Lässt man Afrikas Zukunft verhungern?

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Der Trend kehrt sich um: Am 10. Juli 2010 stapeln Bauern im Norden Tunesiens Weizensäcke der eigenen Ernte.Foto: Fethi Belaid/AFP/Getty Images
Von 12. September 2010

Seit seiner Wahl im Jahr 2008 hat Präsident Obama seine Afrikapolitik jetzt am stärksten verändert. Die Vereinigten Staaten ergreifen eine neue Initiative zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion in den südlichen Ländern der ganzen Welt. Ernähre die Zukunft, Feed the Future (FTF), eine Initiative der US-Regierung, entstand während des G8-Gipfels in L’Aquila im Jahr 2009. Dort verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs der entwickelten Länder, „eine nachhaltige Nahrungsmittelversorgung der ganzen Welt sicherzustellen“. Obama versprach, innerhalb von drei Jahren 3,5 Milliarden US-Dollar zu investieren, um dieses Ziel zu erreichen. Er hoffte, auch andere reiche Nationen würden erhebliche Investitionen in die landwirtschaftliche Entwicklung vornehmen.

Die Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung bedeutet aber nicht zugleich deren Eigenständigkeit. Außerdem steht nicht fest, dass dadurch die Ursachen des Hungers in den ärmsten Ländern der Welt beseitigt werden. Feed the Future ist wahrscheinlich ein weiteres Programm, das großen Konzernen Vorteile bringt und sich nur wenig um die wirklichen Probleme kümmert, die das Wachstum der Landwirtschaft in Afrika, Lateinamerika und Asien behindern.

Drehtür für die großen Agrarkonzerne

Am 14. Juni 2010 organisierte der Administrator der Entwicklungsbehörde USAID (United States Agency for International Development), Rajiv Shah, eine Tagung der Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten (Economic Community of West African – ECOWAS) in Dakar zur Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung. Dabei bot er Unterstützung für die Strategien unter der Führung der einzelnen Länder an, um das landwirtschaftliche Wachstum zu fördern. Er bekannte sich zu der Verpflichtung der Obama-Regierung, mit den afrikanischen Staaten partnerschaftlich zusammenzuarbeiten, um den Kreislauf von Hunger und Armut in Afrika zu durchbrechen.

Shah beschrieb zwar vortrefflich die Rolle der Frauen in der Landwirtschaft und die Bedeutung der bürgerlichen Gesellschaft bei der Durchführung der FTF-Initiative. Er ging aber nicht so weit, das enorme Potenzial für die landwirtschaftliche Entwicklung anzuerkennen, das auf diesem Kontinent bereits vorhanden ist. Es gibt zum Beispiel das Tigray-Projekt in Äthiopien, das die Nahrungsmittelproduktion mit Hilfe agro-ökologischer Methoden erhöht, und die Anbaumethode für Reis SRI (System of Rice Intensification) in Madagaskar, die organische und nachhaltige Methoden nutzt, um Reiserträge immerhin um das Siebenfache zu erhöhen. Stattdessen sprach Shah von neuen Sorten, die in Mali eingeführt wurden, und von der Marktfähigkeit der von USAID unterstützten Landwirtschaft in Ghana.

Es ist kaum überraschend, dass Shah diese Position vertritt. Denn bis vor kurzem war er noch als Leiter der Abteilung für landwirtschaftliche Entwicklung bei der biotech-freundlichen Gates Foundation, einer großen Privatstiftung, tätig. Die Gates Foundation ist ein wichtiger Geldgeber der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika AGRA (Alliance for a Green Revolution in Africa), die trotz ihrer rhetorischen Fähigkeiten nicht verheimlichen kann, dass sie den Einsatz von gentechnisch verändertem (GV) Saatgut in Afrika fördert. Die Drehtür steht jedoch noch anderen Unternehmen offen. Obama setzte eine Gruppe von biotech-freundlichen Beamten in seiner Regierung ein. Dazu zählen auch der ehemalige Vize-Präsident von Monsanto, Michael Taylor, und der ehemalige Vizepräsident der Interessenvertretung Group CropLife, Islam Siddiqui.

