wo diese Liebe aufkeimt, wo sie lebt und wirkt: In dieser Persönlichkeit des Künstlers ist jene Mitte der Existenz angesprochen, ohne die – wie ich meine – keine Kunst glaubwürdig sein kann, und schon gar nicht die menschlichste der musikalischen Künste: die Kunst des Gesanges!“

Meisterhaft unterrichtete Hanna Ludwig die musizierende Belcanto-Technik. Sie war eine beeindruckende Künstlerpersönlichkeit.



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