Media-Markt-Gründer Walter Gunz: „Was wirklich zählt im Leben“

„Gutsein macht sich nicht an heroischen Taten fest.“ – Ein Gespräch mit dem Mitbegründer der Media-Markt-Kette, Walter Gunz, über Mitmenschlichkeit, gute Taten und darüber, was wirklich zählt im Leben.
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Walter Gunz: „Zunächst möchte ich sagen, dass ich mich wahrlich nicht für ein Vorbild oder gar für einen außergewöhnlichen Menschen halte.“Foto: © Walter Gunz

Dr. Sandra Maxeiner, Politik- und Sozialwissenschaftlerin, Autorin, Coach, schreibt auf der Webseite des Förderkreises „Was wirklich zählt im Leben“ über Menschen, die Vorbilder sein können, die soziales Engagement zeigen und aktiv gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Hier vorab ihr Interview mit dem Media-Markt-Mitbegründer Walter Gunz:

Noch vor wenigen Tagen schrieb ich Walter Gunz eine begeisterte Mail, in der ich drei Fragen aufgriff, die er in seinem Buch „Ich war doch nicht blöd“ stellte: „Kann ich?“ „Darf ich?“ „Soll ich?“ – und antwortete: „Ja, ich muss“. Ich musste einfach den Menschen kennenlernen, der hinter all den wunderbaren, klugen und tiefsinnigen Einsichten, Ratschlägen und Weisheiten, steckte, die ich in seiner Autobiographie „Ich war doch nicht blöd“ gefunden hatte. Nun stehe ich am Münchner Hauptbahnhof, steige in ein Taxi und bin auf dem Weg zum ältesten Italiener der Stadt, wie mir der redselige, freundliche Taxifahrer verrät. Dort bin ich mit meinem Gesprächspartner verabredet.

Und obwohl wir uns das erste Mal begegnen, fühle ich mich irgendwie vertraut und wohl in seiner Gegenwart. Walter Gunz ist ein zutiefst bodenständiger Mensch – keine Spur von Überheblichkeit oder Arroganz –  sodass es eine unglaubliche Freude ist, mit ihm zu sprechen. Es ist nicht nur sein ausgesprochen sympathisches, zugewandtes, gewinnendes Wesen, das es einem leicht macht, sich wohlzufühlen. Es ist vor allem seine empathische Art, mit der auf seinen Gesprächspartner eingeht.

Zu jeder Zeit habe ich das Gefühl, dass mir hier ein tiefsinniger und geradliniger Mensch gegenübersitzt, einer, der meint, was er sagt, einer, der Wahrheiten ausspricht, auch wenn sie unbequem oder unpopulär sind. Ein Mensch, der mit dem Herzen sieht, das belegen seine Erzählungen und die Handlungen, über die er im Verlauf unseres Gespräches berichten wird.

Dr. Sandra Maxeiner, Gründerin der Förderkreises „Was wirklich zählt im Leben"Dr. Sandra Maxeiner, Gründerin der Förderkreises „Was wirklich zählt im Leben“Foto: Maxeiner

Und Walter Gunz ist ein Mann, der sich nie mit einfachen Erklärungen zufrieden gibt, er ist ein Mensch, der tiefer bohrt, einer der nachfragt, solange, bis sich ihm ein tieferer Zusammenhang erschließt. Immer wieder ertappe ich ihn dabei, dass er bei der Beantwortung meiner Fragen seine Augen schließt, so als könne er sie nur beantworten, wenn er sich ganz und gar auf sie einlässt – immer bestrebt, noch ein Stück weit tiefer vorzudringen in die Materie, als andere Menschen es vielleicht tun würden.

Maxeiner: Bei allen neuen Projekten, so schreiben Sie, sollten wir uns immer drei Fragen stellen: „Kann ich? – Darf ich? – Soll ich?“. Als ich Ihnen meine Anfrage für dieses Interview schickte, beantwortete ich diese drei Fragen für mich mit „Ich muss“. Welche Rolle für den Erfolg spielt es, dass etwas tief aus dem Innersten unseres Herzens kommt? Können wir nach Ihrer Meinung nur erfolgreich sein, wenn wir das, was wir tun, mit Leidenschaft tun und wenn ja, warum?

Gunz: Das kann ich nur mit einem uneingeschränkten „Ja“ beantworten. Der Erfolg ist zwar nicht planbar, aber wenn wir etwas tun, wofür wir nicht geschaffen sind, etwas, das nicht unsere „geistige DNA“ ist, etwas, das nicht unserem Auftrag entspricht oder nicht unsere Aufgabe ist, dann werden wir auch nicht gut darin sein – dann wir können es nämlich nicht mit Liebe tun. Und etwas mit Liebe zu tun, ist die unbedingte Voraussetzung dafür, erfolgreich zu sein.

Die Inder sagen: „Das Wichtigste ist, dass der Koch mit Liebe kocht.“ Nicht etwa, dass er ein guter Koch ist, sondern dass er mit Liebe kocht. Das klingt profan, weil der Begriff „Liebe“ in unserer Gesellschaft so „ausgelutscht“ ist. Aber es ist schon so, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass das überhaupt das einzige mögliche Mittel ist, um Erfolg zu haben. Einen Automatismus gibt es natürlich nicht.