Lektionen aus der Geschichte nicht gelernt

Daher ist es keine Überraschung, dass FTF-Führungskräfte davon sprechen, welche Möglichkeiten sich durch den Einsatz der neuen Sorten ergeben, um den Hunger in Afrika zu beenden, obwohl dies katastrophale Folgen haben könnte. Die Geschichte der Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut und die Grüne Revolution in Asien zeigen, dass solche Ansätze nur zur Steigerung der Gewinne von Konzernen wie Monsanto dienen, während sich kleine Bauern verschulden. Obwohl die Grüne Revolution die Erträge in Asien steigerte, belegen zahllose Studien über die afrikanische Landwirtschaft, dass biologische, Nicht-GVO (gentechnisch veränderter Organismus)-Landwirtschaft „die Nahrungsmittelversorgung besser sicherstellen kann als die meisten herkömmlichen Systeme und auf längere Sicht wahrscheinlich nachhaltig ist“. Landwirtschaft mit GV-Samen und -Dünger ist eine sehr kopflastige Methode, die die wahren Ursachen des Hungers nicht bekämpft und stattdessen Nahrungsmittelknappheit hervorruft, aus der dann Kapital geschlagen wird.

Viele Gründe für den Hunger wurden in den 80er-Jahren vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und Strukturanpassungsprogrammen (SAPs) der Weltbank verursacht, die Afrika mit seiner Kulturvielfalt und den herkömmlichen Anbaumethoden zugunsten der in großem Maßstab durchgeführten und vom Markt bestimmten Produktion in den Bankrott trieben. Als die Vereinigten Staaten anfingen, ihre eigenen großen industriellen Landwirtschaftsbetriebe stark zu subventionieren, verbot der IWF den afrikanischen Ländern tatsächlich die Subventionierung ihrer eigenen landwirtschaftlichen Systeme.

Das Ergebnis waren Dumpingpreise für die Überschussproduktion von Waren wie Reis und Weizen, die aus den USA in die afrikanischen Volkswirtschaften geschickt wurden. Die örtlichen Bauern konnten mit den Preisen nicht konkurrieren und deshalb ihre Produkte nicht einmal in ihren eigenen Gemeinden verkaufen. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Landwirte von den traditionellen Kulturen auf exportfähige Hauptnahrungsmittel umgestellt hatten, wodurch die Ernährung ihrer Familien noch schwieriger wurde.

Die Wurzel des Problems ausrotten

Feed the Future macht auch einige Dinge richtig. Dazu zählen die Arbeit mit landwirtschaftlichen Beratungsdiensten in den einzelnen Ländern, die Unterstützung beim Bau von Straßen, damit die Landwirte ihre Erzeugnisse auf den Markt bringen können, und die Errichtung von Bewässerungssystemen in den trockenen Regionen der Welt. Man erkennt auch die Bedeutung der von den Ländern geführten Entwicklung und die Notwendigkeit der Einbeziehung von Frauen in landwirtschaftliche Projekte, die für jede Entwicklungsinitiative von wesentlicher Bedeutung sind.

Doch um diese Vorschläge erfolgreich umsetzen zu können, muss FTF strenge Rechenschaftspflicht ablegen und Transparenz vorweisen, insbesondere in Ländern, deren Regierungen die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Bürger notorisch ignorieren.

Die weltweite Bewegung für eine eigenständige Lebensmittelversorgung wächst. Überall auf der Welt übernehmen Gemeinden und Landwirte mehr Eigenverantwortung für ihr Land und ihre Nahrungsmittelversorgung. „Eine eigenständige Lebensmittelversorgung ist das Recht eines Volkes auf gesunde und kulturell geeignete Nahrung, die auf eine umweltverträgliche und nachhaltige Weise erzeugt wurde, und sein Recht, seine eigenen Ernährungs- und Landwirtschaftssysteme zu bestimmen.“ Daraus ergibt sich die Möglichkeit „eine Strategie zu verfolgen, mit der es sich dem derzeitigen System der Handels- und Lebensmittelversorgung widersetzen kann.“

Statt die konzernfreundlichen Elemente des FTF zu fördern, könnte die US-Regierung mehr tun, um landwirtschaftliches Wachstum in allen südlichen Ländern der Welt zu unterstützen, indem sie die Wurzeln des Problems in Angriff nimmt. Sie könnte faire Handelsgesetze erlassen, die Subventionen für große Agrarunternehmen in den Vereinigten Staaten beenden sowie die Ursachen und Folgen des Klimawandels bekämpfen. Auch durch die Unterstützung der von den Gemeinden geleiteten Versuche, Nahrungsmittel ökologisch und nachhaltig wachsen zu lassen, könnte Obama beginnen, einen positiven Beitrag zur US-afrikanischen Politik zu leisten. In seinem derzeitigen Zustand stellt FTF eher ein Segen für Firmen wie Monsanto dar als für die Afrikaner, die sich mit der Realität von Hunger und Armut auseinandersetzen müssen.

Beth Tuckey ist derzeit geschäftsführende Mitarbeiterin beim Afrika-Aktionsplan in Washington, DC und Mitwirkende bei Foreign Policy In Focus.

 

Original auf Englisch: Starving Africa’s Future?

 

 



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