Können Migranten die Weltwirtschaft retten?

Überweisungen von Landsleuten aus dem Ausland für viele Länder wichtige Geldquelle
Titelbild
Fluch oder Segen? Farm-Gastarbeiter schleppen Kisten mit frisch gepflücktem Spinat auf einer Farm in der Nähe von Wellington, Colorado.Foto: John Moore/Getty Images
Von 4. Januar 2010

Die Weltwirtschaftskrise hat Arbeiter auf der ganzen Welt heimgesucht; sie trifft niemanden härter als Gastarbeiter, deren Tageslöhne von den Launen der Geldgeber der Welt abhängen. Wie es sich in Dubai deutlich zeigt. Sogar vor der Finanzkrise von Dubai World verloren viele Gastarbeiter, die Dubai buchstäblich von Grund aufbauten, ihre Arbeitsplätze, als die weltweite Rezession 2008 einsetzte.

Man erwartet, dass die Geldüberweisungen aufgrund der globalen Finanzkrise weltweit von 308 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008 auf 293 Milliarden US-Dollar im Jahr 2009 zurückgehen. In vielen Ländern gab es Rückgänge, vor allem in Zentral- und Lateinamerika, wo die Schicksale der Arbeiter an der US-Wirtschaft hängen: Mexico (-11 Prozent), Guatemala (-13 Prozent), Honduras (-13 Prozent) und El Salvador (-13 Prozent). In einigen Ländern Südasiens gab es jedoch einen Geldzufluss von Arbeitern aus dem Ausland: Bangladesh (+22 Prozent) und Pakistan (+21 Prozent).

Geldüberweisungen sind kein Kleingeld. Mit 300 Milliarden Dollar im Jahr stellen Geldüberweisungen Gewinne dar, die die drittgrößte Gesellschaft der Welt ausmachen könnten. Die 200 Millionen Gastarbeiter der Welt könnten mit ihrem Bevölkerungsanteil das fünftgrößte Land der Welt sein. Jede Lösung zur Bewältigung der Probleme der Weltwirtschaft muss die Arbeit der Gastarbeiter mit einbeziehen.

Es hätte schlimmer kommen können

Während Gastarbeiter von Arbeitsplatzverlusten, niedrigeren Einkommen, langsamerer Wanderung und weiterer Abschiebung getroffen wurden, gingen ihre Geldüberweisungen nicht im gleichen Maß zurück wie es die Experten erwartet haben. Dies liegt zum einen daran, dass die Arbeiter mehr Geld überweisen als ihren Familien zuhause fehlte, aber auch daran, dass manche Arbeiter ihre letzten Ersparnisse hergaben, bevor sie packten und nach Hause fuhren.

Migration wird weitgehend durch den Mangel an ausreichenden Arbeitsmöglichkeiten in den Heimatländern verursacht. Der United Nations Human Development Report dieses Jahres bestätigt auch, wie sehr die Migration keine individuelle Wahl darstellt, sondern eine Frage der wirtschaftlichen Notwendigkeit.

In einem Gespräch mit Inter Press Service verweist Jeni Klugman, die Leiterin der Human Development Report-Abteilung beim UN-Entwicklungsprogramm, darauf, dass Migranten – und zwar sowohl schlecht als auch gut ausgebildete – einen positiven Beitrag zur Wirtschaft des Gastlandes leisten. Gleichzeitig werden sie oft zu Hauptinvestoren in ihren Herkunftsländern, selbst wenn es von einer Finanzkrise oder einer Naturkatastrophe getroffen wird. Auf diese Weise bauen Migranten einen Entwicklungspuffer auf, der die Wirtschaft dieser Länder schützt.

Mexikanische Heimatstadt-Verbände zum Beispiel versenden jährlich Millionen von Dollar, um Projekte in ihren Herkunftsgemeinden zu finanzieren. Diese Überweisungen an Gemeinden erfolgen auf der ganzen Welt hundertfach. Zusammen ergeben sie eine länderübergreifende Tätigkeit von nie da gewesenem Ausmaß.

Das feierte auch La Liga Global (oder Global League of Community Sustainers) in über einem Dutzend Städte weltweit im Zuge des International Migrants Day (Internationaler Migrantentag) am 18. Dezember 2009. Die im Jahre 2008 gegründete La Liga Global ist ein transnationales Netzwerk für Migranten, Auftraggeber, deren Organisationen und Familien. Für sie geht Migration über die Gesetze, die die freie Wahl des Wohnorts begrenzen, hinaus. Sie ist ein Akt der Rekonstruktion transnationaler Familien. In den kommenden Monaten will La Liga Global einen globalen sozialen Investmentfonds einrichten, um die Wirtschaftskraft der Migranten weiter zu stärken.

In Richtung Firmenverantwortlichkeit

Wegen der gemeinsamen Stärke der Gastarbeiter stellt jede Geldüberweisung eine Gelegenheit dar, diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die von der harten Arbeit der Gastarbeiter profitieren. An dieser Stelle fängt die Arbeit von La Liga Global an, die Geldüberweisungsindustrie zu verändern. Ihre Kampagne ermöglicht es wirtschaftliche Konzentration durch wirtschaftliche Demokratie zu ersetzen.