Wichtig ist, dass man sich auf seinem Weg (vielleicht zum Erfolg), die genannten drei Fragen stellt: Die erste Frage „Kann ich?“ zielt darauf ab, dass ich mich frage, ob ich die Ressourcen habe, ob das, was ich tun möchte etwas ist, wofür ich eine Eignung, eine Qualität besitze. „Darf ich?“ fragt nach der Ethik, das heißt danach, ob das, was ich tun möchte, gut für mich und andere ist. Entscheidend ist jedoch vor allem die dritte Frage „Soll ich?“, denn hier sollte man ganz ehrlich zu sich selbst sein, genau in sich hineinspüren und sich fragen: „Ist das wirklich mein Ding?“ Denn wenn es so ist, ist es wie mit der Quelle: Sie strengt sich nicht an, sie sprudelt einfach.

Maxeiner: Sie schreiben, dass es zwei große Prüfungen im Leben gibt: Die Prüfung durch den Erfolg und die Prüfung durch die Not. Welche Prüfung ist für Sie die schwierigere und warum?

Gunz: Die schwierigere Prüfung ist ganz eindeutig der Erfolg. Denn die Not, das Unglück, das Leid und die Krankheit werfen uns auf uns selbst zurück. All das, was uns hier widerfährt, ist ein Prozess der Rückkehr, der Reinigung, der Besinnung, des Zurückgeworfenseins auf das Wesentliche. Der Erfolg hingegen befriedigt primär das eigene Ego. Deshalb ist diese Prüfung die schwierigere Prüfung.

Viele Menschen scheitern daran, weil der Erfolg sie blind macht für das, was wirklich wichtig ist, für die einfachen Dinge im Leben. Der Erfolg schmeichelt ihrem Ego, und mit jedem Mal bläht er ihr Ego mehr auf. Solange, bis sie vergessen dankbar zu sein und dass all das Gute, was ihnen widerfuhr, ein Geschenk war. Natürlich hatte ich mit dem Media Markt die richtige Idee an der richtigen Stelle und zur richtigen Zeit. Doch dieses Glück gehabt zu haben, betrachte ich als ein Geschenk – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Maxeiner: Das heißt, man ist, wenn man Erfolg hat, viel stärker auf seine – hoffentlich gefestigte – Persönlichkeit zurückgeworfen, auf seinen Charakter?

Gunz: Ja, und der Charakter leidet um so mehr, je weniger Dankbarkeit wir zeigen.

Maxeiner: Weil man den Erfolg und das, was man erreicht hat, als selbstverständlich ansieht?

Gunz: Ja. Oder weil man sich den Erfolg ganz allein zuschreibt. Man wird zum Egomanen, wähnt sich toll, großartig, gottgleich. Was meinen Sie, wieviele Menschen ich kenne, die sehr erfolgreich und sehr reich sind, und sich deshalb für genial, ja, für gottähnliche Wesen halten. Sie haben den Blick für das Einfache und für die Dankbarkeit vollkommen verloren. Wobei es natürlich auch sehr schwer ist, sich diesen Blick zu bewahren.  Auch ich kann von mir nicht behaupten, dass ich all diese Prüfungen immer mit Freude angenommen und ihnen standgehalten habe.

Maxeiner: „Wenn man an Wunder glaubt, geschehen auch Wunder.“ Welche Rolle spielt dieser Glaubenssatz in Ihrem Leben?

Gunz: Ich denke, dass der Glaube an etwas im Leben eine große Rolle spielt. Ganz egal, woran wir auch glauben. Wenn wir beispielsweise nicht an die Liebe glauben, kann sie uns auch nicht begegnen. Schon im  Neuen Testament heißt es bereits „Es geschehe dir, wie du geglaubt.“ Nicht „wie du verdienst“ – wie es eigentlich lauten müsste, wenn es darum ginge, dass etwas „gerecht“ ist. Denn wenn es gerecht zuginge, müsste es heißen „es geschehe dir, wie du verdienst.“

Maxeiner: Sie haben in Ihrem Buch auch einen Leitsatz aus dem Neuen Testament zitiert, den ich oft von meinem verstorbenen Freund gehört habe: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und doch Schaden nähme an seiner Seele.“ Glauben Sie, dass es in der heutigen Geschäftswelt überhaupt möglich ist, seine Seele vor Schaden zu schützen? Und fügt uns nicht das Leben auch im privaten Bereich viel zu viele kleine und größere Schmerzen zu, als dass es möglich wäre, seine Seele vor Schaden zu schützen?

Gunz: Ja, genau so ist es, Sie haben das sehr schön beschrieben. Vor Schaden schützen können wir unsere Seele kaum. Wobei die Frage auch ist, was eigentlich ein Schaden an der Seele ist. Das Leid, die Trauer, die Entbehrung, das Unglück, der Verlust, fügen der Seele – zumindest nach meiner Überzeugung – keinen dauerhaften Schaden zu. Vielmehr hilft uns die Trauer, über leidvolle Erfahrungen und Verluste hinweg zu kommen. Klar ist natürlich, dass unsere Seele gleichwohl betroffen ist: sie ist traurig, sie leidet und sie weint. Jeden Verlust, den sie erleidet, kann sie nur mit Trauer heilen.

