Man will keine freie Diskussion aufkommen lassen

Günter Nooke, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung ist von einer viertägigen Reise nach Peking zurückgekehrt und stand der Epoch Times für ein Gespräch zur Verfügung.
Titelbild
(Auswärtiges Amt)
Epoch Times11. August 2008

Herr Nooke, Sie sind gerade aus Peking zurückgekommen, was war das Hauptziel ihrer viertägigen Reise nach China?

Nooke: Ich wollte mir ein Bild vor Ort machen, wie es aussieht und ein bisschen auch die Stimmung in der Stadt kennenlernen. Ich habe auch mit Menschenrechtlern, mit Leuten aus der Wissenschaft und Kirchenvertretern gesprochen. Ein weiterer Grund war, dass mich der Deutsche Olympische Sportbund zu einem Besuch des Olympischen Dorfes und des Deutschen Hauses in Peking eingeladen hatte. Ich hatte hingegen keine offiziellen Gespräche so kurz vor der Olympiade.

Mit wem von den Dissidenten haben Sie sich getroffen in China? Bemerkten Sie, dass Sie beim Treffen vom Geheimdienst betreut wurden?

Nooke: Es gab Gesprächspartner, die mir ganz konkret gesagt haben, dass sie nicht möchten, dass ihr Name öffentlich wird und dass man über dieses Treffen berichtet, weil sie dann noch mehr Druck bekämen und Repressionen zu fürchten hätten, gerade weil es so kurz vor Olympia war. Ich bin natürlich als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung für viele doch jemand, mit dem man lieber nicht redet. Mir ist berichtet worden, dass sehr viele Menschenrechtler und Dissidenten unter Hausarrest stünden. Peking selbst wirkte sehr leer und aufgeräumt, sehr anders, als ich es vor Jahren kennen gelernt hatte. Persönlich habe ich mich nicht beobachtet, verfolgt oder unsicher gefühlt. Ich glaube, das können nur die Menschen, die tatsächlich in Peking leben, wirklich richtig einschätzen.

Das heißt, das Treffen mit solchen Leuten wurde, wie Sie es bemerkt haben, nicht behindert?

Nooke: Es war schlichtweg von den chinesischen Behörden im Vorfeld alles so weit organisiert worden, dass nicht nur die Wanderarbeiter, sondern auch alle anderen, die keine sichere Aufenthaltserlaubnis in Peking hatten, die Stadt verlassen mussten, und dass diejenigen, die eben für ein Protestpotential in Frage kämen, also alle Menschenrechtsaktivisten und Dissidenten, schon Wochen vor den Spielen unter Hausarrest gestellt wurden. Einer, mit dem ich gesprochen habe, erzählte mir „ich wollte mich mit Freunden treffen und viele haben mir gesagt, vor meinem Haus, vor meiner Wohnung steht Polizei, ich kann nicht rauskommen, wir können uns nicht treffen.“ Das treffe nicht nur auf Peking, sondern auf das gesamte Land zu.

Hatten Sie insgesamt nur die Möglichkeit, sich mit Einem zu treffen, weil die Leute gar nicht da waren oder das einfach sehr schwierig war, sich mit denen zu treffen?

Nooke: Nein, ich habe mich schon mit mehreren Leuten getroffen. Aber es ist auch eine Sache abgesagt worden, wo ich nicht genau weiß, was der wahre Grund war. Also die üblichen Dinge, das ist jetzt nicht so verwunderlich gewesen.

Sie wollten sich auch mit Medien treffen, mit welchen Medien, chinesischen oder westlichen Medien?

Nooke: Ich habe mit westlichen Medien gesprochen.

Wie schätzen Sie die Freiheit der Berichterstattung und Arbeitsbedingungen der ausländischen Journalisten ein?

Nooke: Die Situation für die westlichen Medien, auch im internationalen Pressezentrum, ist trotz einiger Nachbesserungen ähnlich, wie sie für die Pekinger und Chinesen jeden Tag ist, es sind halt viele chinesische Seiten geblockt, die mit kritischen Inhalten eben, die ja offensichtlich für die chinesische Führung als gefährlich angesehen werden. Aber auch das Internet muss man differenziert sehen, es gibt ja Möglichkeiten, diese Schranken zu umgehen, und die damit länger zu tun haben oder die, die Englisch verstehen, können sich natürlich damit trotzdem gut informieren.

Gibt es gibt einen komplett freien Zugang zum Internet im Pressezentrum?

Nooke: Komplett nicht, die chinesischen Seiten der deutschen Welle zum Beispiel, die ja nun auch nicht die allerkritischsten sind, die kann man wohl jetzt wieder aufrufen, aber es ist natürlich jetzt kein völlig freier Zugang.

Wollten Sie sich von Anfang an nicht mit der Regierungsseite treffen oder haben Sie keine Einladung von ihnen bekommen? Sind Sie dann als privater Tourist allein nach China gereist?