Der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung meint, dass die Konzentration im Geldüberweisungsmarkt in Afrika den Wanderfamilien dort einen großen Schaden zufügt. Die beiden Industriegiganten Western Union und MoneyGram kontrollieren 65 Prozent des Marktes auf dem afrikanischen Kontinent, teilweise aufgrund von Ausschließlichkeits-Vereinbarungen, die zwischen Regierungen und diesen Gesellschaften getroffen werden. Dies führt zu höheren Gebühren und begrenzter Zugangsmöglichkeit in ländliche Gegenden.

Ehrlicheres System für Geldüberweisungen

La Liga Global arbeitet zusammen mit ihren Mitgliedern, um Kampagnen für soziale Verantwortung von Firmen und Gesetzesstrategien zu führen, die eine einheitliche weltweite Agenda für ein gerechteres und ehrlicheres System für Geldüberweisungen fördern. In den Vereinigten Staaten gibt es aktive Kampagnen in Oakland, CA und Rhode Island, um Gesetze zu verabschieden, die die Industrie besser kontrollieren würden durch die Verfügung Preisfestsetzungen und Gewinnerzielung transparent zu machen.

In den USA gibt es auch auf Bundesebene einen Hoffnungsschimmer. Die neu gegründete Consumer Financial Protection Agency umfasst Bestimmungen zur Kontrolle der Überweisungsindustrie in den Vereinigten Staaten. Diese Bestimmungen regeln vor allem die Transparenz in der Industrie mit der Anforderung, dass die Anbieter Servicegebühren, Wechselkurse und Abholstellen offen legen; die Termin- und die zeitlich festgelegten Gelder werden nach der Geldüberweisung verfügbar sein.

Eine neue Studie der Inter-American Development Bank zeigt die Schwierigkeiten der Multimilliarden-Dollar-Überweisungs-Industrie im derzeitigen Wirtschaftsklima auf. Geldüberweisungsgesellschaften mit kleinerem Umsatz, die neue Technologien einsetzen und Migranten niedrigere Preise anbieten, erleiden in der weltweiten Rezession besonderen Schaden. Dies lässt den Industriegiganten mehr Spielraum, wobei wenige Anreize für Western Union oder MoneyGram bestehen eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung zu verordnen. Die IDB-Forschung meint, dass die Preise in rezessionsgeschwächten Ländern wie Jamaika, Haiti und Honduras tatsächlich angezogen haben.

Mitglieder der La Liga Global handeln Vereinbarungen mit sozialer Verantwortung für Firmen mit den kleineren Geldüberweisungsgesellschaften aus, die einen billigeren und gerechteren Überweisungsservice bieten. Diese im Jahr 2010 abgeschlossenen Vereinbarungen werden eine Alternative für Migranten liefern, deren Familien vom Rettungspaket der Geldüberweisung abhängen.

Hilfe bei Überweisungen

Migranten in Deutschland überwiesen laut der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im vergangenen Jahr 3,1 Milliarden Euro in ihre alte Heimat. Bei Überweisungen in Länder außerhalb der EU fallen oft hohe Gebühren an. Die Überweisungskosten für 100 Euro von Deutschland nach Afghanistan etwa schwanken zwischen drei und 42 Euro. Auf einem Serviceportal (www.geldtransfair.de) des Entwicklungsministeriums können Migranten nach dem jeweils günstigsten und schnellsten Weg für Überweisungen in ihr Land suchen. Es umfasst inzwischen 33 Länder. Neu hinzugekommen sind Algerien, Armenien, Ägypten, Georgien, Nepal, Senegal, Usbekistan und die Palästinensischen Gebiete.

Migranten fordern, dass Regierungen und Konzerne den Gemeinschaften, von denen sie profitieren, Wohlstand zurückbringen. Die CSR-Vereinbarungen umfassen Vorschriften, ein Prozent der Gewinne vor Steuern für nachhaltige Entwicklungsprojekte zur Verfügung zu stellen und Finanzausgleichsvereinbarungen mit Migrantenorganisationen auszuarbeiten. Regierungen, die Migranten aussenden, werden unter Druck gesetzt, um Instrumente zur Kontrolle der Industrie zu entwickeln und Spareinlagen und Investitionen von Geldüberweisungen zu fördern.

Zum Sündenbock erklärt

Migranten sind oft die anfälligsten Bevölkerungsgruppen und werden gleichzeitig zum Sündenbock erklärt für die wirtschaftlichen Probleme des Landes. Aber die Migranten der ganzen Welt haben gezeigt, dass sie nicht warten wollen, um die Kontrolle über ihre wirtschaftliche Zukunft zu übernehmen. Sie drängen auf Gesetzes- und Wirtschaftsreformen, die die Migration zu einer Wahl und nicht zu einer Notwendigkeit des wirtschaftlichen Überlebens werden lassen.

Können Migranten die Weltwirtschaft retten? Sie tun es schon. Durch die Überweisungen fließen die Gelder direkt zu Familien und Gemeinschaften und unterstützen schließlich ganze Wirtschaften. Aber sich nur darauf zu verlassen, dass die Migranten die Wirtschaft unterstützen, ist nicht nur ungerecht, sondern auch nicht nachhaltig. Veränderungen in Konzernpraktiken und Regierungsstrategien zu verordnen, um diese Institutionen gegenüber den Migranten zur Verantwortung zu ziehen ist ein notwendiger Schritt für den Aufbau einer gerechten Weltwirtschaft, die nicht unter dem Gewicht unkontrollierter Geldströme zusammenbrechen wird.

Originalartikel auf Englisch: Can Migrants Save the Global Economy?

 

 

 

 

 



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