Dabei sind ja nicht nur weltliche Verluste gemeint, sondern es können auch Verluste sein, die uns das tägliche Leben zufügt: Sei es, dass sich ein großer Traum nicht erfüllt hat, dass uns eine Idee nicht aufgegangen ist, dass uns ein lieber Mensch nicht das entgegenbringt, was wir uns gewünscht haben … All das sind Verluste, die unserer Seele weh tun, sie jedoch nicht beschädigen.

Dass man sich in der heutigen Zeit überhaupt vor seelischen Schaden schützen kann, halte ich für ausgeschlossen. Wir leben in einer vernetzten, digitalen, reizüberfluteten Zeit, einer Welt, in der wir uns kaum noch abschotten können. Diese Welt hat zwar viele Vorteile, doch sie hat auch ebenso viele Nachteile, denn sie bringt den Materialismus stärker als je zuvor zum Vorschein. Aber es gibt noch eine andere Seite, wo unsere Seele wirklich Schaden leidet, nämlich dann, wenn wir wider besseres Wissen handeln und nicht unserem Gewissen, unserer Überzeugung folgen.

Maxeiner: „Auf die Dauer gilt für den Erfolg das Gleiche wie für das Glück: Es sollte keine Exklusivveranstaltung sein. Man muss ihn teilen, damit das Leben sinnvoll wird.“ In welchem Augenblick waren Sie besonders glücklich und haben Ihr Glück ganz besonders gern mit anderen Menschen geteilt? Welche Erfahrung haben Sie dabei gemacht?

Gunz: Es gibt einen Dichterspruch, der sagt: „Freu dich mit mir, es ist so traurig, sich allein zu freuen!“ Wenn man etwas Schönes erlebt, beispielsweise einen tollen Sonnenuntergang, will man es gern mit jemandem teilen. Ich habe eigentlich vorwiegend gute Erfahrungen damit gemacht. Auch weil ich Liebe nie nur auf die partnerschaftliche Liebe fokussiert habe, sondern sie weit darüber hinaus gesehen habe: Ich bezog sie auf meine Mitarbeiter und auf meine Mitstreiter. Ich habe mich immer gefreut, wenn es ihnen gut ging oder ich ihnen eine Freude machen konnte.

Wenn beispielsweise unser Geschäftsführer sagte: „Herr Gunz, ich wünsche mir eigentlich dieses Auto, aber es kostet 20.000 Mark mehr als das, was wir im Budget haben.“ Dann habe ich geantwortet: „Wissen Sie, wenn Sie dieses Auto wirklich wollen, dann bestellen Sie es.“ Auch als ein Mitarbeiter aus dem Marketing mal einen Porsche haben wollte, habe ich nicht Nein gesagt. Kurzfristig war er glücklich damit, doch er merkte bald selbst, dass er dieses Auto gar nicht wirklich brauchte und hat ihn schließlich wieder verkauft.

Wenn man Menschen Vertrauen und Liebe schenkt, führt das zu einer energetischen, harmonischen Mehrung des Ganzen. Mit großem Bedauern stelle ich fest, dass das heute in den Unternehmen ganz und gar nicht mehr so gesehen und auch nicht mehr so gelebt wird. Oft ist es mehr ein Gegeneinander als ein konstruktives Miteinander. Da kämpft  dann ein Gesellschafter gegen einen anderen oder selbst die Mitarbeiter untereinander. Und wenn dieser Geist des Zusammenhalts und des Vertrauens fehlt, wird es schwer.

Maxeiner: Achtsamkeit, Ehrlichkeit, Offenheit, Vertrauen, Abschied vom Ego, Glaube an das Selbst, Liebe und Hoffnung“, sind Eigenschaften, so sagen Sie, die im Alltag wichtig sind. Vieles davon sind meines Erachtens auch Eigenschaften, die erforderlich wären, damit wieder mehr Menschen Mitmenschlichkeit zeigen? Warum, glauben Sie, sind gerade diese Eigenschaften allgemein eher verkümmert?

Gunz: Ich glaube, dass es einerseits die Globalisierung ist, die eben nicht nur zu einer Vernetzung führt, sondern auch unser Leitbild prägt, das dazu beiträgt, dass einige der von Ihnen genannten Eigenschaften verkümmern. Es ist das Leitbild, das uns nurmehr auf den materiellen Erfolg, das Bruttosozialprodukt, das Vermögen pro Kopf und auf eine gerechte Verteilung des Vermögens blicken lässt. Diese gerechte Verteilung ist richtig und wichtig, doch der Irrtum dieses Leitbilds besteht darin, dass wir das „Sein“ mit dem „Haben“ verwechseln. Wir glauben, dass das „Sein“ essenziell mit dem „Haben“ verbunden ist. Doch so ist es nicht, denn „Sein“ und „Haben“ sind zwei Welten.

