Star-Mezzosopranistin Elina Garanča – Leben zwischen verschiedenen Welten

Titelbild
Foto: Cover ECOWIN-Verlag Salzburg
Von 10. Juli 2014

Elina Garanča ist als Star-Mezzosopranistin auf den Opernbühnen der Welt zuhause. Die Mutter von zwei kleinen Töchtern schont sich nicht. Erst vor wenigen Tagen begeisterte sie zum siebenten Mal ihr Publikum bei ihrem Sommerfestival „Klassik unter Sternen“ vor der traumhaften Kulisse des Benediktinerstifts Göttweig in der Wachau/Österreich (UNESCO Kulturerbe).

Die am 16. September 1976 in Riga/Lettland geborene Elina Garanča hat mit eisernem Willen gewaltige Hürden auf ihrem Karriereweg überwunden und zählt heute zu den weltbesten Sängerinnen ihres Stimmfachs. In ihrer Autobiographie Elina Garanča ist als Star-Mezzosopranistin“ schildert sie ihren schon bisher sehr inhaltsreichen Lebensweg.

Sie war 22 Jahre jung, als sie sich nach abgeschlossener Ausbildung in ihrer Heimatstadt, in den USA, in Amsterdam und Wien, am 13. Februar 1999 von Riga mit dem Bus auf den Weg nach Berlin machte. Nach 20 Stunden Fahrt suchte sie am Bahnhof Zoo die Zugverbindung nach Meiningen.

Mit 40 kg Gepäck, darunter Essensvorräte für die nächsten Wochen, kam sie nach viermaligem Umsteigen erschöpft am 14. Februar abends in Meiningen an. Einen Tag später waren die Proben terminiert an dem südthüringischen Staatstheater, von dem aus ihr kometenhafter Aufstieg begann.

Ich war so erschöpft von der Reise, dass ich kaum eine Flasche Wasser heben konnte, aber das war mir egal – Hauptsache, ich konnte mein neues Leben beginnen.“

Elinas Vater Janis ist Chordirigent, ihre Mutter Anita ist Mezzo-Sopranistin, von der sie an der lettischen Musikakademie ihre Grundausbildung erhielt.

„Bei meinem ersten Engagement an der Oper in Meiningen wurden meine Freunde und ich für mehrere Beethoven-Konzerte in Fulda und Eisenach unter Vertrag genommen. Als Honorar gab es einen Scheck über 9.000,– DM. Ich war auf meinen ersten Scheck so stolz, dass ich ihn eingerahmt und in meiner Wohnung aufgehängt habe. Auf die Bank zu gehen und mein Honorar abzuholen, daran habe ich einfach nicht gedacht. Und da ich noch nie zuvor in meinem Leben einen Scheck überreicht bekommen hatte, wusste ich auch nicht, was man damit macht. Ich war noch sehr naiv.“

[–Die Härte in der Kindheit–]

Elina betrachtet sich als intellektuelles Bauernmädchen. In Riga wuchs sie in bester Gesellschaft auf; Musiker, Sänger, Schriftsteller, Maler gingen in ihrem Elternhaus ein und aus. Die Wohnung lag ganz in der Nähe des Nationaltheaters.

„Jeden Tag nach der Schule lief ich zu meiner Mutter ins Theater, wo sie als Gesangslehrerin arbeitete. Meine Schulaufgaben erledigte ich irgendwo in der Garderobe zwischen Theater-Make-up und Kostümen. Danach hörte ich bei den Proben zu … Ein Kontrapunkt dazu war die Welt meiner Großeltern. Sie waren Bauern. An den Wochenenden und in den Sommermonaten ging es ab aufs Land. Auf dem Bauernhof von Oma Nellija und Opa Albert, den Eltern meiner Mutter, gab es Schweine, Kühe, Schafe, Hühner. Sie lebten in dem Dörfchen Mezarasas, 200 km von Riga entfernt. Woche für Woche reisten wir mit Bahn und Bus an, da hatten wir die paar Stunden Zeit zum Lesen. Die letzten Kilometer bewältigten wir per Rad oder zu Fuß …“

Die körperlich anstrengende Arbeit war Elina von Kind an gewohnt. Ihre Großmutter musste zusätzlich noch auf einer benachbarten Kolchose mit dem Melken von 80 Kühen das nötige Geld verdienen; der Nachtschlaf war auf vier bis fünf Stunden begrenzt. Aber es wurde in der knapp bemessenen Freizeit immer musiziert.

