Ohne Wald keine Geister. Ohne Geister kein Wald.

Holzeinschlag auf Madagaskar bedroht altertümliche Tier- und Pflanzenformen
Von 12. Juni 2009

Manch einer hat Kattas, die putzigen Lemuren mit geringeltem Schwanz, schon in einem Zoo gesehen. Lemuren sind eine alte Tierart der Gattung Feuchtnasenaffen. Je nach Art werden die Lemuren zwischen 12 (Mausmaki) und 80 Zentimeter (Indri) groß. Viele der 30 Lemurenarten sind nachtaktiv. In ihrer Heimat auf Madagaskar werden sie ehrfürchtig Waldgeister genannt. Wer sie schon einmal nachts im Dschungel erlebt hat, kann es verstehen: Es heißt, ihre Schreie und Rufe in der Dunkelheit klingen unheimlich. Und wenn man dann mit der Taschenlampe in die Baumkronen leuchtet, scheinen überall rote und gelbe Augenpaare zu glühen.

Aberglaube schützt nicht genug

Um die Lemuren ranken sich uralte Sagen, insbesondere um das Aye-Aye, das auch „Fingertier“ oder „Greis mit langen Fingern“ genannt wird, weil es mit seinem langen, knochigen Mittelfinger Insektenlarven aus Holz bohrt. Es heißt, wer ein Fingertier tötet, müsse selbst innerhalb eines Jahres sterben.

So ein Aberglaube kann zum Erhalt einer Art beitragen. Doch dass Lemuren auf Madegaskar zusätzlich unter dem Schutz des Gesetzes stehen, nützt ihnen wenig. Was sie bedroht, ist die Zerstörung ihres Lebensraums. Etwa 120.000 Hektar Wald werden nach Angaben der Umweltstiftung WWF jährlich gerodet. Wenn das so weiter geht, dürfte es auf Madagaskar in rund 40 Jahren keinen Wald mehr geben.

Dabei brauchen nicht nur die Lemuren die Wälder. Madagaskar braucht umgekehrt die „Waldgeister“, damit die Wälder fortbestehen, denn in den Tropen werden fast 90 Prozent der Samen nicht durch den Wind, sondern durch Tiere verbreitet. Allein der Braune Maki pflanzt 20 Baumarten, indem er ihre Früchte frisst. Er verbreitet die Samen – samt Dünger – mit seinem Kot. Es ist erwiesen, dass erheblich weniger dieser Hölzer wachsen, wo es diesen braunen Waldgeist nicht gibt.

Viele Madagassen leben von Ackerbau und Viehzucht. Das nötige Land erschließen sie sich durch Brandrodung. Doch da sich die meisten Nährstoffe der Wälder Madagaskars nicht im Boden, sondern in den Pflanzen befinden, geben die Böden nicht viel her, und es werden immer neue Waldflächen gerodet.

„Das größte Problem ist der kriminelle Handel mit Holz, das ohne Herkunftsnachweis als Möbelstücke oder Papier vor allem in Europa und den USA landet“, sagt Dorothea August vom WWF. „Wir fordern aus diesem Grund bereits seit Jahren ein europäisches Gesetz, das die Holzhändler zu einem Nachweis verpflichtet, dass ihr Rohstoff aus legalen Quellen stammt.“ Ein Entwurf für ein solches Gesetz wurde vor einigen Monaten vom EU-Parlament vorgelegt. Der Holzeinschlag droht, ein einzigartiges Naturerbe der Erde zu zerstören. Nirgends auf der Welt gibt es mehr endemische (also nur an diesem Ort vorkommende) Arten. Unter Naturwissenschaftlern gilt Madagaskar deshalb als achter Kontinent. Von den etwa 12.000 Arten von Blütenpflanzen und den 109 Säugetierarten sind jeweils 80 Prozent endemisch, von den 250 Vogelarten rund die Hälfte, von den 260 Reptilienarten 95 Prozent und von den 150 Froscharten alle.

Gerade die Artenvielfalt bietet vielen Menschen die Möglichkeit, sich zu ernähren: 46 Parks und Naturreservate ziehen Öko-Touristen an, die von den Einwohnern beherbergt und geführt werden. Je die Hälfte der Eintrittsgelder fließt laut WWF in den Naturschutz und in die angrenzenden Kommunen, es ist also hier ertragreicher, die Natur zu schützen, als sie zu zerstören.

Erschienen in The Epoch Times Deutschland Nr. 21/09

 



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