Das „Sein“ ist das Jetzt und das Hier. Es ist der Moment, in dem wir hier sitzen, der Augenblick, indem wir glücklich sein können, ganz gleich, was auch immer draußen geschieht und was uns in einer Stunde erwartet. „Haben“ jedoch bedeutet, sich Gedanken darüber zu machen, ob das Vermögen, das man vielleicht besitzt, richtig und sicher angelegt ist. Mein Media Markt-Gründerkollege, Erich Kellerhals, der viel reicher ist als ich, macht sich berechtigterweise Sorgen um die Liquidität der MediaMarkt- und Saturn-Gruppe. Er sorgt sich darum, ob diese Liquidität von der Metro richtig und risikofrei angelegt wird.  Rein faktisch hat er natürlich Recht, denn wenn die Metro das Geld falsch anlegt, ist es vielleicht weg.  Doch wozu muss ich mir da jetzt Gedanken machen? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Dinge, die ich besitze, oftmals wie eine schwere Last der Verantwortung auf mir liegen.

Seit einiger Zeit beobachte ich diese Fixierung auf das „Haben“ bei Menschen in verantwortungsvoller Position, bei Vorständen von Gesellschaften, aber auch bei Politikern. Im Ergebnis führt sie dazu, dass ihr Blick allzu sehr eingeschränkt ist, und die Fähigkeiten, die sie benötigen, um mehr Mitmenschlichkeit zeigen zu können, schlichtweg verkümmern.

Maxeiner: Müssten wir nicht schon in der frühen Bildung anfangen, hier ein Umdenken herbeizuführen? Man hört ja beispielsweise schon im Studium immer, dass der „Homo oeconomicus“ das Nonplusultra sei. Müssten wir nicht wieder stärker Mitgefühl, Empathie und andere menschliche Dinge vermitteln, die mindestens genauso wichtig sind, wie ein wirtschaftliches Denken und Verhalten?

Gunz: Da sind wir wieder bei der Frage, wo wir eigentlich in unserer Welt stehen: Alles richtet sich nach dem Dreiklang „Immer höher, immer weiter, immer mehr!“ Ja, ich sehe es wie Sie, dass es bereits in der Schule, im Gymnasium und auch in der Universtität ein Defizit in der Ausrichtung gibt. Alles ist nurmehr auf Wissens- und Gewinnmaximierung ausgelegt.

Maxeiner: „Mitgefühl befreit den Menschen von seinem niederen Ich“: Auch das ist ein Zitat aus Ihrem Buch. Was tun Sie ganz persönlich, um dafür zu sorgen, dass Mitmenschlichkeit kein leeres Wort bleibt, sondern mit Leben erfüllt wird?

Gunz: Zunächst möchte ich sagen, dass ich mich wahrlich nicht für ein Vorbild oder gar für einen außergewöhnlichen Menschen halte. Ich weiß nicht, ob ich es wirklich immer schaffe, mein niederes Ich im Zaum zu halten. Und doch bemühe ich mich darum, achtsam und mitfühlend zu sein: Ich trage morgens eine Spinne aus meinem Bad, kaufe in Marrakesch Vögel, die man gefangen und in Käfige gesteckt hat, und lasse sie später in meinem Garten wieder frei. Ich glaube, dass sich Gutsein nicht an heroischen Taten festmacht, sondern im Dasein, und zwar in dem Moment, in dem jemand in Not ist und Hilfe braucht. Ich glaube, Verantwortung heißt, dem Moment gerecht zu werden.

Maxeiner: In welchen Bereichen zeigen Sie soziales Engagement und warum? 

Gunz: Ich engagiere mich in vielen sozialen Bereiche, weil es mir gut tut, weil ich es gerne tue und weil es ein essenzieller Bestandteil meines Lebens ist. Dabei mache ich keine Unterschiede, denn mir ist jedes Leben in jedem Moment an jedem Ort etwas wert. Aktuell engagiere ich mich in 23 Gesellschaften, denen ich seit Jahrzehnten helfe und die ich fördere und unterstütze.

Dazu gehören Gesellschaften und Vereine, die Frauen in Afrika unterstützen, die ungewollt schwanger oder mit zwölf Jahren zwangsverheiratet werden und Frauen, die verstümmelt wurden. Aber ich setze mich aktuell auch dafür ein, dass indische Frauen eine Ausbildung bekommen. Denn gerade in Indien gibt es grauenvolle Schicksale. So wurde beispielsweise ein elfjähriges Mädchen zwangsverheiratet und als sie weglief und wieder nach Hause kam, wollte die eigene Mutter sie mit Benzin übergießen, weil sie Schande über die Familie gebracht hatte. Wissen Sie, es passieren so viele unfassbare, grausame Dinge, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können, ja, nicht vorstellen wollen.

Aber auch die Natur und die Tiere liegen mir am Herzen! So setze ich mich in Gräfelfing für eine Gesellschaft ein, die den biologischen Landanbau fördert, oder für die Tierklinik, die Mauersegler wieder aufpäppelt, die aus dem Nest gefallen sind, und für einen Tierschutzverein in Marrakesch.

Allerdings mache ich um mein soziales Engagement kein Aufhebens, denn ich habe ganz und gar nicht das Gefühl, dass ich im letzten Teil meines Lebens meine früheren Schandtaten wieder gut machen muss, nachdem ich jahrzehntelang dem Materialismus gefrönt habe. Ich helfe, weil es mir ein Herzensanliegen ist, und zwar immer dort, wo Hilfe gerade nötig ist. Diese Hilfe leiste ich aus Leidenschaft und mit Liebe.