Trotz der harten Arbeit wusste Großmama Nellija immer, was im Theater oder in der Oper in Riga passierte, wer was gesungen hat, welcher Sänger oder Schauspieler gerade populär war. Sie war eine Bäuerin, aber sie war unheimlich weise … Ich pendelte zwischen Bauernhof und Musiksalon. In Riga mussten mein Bruder und ich ein Musikinstrument lernen. Klavier hatten unsere Eltern für uns entschieden. Keiner von uns mochte es, und mein Bruder stieg später auf Klarinette um. Ich spielte letztendlich zwölf Jahre Klavier – es war eine Qual für mich … Die Welt des Theaters und der Bühne faszinierte mich von der ersten Minute an. In diesen Zauber hatte ich mich verliebt. Meine Mutter erzählte mir, dass ich zwei Jahre alt war, als ich zum ersten Mal den Wunsch äußerte, Sängerin zu werden …“

Als Elina mit 17 Jahren ihre Schulzeit beendete, fragte ihre Mutter sie, was sie in ihrem Leben machen möchte. Bei der Aufnahmeprüfung für die Schauspiel-Akademie ist sie durchgefallen. Ihre Mutter riet ihr zum Studium „Kulturmanagement“. Aber nach anfänglichen Versuchen erkannte sie, dass dies nicht ihre Welt war. Als Alternative schlug der Vater die Ausbildung zur Musikpädagogin vor. Und dann der Entschluss: „Ich will singen!“

Mutter Anita setzte sich an den Flügel, um mit Elina ein paar Töne auszuprobieren. Nach ein paar Vokalisen die klaren Worte: „Zur Solostimme wird es nicht reichen. Du hast die Stimme mit deinen Diskotheken-Besuchen und dem Rauchen ruiniert!“

Nach vielen Diskussionen hatte sich Elinas Mutter doch breitschlagen lassen und zwei Monate mit ihr geübt. Dabei flogen auch mal die Fetzen. Abwechselnd haben „Lehrerin“ und „Schülerin“ die Noten auf den Boden geschmissen, der Flügel wurde vor Wut zugeknallt. Und immer wieder die Worte: „Nein, die Stimme reicht nicht. Sie ist zu klein!“

Elina gab nicht auf. Die ehemalige Gesangslehrerin ihrer Mutter, die Russin Ludmilla, die seit vielen Jahren an der Akademie unterrichtete, ließ sie ein Liedchen vorsingen. Und dann die Ermunterung: „Es könnte sein, dass da irgendetwas tief unten steckt. Das könnte interessant werden. Lass uns ein bisschen arbeiten. Dann werden wir sehen …“

Und dann der erste Erfolg. Elina schafft die Aufnahmeprüfung für die lettische Musikakademie und tobte sich beim Üben richtig aus: „Meine Stimme hatte zu Anfang nur eine Oktave in der Mittellage. An ein hohes C oder A nach unten war gar nicht zu denken. Innerhalb der ersten zwei Jahre konnte ich meine Stimme auf eineinhalb Oktaven steigern. Mehr Stimmvolumen war damals noch nicht drin.“

„Um meine Ausbildung zu finanzieren, verdiente ich mir mein Geld mit Putzen. Ich hatte zwar ein Stipendium bekommen, aber das war nur mit 7,50 € pro Monat finanziert. Es reichte nicht einmal, um die Fahrkarten zur Akademie zu bezahlen …“

Die Begegnung mit der in Wien lebenden rumänischen Gesangslehrerin Irina Gavrilovici wurde ein wichtiger Meilenstein. Innerhalb von einer nur einer Woche vergrößerte sich der Stimmumfang auf zwei Oktaven. Nach der erfolgreichen Teilnahme am Internationalen Hans-Gabor-Belvedere-Gesangs-wettbewerb im Jahr 1998 erfolgte die Einladung an  das Staatstheater Meiningen.

Die australische, 1,87m große Sopranistin Joan Sutherland (1926 – 2010) war für Elina das Idealbild einer Sängerin. Und der Zufall wollte es, dass diese herausragende Künstlerin Jury-Mitglied des Internationalen Mirjam-Helin-Gesangswettbewerbs 1999 in Helsinki war, bei dem Elina Garanča Siegerin wurde. Joan Sutherland sprach damals „von der Erscheinung einer geborenen Diva“.