Nooke: Die chinesische Seite hat darauf verwiesen, wegen der Olympiade ab Juli keine offiziellen Besucher oder Staatsgäste mehr zu empfangen. Es gab deshalb auch keine offiziellen Kontakte auf der Reise. Ich habe mich allerdings mit einer Nicht-Regierungsorganisation getroffen, die sehr staatsnah ist. Das war die China Society for Human Rights Studies.

Sind Sie dann als privater Tourist allein nach China gereist?

Nooke: Nein, ich bin ganz offiziell als Menschenrechtsbeauftragter der deutschen Bundesregierung gereist.

Müssen Sie beim Visumsantrag schon angeben, wann, wo und mit wem Sie sich in China treffen?

Nooke: Nein, ich habe nur gesagt, dass ich mich über die Menschenrechtslage in Peking informieren und mich mit verschiedenen Personen treffen möchte und auch auf die Einladung des Deutschen Olympischen Sportbundes hingewiesen. Meine erste offizielle Anfrage, noch ein oder zwei Provinzen im Vorfeld der olympischen Spiele zu besuchen, bevor ich nach Peking reise, ist hingegen nicht zustande gekommen.

Sie haben auch das Olympische Dorf besucht, wie war die Atmosphäre dort unter den deutschen Athleten?

Nooke: Ich glaube, dass die Sportlerinnen und Sportler das sehr unterschiedlich sehen. Da gibt es auch welche, die nur dahin fahren und eine Medaille gewinnen wollen oder einfach einen guten und sauberen Wettkampf abliefern und die sich eigentlich nicht für Politik interessieren möchten. Das ist völlig legitim. Man darf nicht erwarten, dass Sportler zu Politikern werden müssen. Wenn sie gefragt werden, sollen sie aber zu den Werten stehen können, die sie haben, und sich auch frei äußern können. Und es gibt ja auch einige Sportler, die sich im Vorfeld sehr dezidiert zu den Menschenrechtsverletzungen geäußert haben.

Gibt es im Deutschen Haus jetzt deutschsprachige Zeitungen zu lesen? Weil das vor einer Woche von China noch abgelehnt wurde.

Nooke: Ja. Mir hat das DOSB gesagt, dass es jetzt keine Probleme mehr gibt.

Sie sind den Eröffnungsfeiern ferngeblieben, wurden Sie zur Eröffnungsfeier eingeladen? Warum haben Sie sich so entschieden?

Nooke: Ich habe weder um eine Einladung gebeten noch wurde ich gefragt, ob ich kommen möchte. Ich hatte nie vorgehabt, zu der Eröffnungsfeier zu gehen.

Aus welchem Grund?

Nooke: Weil ich glaube, dass für mich andere Sachen wichtiger waren und es nicht unbedingt sein muss, dass man als Menschenrechtsbeauftragter im Stadion mitjubelt.

Wie schätzen Sie die allgemeine Meinung zu den Spielen ein?

Nooke: Ich glaube, dass es im Land derzeit schon eine sehr positive Stimmung gibt und ich finde, wir sollten jetzt den Chinesinnen und Chinesen auch gönnen, dass die Spiele dort stattfinden und dass man sich freut. Wichtig ist nur, dass wir nicht vergessen, wie die andere Realität für Hunderttausende in China aussieht, etwa von denen, die sich in administrativer Haft oder in Umerziehungslagern befinden.

Wie war die Luft in Peking jetzt während Ihres Aufenthalts?

Nooke: Als ich ankam, war blauer Himmel und Sonnenschein und die Luft war relativ gut. Ab Mittwoch war es drückend heiß und die Luft war so schlecht wie ich sie vor fünf oder sieben Jahren, als ich da war, noch nicht kannte.

Weckte die Situation in Peking Erinnerungen an Ihr Leben in der DDR vor 20 Jahren?

Nooke: Ja und nein. Natürlich funktionieren Diktaturen ähnlich. Trotzdem ist heute die Möglichkeit, sich zu informieren, Kontakte zu haben, auch durch die Internet-Technologie, durch die Globalisierung viel einfacher als zur Zeiten der Ost-West-Konfrontationen. Aber ich verstehe schon einiges, auch was die chinesische Führung an Maßnahmen durchführt. Man will erst gar nicht Luft ranlassen, man will erst gar nicht eine freie Diskussion aufkommen lassen, um die eigene Machtbasis nicht zu gefährden, deshalb dieses strikte Verbot, die Führungsrolle der Partei und die Machtfrage anzusprechen. Das war genauso in der DDR, das war quasi tabuisiert und stand unter extremer Strafandrohung.

Werden Sie nach den Spielen noch einmal nach China reisen?

Nooke: Es ist zwischen den beiden Außenministern vereinbart, dass der Menschenrechtsdialog zwischen Deutschland und China im Herbst wieder aufgenommen wird. Diesmal wird er in Peking stattfinden. Ich werde diesen Dialog von deutscher Seite aus leiten und dazu nach China reisen.

(Die Fragen stellte Maria Zheng)

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