Maxeiner: „Natürlich ist mir bewusst, dass Gnade und Barmherzigkeit ebenso wenig ein Automatenmodell sind wie die Liebe und man deshalb die Barmherzigkeit und die Gnade nicht erwarten, sondern nur erhoffen kann.“ Heißt das, dass auch für die gelebte Nächstenliebe das Prinzip Hoffnung gilt? Und machen wir es uns damit nicht etwas zu einfach? Müssen wir nicht mehr Einsatz zeigen, nicht mehr Verantwortung übernehmen, wieder mehr hinsehen?

Gunz: Ich glaube, das Himmelreich ist nicht erdienbar. Das Gute kann man sich nicht im Sinne einer Fähigkeit erwerben, und das Gute ist auch nicht käuflich. Selbst die Berechenbarkeit des Guten ist ein großer Irrtum. Es gibt ja keine Gerechtigkeit auf dieser Welt, sonst wären die Guten nicht umgebracht worden: Ghandi wäre nicht erschossen worden und Jesus nicht am Kreuz gestorben. Es ist der Irrtum vieler, die – gerade bei den monotheistischen Religionen wie dem Islam, dem Judentum und dem Christentum – daran glauben, dass die Liebe Gottes etwas Berechenbares und Herstellbares wäre.

Mein Sufi-Meister hat einmal gesagt: „Das Gute, was du tust, kommt zurück, man weiß nur nicht wo, wann und zu wem.“ Man sollte das Gute nur aus einer tiefen inneren Liebe, aus dem inneren Antrieb heraus tun. Alles andere, alles, was zweckhaft ist, bringt nichts. Denn Zweck ist immer auf etwas gerichtet. Das sieht man beispielsweise besonders deutlich an den sogenannten Zweckbauten – sie sind nicht schön, aber eben zweckmäßig. Der Zweck allein ist hässlich und gibt uns wieder nur ein „Ich tue Gutes, um gelobt zu werden.“

Maxeiner: „Die Vision ist unsere Bestimmung … Sie repräsentiert stets eine essenzielle, für den eigenen Lebensweg bedeutende geistige Leitlinie. Sie ist nicht materiell, sondern eine ideelle Grundmelodie“, so zitieren Sie Prof. Warschawski. Welche nicht-materielle Vision haben Sie und was tun Sie, um diese Vision umzusetzen?

[–Herr Gunz, ohne uns, Ihre Mitarbeiter, wären Sie auch nichts!–]

Gunz: Eine meiner Grundvisionen war Schönheit. Und diese Schönheit habe ich interessanterweise schon als Jugendlicher verfolgt. Schönheit heißt für mich, ganz verschiedene Dinge wahrzunehmen: Etwa die Schönheit des Sternenhimmels oder die Schönheit einer Morgenröte. Meine Vision ist das Schöne, so wie es Prof. Ferdinand Bergenthal einmal ausdrückte: „Die Rose kennt kein Warum. Sie blüht, weil sie blüht.“ Und warum ist das so schön? Weil das Zweckhafte fehlt.

Meine andere – berufliche – Vision war die, dass ich mit anderen gemeinsam etwas tun, etwas erschaffen wollte. Vor vielen Jahren hatte ich einmal ein Streitgespräch mit einem meiner treuesten und langjährigsten Mitarbeiter, Ali. Es war zu dem Zeitpunkt, als aus dem Media Markt – dem kleinen Unternehmen, das wir mit zehn Mitarbeitern begonnen hatten – schon ein Konzern mit  40.000 Mitarbeitern geworden war. Ali warf mir damals ziemlich aufgebracht an den Kopf: „Herr Gunz, ich sage Ihnen mal eines: Ohne uns, Ihre Mitarbeiter, wären Sie auch nichts. Sie wären gar nichts allein.“ Daraufhin habe ich ihn ganz ruhig angeblickt und erwidert: „Jawohl, da haben Sie recht.“ Auch heute noch sind wir gute Freunde, denn genau so, wie es Ali in unserem Gespräch sagte, ist es ja auch.

Maxeiner: „Sobald wir beginnen, andere Menschen oder materielle Gegenstände als potenzielle Quellen unseres Glücks und Unglücks zu betrachten, wird das Leben zum Kampf.“ Was sollten wir Ihrer Meinung nach tun, damit wir das Glück wieder stärker aus unserem Inneren holen können? Mit anderen Worten: Wie schaffen wir es, uns unabhängiger von äußeren Faktoren zu machen, die uns Glück, Anerkennung und Erfolg zu versprechen scheinen?

Gunz: Da muss ich ganz ehrlich sein: Diesen Punkt habe ich in meinem Leben noch nicht ganz abgearbeitet. Im Augenblick hadere ich mit meinem Schicksal, ich hadere mit den äußeren Umständen, beklage mich beim lieben Gott, weil er mir immer Aufgaben gibt, die mir zu schwer erscheinen. Oft habe ich zu ihm gesagt: „Also, wenn ich jetzt an deiner Stelle wäre, dann wäre ich gnädiger mit mir“. Ich bin’s aber nicht.