Nach Meiningen ging es an die Frankfurter Oper, 2003 Salzburger Festspiele, 2004 Debüt an der Wiener Staatsoper, 2005  Opéra Bastille Paris, 2007 Covent Garden London, seit 2008 regelmäßig an der Metropolitan Opera in New York, 2013 in Wien zur Kammersängerin ernannt.

Sie ist mit dem englischen Dirigenten Karel Mark Chichon verheiratet. Mit ihren zwei kleinen Töchtern Catherine Louise (geb. 22. September 2011 in Malaga) und Cristina Sophie (geb. 8. Januar 2014 in London) pendelt die Familie ständig mit einer spanischen Nanny zwischen Spanien und Lettland und den Wirkungsstätten der Engagements. Die Kinder wachsen dreisprachig auf mit Lettisch, Spanisch, Englisch.

„Unser Job macht uns zu Weltenbummlern. Wir Künstler leben heute da und morgen dort, und die Opernwelt ist eine multikulturelle Szene. Mit Anna Netrebko rede ich Russisch, mit Jonas Kaufmann Deutsch, mit Marcelo Alvarez Spanisch, mit Roberto Alagna Italienisch. Vier verschiedene Kollegen, vier verschiedene Sprachen. Sie eröffnen mir neue Welten, machen das Leben bunter. Wenn unsere Tochter Catherine mit 15 Jahren fünf Sprachen beherrscht – wahrscheinlich wird sie in Wien zur Schule gehen – bin ich als Mutter überglücklich. Mir sind Sprachen immer zugeflogen, ich habe nie viel Zeit zum Lernen investiert …“

[–Meine Stimme ist mein Goldschatz–]

Ich habe keine Rossini-Stimme – Koloraturen sind für meine Stimme ein echter Grenzbereich – meine Stimme ist für das Leichte und Schwerelose nicht geschaffen. Meine Mutter, die auch ein Mezzo war, hat bei den Rossini-Koloraturen das Notenbuch meistens gleich wieder zugeschlagen, weil die Klavierauszüge für sie zu viele kleine schwarze Noten hatten. Für Koloraturen muss man geboren sein. Auch wenn ich meine Kolleginnen nur bewundern kann, wie schnell und beweglich ihre Stimmen sind, wie schnell sie die Noten-Perlen laufen lassen, mein Herz hört doch mehr bei Bizet, Verdi und Puccini auf. Als Künstlerin bin ich noch lange nicht auf dem Höhepunkt, meine Stimme hat die volle Kapazität noch nicht erreicht. Meine Karriere war geprägt von Zufällen oder auch von Glück, ich betrieb nie Raubbau mit meiner Stimme, hütete sie wie einen Goldschatz …“

„Auch wenn man immer wieder hört, die Oper sei am Ende, ein Dinosaurier, kurz vor dem Aussterben, glaube ich es nicht. Ich werde nicht in zehn Jahren arbeitslos vor Opernhaus-Türen sitzen, die wegen der Krise oder weil das, was in ihnen gespielt wird, nicht mehr zeitgemäß ist, geschlossen wurden. Es geht um meine Kinder und die Welt, die wir ihnen hinterlassen. Ich als Mutter sehe es als meine Verantwortung, mit meinem Können und meinem Talent dazu beizutragen, dass die Oper auch in 20 Jahren noch Werte vermitteln kann, die auch modern sein können. Je lebendiger und offener ich dies tue, desto mehr hoffe ich, dass es mir gelingt, mit dem, was ich mache, den wahren Menschen anzusprechen.“

Eine spannende Autobiographie, die jedem Menschen in unserer Gesellschaft wesentliche Dinge deutlich macht, nicht nur den Opernfans: das Aufwachsen in einer harmonischen Familienumgebung ist von großer Bedeutung, auch wenn die Lebensverhältnisse unangenehm hart und zuweilen karg sind.

Die Musik, insbesondere die menschliche Stimme (auch wenn sie nicht für die höchsten Künstleretagen geeignet ist), ist ein kulturtragendes Element, dem dringend mehr Beachtung geschenkt werden muss.

Mit Computern, i-Pads, i-Phones und der Kommunikation per SMS, Facebook, Twitter u.v.m. kann die Stimme nicht zur Entfaltung gebracht werden.  „Gesang ist die eigentliche Muttersprache des Menschen“ (Yehudi Menuhin, 1916 – 1999).

Elina Garanča

Wirklich wichtig sind die Schuhe

ECOWIN-Verlag Salzburg,

200 S., € 21,90



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