Helmut Schmidt: Meine Generation wird Narben des Weltkriegs mit ins Grab nehmen

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Helmut SchmidtFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times28. April 2015

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) erinnert sich in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ an seine Gefühle, als er im Sommer 1945 aus britischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte: „Gott sei Dank, es ist vorbei“, habe er bei Kriegsende gedacht, das sich in diesen Tagen zum siebzigsten Mal jährt. Die Narben des Krieges, sagte Helmut Schmidt, seien aber auch nach siebzig Jahren nicht vollständig verheilt, weder die äußeren noch die seelischen: „Meine Generation wird die Narben mit ins Grab nehmen.“ Die Hamburger NS-Machthaber hatten die Stadt am 3. Mai 1945 kampflos an die Briten übergeben.

Schmidt war damals in britischer Kriegsgefangenschaft auf belgischem Boden. „Ich lag auf einer Wiese bei Brüssel.“ Von den Briten sei er „anständig“ behandelt worden. „Aber die hatten nichts zu essen für uns.“ Im Spätsommer 1945 kam er nach Hause. „Es war in Neugraben. Da waren meine Schwiegereltern in ein Schrebergartenhäuschen gezogen. Da bin ich hingegangen, weil ich dachte, Loki dort zu treffen. Das stellte sich dann auch als richtig heraus. Und ich habe bei der Annäherung an diese Hütte den Familienpfiff geflötet. Und dann kam sie rausgelaufen und wir sind uns um den Hals gefallen!“ Der Altkanzler fand damals nur unter Mühen in den Alltag zurück. „Zunächst fiel ich morgens immer wieder um, weil ich völlig unterernährt war. Ansonsten haben wir versucht, im Wald Holz zu klauen, haben versucht, frisch gelegte Saatkartoffeln wieder auszubuddeln, damit wir etwas zu essen hatten. Ich erinnere mich, dass wir einen Tag lang in unseren selbst gebauten Betten geblieben sind, weil wir weder was zu essen noch was zu brennen hatten.“ Als er im November 1945 sein Studium aufnahm, habe er sich für sein Fach, die Volkswirtschaftslehre, nicht sonderlich interessiert. „Ich habe nicht viel gelernt.“ Stattdessen habe er versucht, ein bisschen Geld zu verdienen. „Mit Steuererklärungen, die ich zum Beispiel für Einzelhändler und Tankstellenpächter gemacht habe. Das Geld habe ich dann in Lebensmittel vom Schwarzmarkt umgesetzt.“ Auf die Frage, ob er damals gedacht habe, die Deutschen würden für ihre Schuld schrecklich büßen müssen, antwortete der Altkanzler: „Ich habe damals nicht in politischen Kategorien gedacht. Dass die Deutschen insgesamt schuldig waren, war nicht meine Vorstellung. Die Nazis waren schuldig.“ Mittlerweile denke er über die moralische Schuld der Deutschen, dass diese „in ihrer Gesamtheit nicht mitschuldig“ waren. „Wohl aber waren alle Deutschen verantwortlich für das, was andere Deutsche angerichtet hatten.“ Es gebe eine „kollektive Verantwortung dafür, dass dergleichen sich niemals wiederholen darf“.

(dts Nachrichtenagentur)



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