Sich unabhängiger von äußeren Umständen zu machen, ist ganz schwer. Es ist eine Kunst, die wir vielleicht in der Meditation finden. Es ist die Kunst bei unserer Vision zu bleiben und sich mit Menschen zu umgeben, die einen in dieser Vision stärken, einen unterstützen. Oft umgibt man sich leider mit Menschen oder begibt sich in Situationen, die einem eigentlich nicht adäquat sind. Das rächt sich – gerade bei sensiblen Menschen – oft diabolisch. Wie sehr, habe ich gerade in letzter Zeit erfahren – oft habe ich mich mit den falschen Menschen zur falschen Zeit an den falschen Orten umgeben, weil ich es nicht erkannt habe. Meine Abgrenzungsprobleme haben dazu geführt, dass ich ein Opfer meiner Vertrauensseligkeit geworden bin.

Sich unabhängiger zu machen von Glück, Anerkennung und Erfolg ist ganz schwer. Im Grund genommen kann ich da jedem nur empfehlen, sich selbst Klarheiten zu verschaffen. Wichtig ist, dass man versucht, sich auf sich selbst und auf das, was in einem ist, zu besinnen und dass man auf gar keinen Fall – ganz gleich was auch passiert – über andere Menschen richtet oder sie gar verurteilt.

Maxeiner: „Jede starke Abhängigkeit von der äußeren Welt erzeugt starke Angst, dass wir entweder nicht bekommen, was wir haben wollen, oder verlieren, was wir schon gewonnen haben.“ In welcher Phase Ihres Lebens haben Sie diese Erfahrung gemacht, was haben Sie daraus gelernt und was können wir tun, damit wir uns unabhängiger von der äußeren Welt machen?

Gunz: Dieser Gedanke stammt von einem indischen Arzt, Deepak Chopra. Er hat mir das vor vielen Jahren einmal näher gebracht. Lao Tse hat vor über 2.000 Jahren gesagt: „Was dir wirklich gehört, das fällt dir zu, gleich, wenn du es wegwürfest.“ Was heißt das? Es bedeutet, dass das, was für dich wirklich vorgesehen ist, auch zu dir kommt.

Doch die meisten Menschen haben nicht die Geduld zu warten. Sie klammern sich an das, was sie haben – bei ihnen überwiegt die Angst vor dem Verlust des Vorhandenen. So geht es mir auch. Ich arbeite daran, dass es anders wird, leider bis dato nicht sehr erfolgreich. Unsere Abhängigkeit von der äußeren Welt beruht auch auf der genannten Verwechslung zwischen Sein und Haben. Ich bemerke diese Verwechslung immer an Menschen, die viel viel reicher sind als ich und sich ständig um die Materie bemühen. All ihre Gedanken kreisen nur noch um einen möglichen Verlust. Was dagegen hilft, ist, dass man glaubt, dass alles, was man besitzt, ein Geschenk ist: Das Leben, das Haus, die Blumen und der Hund – alles ist ein Geschenk.

Davon unabhängig zu werden heißt, dass ich mich frage, was wirklich zählt, wenn ich wüsste, dass mein Leben morgen vorbei ist.

Maxeiner: Das heißt, die Fähigkeit zum Loslassen zu haben …

Gunz: Das wäre die Lösung, aber das kann ich nicht.

Maxeiner: „Immer wieder im Leben sind wir auch Verlierer. Wir haben einen geliebten Menschen verloren oder etwas nicht bekommen, was wir uns sehnlichst gewünscht haben“. Was gibt Ihnen ganz persönlich die Kraft und die Zuversicht in solchen Momenten weiterzumachen?

Gunz: In diesen Momenten verliere ich oft meine Kraft, denn dann kommen die Schatten, die Nacht und die Verzweiflung. Ich hadere dann mit Gott, mit dem Schicksal und klage, warum man mir dieses Schicksal beschert hat. Meist hilft in solchen Momenten wenig. Da muss man ganz ehrlich sein. Denn Verlust, Trauer, Not und Tod sind Realitäten, die man nur sehr schwer bewältigen kann. Da hilft eigentlich nur eines: „Glaube, Liebe, Hoffnung!“ Vor allem die Hoffnung gibt uns Kraft und Zuversicht, dass alles im Leben einen Sinn hat, egal wie hoffnungslos und sinnlos es gerade aussieht.

Maxeiner: „Ich habe drei Schätze, die ich hüte und hege: Der eine ist die Liebe, der zweite ist die Genügsamkeit, der dritte ist die Demut.“ Haben Sie es geschafft, sich diese Schätze zu bewahren? Und in welchen Situationen hat Ihnen das möglicherweise ganz besonders geholfen?

Gunz: Also, ich habe es nicht geschafft, mir diese Schätze zu bewahren. Die Demut überkommt mich immer wieder, wenn ich beispielsweise einen geliebten Menschen verloren habe. In einigen Tagen fliege ich nach Budapest, weil einer meiner Freunde nach einer Bagatelloperation vollkommen unerwartet verstorben ist – er hinterlässt Frau und Kinder. Auf diesem Weg behütet mich dann – so Gott will – die Demut.

