Stahl im Blut

Titelbild
Foto: Ulrike Beckmann Kommunikation+Konzept 2009
Epoch Times8. März 2010

„Wir haben immer gewusst, dass der Stahl in unsere Familie zurückkehren wird!“, sagte ihr einst ihr Großonkel, als sie ihre Karriere begann. Miya Ando stammt in 16. Generation aus einer Familie legendärer japanischer Schwertmacher. Sie lebt in New York und arbeitet als Künstlerin seit Jahren mit minimalistisch-abstrakten Stahlobjekten, in die sie ihre persönliche Zen-buddhistische Inspiration einbringt.

Zur Zeit sind einige ihrer Objekte sowie eine Rauminstallation mit phosphoreszierenden Schriftzeichen in der Berliner Dam Stuhltager-Galerie im Rahmen der Ausstellung „The Art of Light“ zu sehen. Wir trafen uns mit ihr, um über Quentin Tarantino, Tradition, Schwerter – und natürlich über Stahl, zu sprechen.

Epoch Times:
Wenn man Ihre Biographie liest, könnte man Sie glatt für eine Film-Figur von Quentin Tarantino halten …

Miya Ando:
Das sagt man mir dauernd! Die Leute denken, oh, sie ist halb japanisch, halb russisch, sie hat mit Schwertern zu tun und dieses kleine Persönchen arbeitet mit Stahl! Wirklich, ich höre das dauernd.

Epoch Times:
Und wie geht es Ihnen damit?

Ando:
Ich bin daran gewöhnt. Ich versuche meine physische Existenz zu übersteigen, weil der Stahl sehr schwer ist. Aber ich versuche, das kein Hindernis für mich sein zu lassen. Wenn Sie 25 Kilo über Ihrem Kopf an die Wand montieren müssen, dann ist das harte Arbeit …

Epoch Times:
Wann haben Sie angefangen mit Stahl zu arbeiten?

Ando
: Die Idee schwebte mir schon als sehr kleines Mädchen vor. Mein Großvater war fünfzig Jahre lang der Oberpriester unseres Tempels. Bevor die Andos Priester wurden, hatten sie Jahrhunderte lang Katana-Schwerter geschmiedet. Ich hörte die Geschichten von all den berühmten Schwertschmieden, meinem Opa und meinen Großonkels. Das fühlte sich wie eine stählerne Familie an, sehr stark.

Es gab noch eine Inspiration: Mein Vater hatte das Hobby, Autos von A bis Z in der Garage wieder zusammenzubauen, das machte er die ganze Zeit. Ich liebte es meinem Papa beim Schweißen zuzuschauen. Das war wie Wunderkerzen für mich. Ich fühlte mich wohl mit Metall, weil mein Vater mir auch beibrachte zu löten. Mit acht oder neun dachte ich dann, dass ich gerne Künstlerin wäre. Vielleicht Malerin?

In der Schule fing ich mit Malen, Zeichnen, Holz- und Steinbildhauerei an. Dann landete ich in der Metallwerkstatt und dachte: Ja! Das kenne ich! Mir machte es keine Angst, die Hälfte der Klasse sagte gleich – Vergesst es! Es ist heiß, man kann sich verbrennen, es ist intensiv. Ich wusste gleich, dass das mein Material ist.

Ich bin keine Malerin, ich verwende Feuer, Säuren und Patina und verändere die Oberfläche des Stahls. 

Epoch Times: In welcher Hinsicht sind Sie vom Buddhismus beeinflusst?

Ando:
Das ist in der Tat ein vielschichtiger Einfluss. Zuallererst durch mein Herz und meine Seele. Meine Großeltern haben mich im Tempel aufwachsen lassen, als ich in Japan lebte. In meiner Erinnerung sind das die Leute, die die liebsten Worte zu mir sagten und mich im Arm hielten, die sehr liebevoll in all ihrer Güte waren.

Meine Seele ist im Tempel. Ich glaube wirklich an diese Philosophie. Ich halte meine Arbeit für eine Art Meditationsübung, eine Form des Eins-Seins mit einer Aufgabe, um zu einer Leere im Inneren zu gelangen.