Ich glaube an das ewige Leben und denke, dass wir uns wiedersehen. Diese Hoffnung hält mich hoch. Die Genügsamkeit ist die Kunst, zu erkennen, dass Sein und Haben nichts miteinander zu tun haben. Ich nähere mich ihr insofern an, als ich das Wahre, Echte und Einfache schätze.

Und der dritte Schatz, die Liebe sie ist die Grundlage von allem. Aus Liebe sind wir geschaffen. Sie ist das Fundament dieser Welt. Und die Liebe ist wohl der einzige der drei Schätze, mit dem ich kein Problem habe.

Maxeiner: Wie stark ist Neid gerade in Deutschland ausgeprägt? Und wie hinderlich ist eine Gesellschaft, in der Neid und Missgunst an der Tagesordnung sind, für ein menschlicheres, ein mitfühlenderes Miteinander? Was können wir tun, damit aus der Neidgesellschaft wieder eine Gesellschaft des Miteinanders wird, eine Gesellschaft, in der man die Leistung des anderen anerkennt, sie möglicherweise sogar als Ansporn oder Vorbild nimmt und nicht mit negativen Gefühlen neidvoll auf das schaut, was der andere hat?

Gunz: Das ist eine gute Frage und sie passt so gut hierher. Neid ist immer dem Ego geschuldet. Er entsteht aus der Verwechslung zwischen dem Ich und dem Ego. Viele Menschen leben mehr aus ihrem Ego als aus ihrem Ich. Das Ego hat ihr Ich so weit verdrängt, dass sie überhaupt nicht mehr anders können. Denn das Ego hat es sich in ihrer gesamten Persönlichkeit bequem gemacht. Es thront dick und fett auf ihr und erstickt alles andere. Was bleibt, sind Neid und das „Nicht-gönnen-können“.

Wir Europäer werden uns sehr schwer tun, selbst gegenüber so geschmähten Diktaturen wie China oder gegenüber so armen Ländern wie Indien zu bestehen, weil wir heute nur noch Dinge tun, um Erfolg oder Anerkennung zu haben und nicht mehr aus einer Vision oder einem Spirit heraus.

Wenn das so weitergeht, werden wir irgendwann der Wurmfortsatz von Asien sein. Wir werden unsere Visionen verlieren, unsere Freude, und wir werden nicht mehr gut sein, weil wir immer nur danach fragen: „Was habe ich davon?“ und „Was bekomme ich dafür?“ Wenn wir nichts mehr aus der Vision heraus und aus Dankbarkeit tun, wenn wir nichts mehr leisten wollen und keine Exzellenz mehr bieten können, wenn wir nicht jeden Tag das Beste geben, werden wir es sehr schwer haben.

Maxeiner: Kürzlich habe ich in Facebook über eine Aktion des Media Marktes gelesen, in der Sie Hunde an den Sommertagen besonders willkommen heißen, damit sie nicht im heißen Auto sitzen müssen. Spontan – und gerade natürlich als Tierfreundin – fand ich diese Aktion unglaublich gut. Mein Herz haben Sie damit erreicht. Doch beim zweiten Blick habe ich mich auch gefragt, ob hinter dieser Aktion wirklich ein reiner Akt des Mitgefühls steckt oder ob es einem Unternehmen wie dem Media Markt nicht in erster Linie um emotionale Kundenbindung geht?

Gunz: Jetzt sage ich etwas als Media Markt-Gründer, was die Menschen vom Media Markt jetzt ungern hören werden: Nachdem sie alle humanen Aktionen, beispielsweise alle Anzeigen im Tierschutzblatt, abgeschafft haben,  halte ich die Hundeaktion für eine reine zweckorientierte Geschichte. Nachdem sonst an keiner Stelle in dem Unternehmen erkennbar ist, dass es sich in puncto Tiere irgendwo in den letzten zehn Jahren sozial engagiert hat, muss ich sagen: Für mich als Gründer ist das unglaubwürdig.

Denn es fehlt vor allem an einem: An Authentizität. Authenzität heißt: Denken, reden und handeln bilden eine Einheit. Besser wäre es: Etwas Gutes tun und nicht darüber zu sprechen. In dem Moment, wo ich etwas Gutes tue und das schon ausschlachte, habe ich es eigentlich schon entwertet – wenn ich es als Marketinginstrument benutze.

Maxeiner: Unternehmen haben meines Erachtens auch eine soziale, ethische Verantwortung. Inwieweit werden soziale Projekte bei einem Unternehmen wie dem Media Markt umgesetzt? Müssen sich deutsche Unternehmer wieder stärker auf ihre soziale Verantwortung und ethische Verpflichtungen besinnen?

Gunz: Zu meiner Zeit beim Media Markt gab es das Credo, dass der Mensch, der bei uns gearbeitet hat, an seinem Arbeitsplatz auch einen Sinn für sein Leben gefunden hat. Das heißt,  der Mitarbeiter wurde geachtet und geschätzt, er konnte ehrlich und frei seine Anliegen vorbringen, konnte selbstbestimmt entscheiden und hat gelernt, mit Freiheit und Verantwortung umzugehen, weil man ihm etwas zugetraut hat. Aufgrund dieses Vertrauens, das wir ihm geschenkt haben, ist er über sich selbst hinausgewachsen und zu dem geworden, was er sein konnte.

Walter Gunz: „Ich war doch nicht blöd!“; Verlag: seltmann+söhne Euro 19.90Walter Gunz: „Ich war doch nicht blöd!“; Verlag: seltmann+söhne Euro 19.90

Leider haben sich viele Unternehmen von diesen Idealen entfernt. Man kennt sie nicht mehr und – noch viel schlimmer – man will nichts mehr davon wissen. Allzu oft gehen heute solche wichtigen Dinge im Streit der Gesellschafter über die Ausrichtung des Unternehmens oder durch die alleinige Fokussierung auf Gewinnmaximierung unter. Und dabei ist der Media Markt noch besser als viele andere. Doch den Spirit von damals hat das Unternehmen heute nicht mehr. Und so, wie es heute aufgestellt ist, wäre es auch nicht mehr in der Lage, aus dem Nichts heraus so zu wachsen, wie wir gewachsen sind.

Maxeiner: „Das Gute handelt aus dem Herzen mit Liebe, Zuversicht und Selbstaufgabe. Es tut nicht, ‚um zu‘, sondern es ist gut, weil es gut sein will und aus der Reinheit des Herzen heraus handelt.“  Wie steht es nach Ihrer Einschätzung um die wahre Reinheit des Herzens? Ist es – gerade in unserer Gesellschaft – oft nicht mehr als eine bloße Wunschvorstellung?

Gunz: Mein Mentor, Prof. Weinreb, hat immer gesagt: „Das Gute, was ich tun wollte, habe ich nicht getan, und das Schlechte, was ich vermeiden wollte, habe ich getan“. Auch ich muss da leider ehrlich sein und sagen,  dass es mir nicht immer gelungen ist, aus der Reinheit meines Herzens heraus zu handeln bzw. mir die Reinheit des Herzens zu bewahren. Wir alle sind Menschen und machen Fehler, wir alle sind all zu oft auch Sünder und auf Gnade angewiesen, die wir uns selbst nicht geben können.

Maxeiner: Unsere Aktion für mehr Mitmenschlichkeit trägt den Namen „Was wirklich zählt im Leben“: Was ist es, das für Sie wirklich zählt im Leben?

Gunz: Für mich zählt im Leben das, was man landläufig als Sinn bezeichnet. Der Sinn, die letzte Instanz unseres Lebens, ist für mich die Liebe. Sich immer wieder bewusst zu werden, dass nur die Liebe heilt und dass das Verzeihen wahre Größe ist. Nur der liebende Blick macht den Menschen zu dem, der er sein kann. Dazu gehört für mich auch die seltene große Kraft und Stärke, seine Feinde zu lieben. Das ist wahre menschliche Größe, auch denen zu begegnen, die einem Leid verursacht haben, schuldig oder sündig geworden sind.

Maxeiner: Welche Eigenschaften schätzen Sie an Ihren Mitmenschen ganz besonders und womit können Sie gar nicht umgehen?

Gunz: Mit Kritik kann ich nicht gut umgehen. Es gibt ja angeblich eine konstruktive und eine negative Kritik. Ich teile diese Auffassung nicht. Ich habe auch nie Kritikgespräche mit meinen Mitarbeitern geführt. Natürlich habe ich mit ihnen gesprochen, wenn es irgendwo gewaltige Dissonanzen gab. Doch das alles habe ich ohne Kritik getan, denn Kritik macht den Menschen nicht besser. Sie macht ihn zum Verteidiger und wenn man sich genötigt sieht, sich verteidigen zu müssen, macht es die Situation meist nicht besser.

Was ich besonders an meinen Mitmenschen schätze ist die Fähigkeit, vergeben zu können und Vertrauen zu schenken.

Maxeiner: Wie möchten Sie anderen Menschen in Erinnerung bleiben?

Gunz: Ich möchte gern als Geburtshelfer in Erinnerung bleiben, als ein Mensch, der in anderen Menschen den Glauben, die Liebe und die Hoffnung genährt hat. Dazu möchte ich Ihnen eine letzte kleine Geschichte erzählen: Es ist nun bereits etwa 35 Jahre her, dass ich einen Lieferanten hatte, den ich ganz gern mochte. Er war etwa Anfang 30 und starb an einer Überdosis Rauschmittel.

Ich bin auf seine Beerdigung gegangen, um mich von ihm zu verabschieden. Es waren nicht viele Menschen da, genau genommen stand ich mit seiner tieftraurigen Mutter, die ohne Unterlass weinte, allein an seinem Grab. Ich legte meinen Arm um sie und sagte zu ihr: „Wissen Sie, ich bin mir ganz sicher, dass wir Ihrem Sohn wieder begegnen werden. So wie er war und so wie Sie ihn geliebt haben.“

Noch heute erinnere ich mich ganz genau an diesen Augenblick. Denn sie schaute mich an und in ihrem Blick lag etwas, das mich glauben ließ, dass meine Worte sie getröstet hatten. Wenn Sie mich also fragen, wie ich Erinnerung bleiben will, so ist meine Antwort: Nicht als Person, aber als Mittler.

Herr Gunz, ich danke Ihnen herzlich für dieses Gespräch!

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