Es gibt die Ansicht von Non-Dualität im Zen-Buddhismus, was bedeutet, dass es kein Ego gibt. Viel wichtiger ist, dass man zu einem Zustand der Leere gelangt. Im westlichen Sinn begreift man Leere als das Vermissen von etwas. Aber im östlichen Sinn heißt leer „frei“. Da will ich hin.

Epoch Times:
Das ist gerade das Gegenteil davon, man vermisst nichts.

Ando:
Richtig! Ich beziehe mich die ganze Zeit aufs Festhalten, weil ich ja eine Erschafferin von Dingen bin. Die Werke sind aber nicht meine Kinder, und ich hafte nicht an ihnen als Objekten. Es ist meine Tätigkeit. Ich würde sagen, dass viele Aspekte des Buddhismus meine Arbeit beeinflussen und durch sie sprechen.

Epoch Times:
Was möchten Sie den Menschen mit Ihrer Kunst geben?

Ando: Ich möchte Bildwelten schaffen, hinter denen eine gute Absicht steckt. Dieses Wort „Absicht“ ist beim Arbeiten am stärksten in meinem Bewusstsein. Als ich ein kleines Mädchen war, hab ich immer davon geträumt und in meinem Herzen gelobt, eine
buddhistische Nonne zu werden. Aber dann sah ich ein, dass ich eine Weiße bin, eine Halb-Asiatin. In Japan ist es sehr schwer als Nonne zu leben, wenn man so aussieht. Ich akzeptiere es. Ich bin gläubig. Also möchte ich Bilder schaffen, die in sich selbst ruhen. Ich glaube, wir brauchen Innenschau, Meditation, was Angenehmes für die Augen.

Deshalb arbeite ich in Grautönen. Meine Bilder sind Abstrakt Umgebungen, in die man sich selbst hineinbegeben kann.

Epoch Times:
Heutzutage gibt es das Konzept, dass die Kunstgeschichte wie ein Spielplatz ist und man alles machen und behaupten kann, ein Künstler zu sein. Finden Sie, das ist gut so?

Ando:
Man kann ein Künstler sein und eine küntslerische Herangehensweise zu allem haben, was man tut. Gute Arbeiten zu machen ist eine Praxis, die geübt und entwickelt werden muss. Man muss formalen Hintergrund haben. Studiere und lies über die alten Meister und das, was vor dir war. Als moderne Künstler sind wir Teil einer langen, langen Geschichte. Das hört  nicht auf mit uns! Ich denke, in der westlichen Kunstwelt gibt es eine Menge Ego. Ich aber komme aus einer Tradition, wo viele Künstler nicht mal signiert haben, es waren anonyme Werke. Daran glaube ich! In der zeitgenössischen Kunst ist soviel mit dem Macher assoziiert.

Epoch Times:
Also ist sie vom Ego getrieben?

Ando: Ja, sehr. Einige mehr, andere weniger. Warum sollte nicht jeder ein Künstler sein können? Vielleicht ist ja jeder ein Künstler. „Vielleicht“ ist gerade ein Lieblingswort von mir. „Absicht“ und „vielleicht“. Denn die Absicht ist absolut für mich, das ist die Philosophie, mit der ich aufgewachsen bin. Ich denke, es geht sehr darum, respektvoll zu sein und den Betrachter zu ehren.

Epoch Times:
Noch eine letzte Frage: Mögen Sie eigentlich Tarantino-Filme?

Ando:
Oh, ich liebe seine Filme! Ich finde ihn genial.

Das Interview führte Rosemarie Frühauf.

 

Informationen zur Ausstellung:

MIYA ANDO „Art of Light“ Ausstellung
20. Februar – 20. März 2010
Eröffnung:
20. Februar, 19-21 Uhr
Dam Stuhltager Galerie
Fichtestrasse 3,
Berlin Kreuzberg
www.damstuhltrager.com
www.miyaando.com

Foto: Ulrike Beckmann Kommunikation+Konzept 2009

 



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