China: Der Anwalt von Ai Weiwei berichtet

Titelbild
Ai Weiwei und sein Anwalt erleben in China Polizei-Willkür.Foto: AP Photo
Epoch Times4. April 2012

Laut Angaben von Kanzhongguo.com stammt der auf ihrer Webseite veröffentlichte Artikel aus dem Mikroblog von Liu Xiaoyuan, dem Anwalt von Ai Weiwei, mit Datum 2. April 2012. Die Erinnerung von Liu Xiaoyuan an den Tag vor Verhaftung von Ai Weiwei zeigt, wie chinesische Polizisten mit den Menschen umgehen, ohne sich an irgendwelche Regeln zu halten. Liu Xiaoyuan, Anwalt von Ai Weiwei stellt sich die Frage, wer den Menschen in China helfen kann, wenn sich die Anwälte nicht einmal selbst schützen können. Der folgende Text ist eine direkte Übersetzung dieses Artikels.

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Heute ist der 2. April 2012. Ich erinnere mich an die Geschehnisse vor einem Jahr, als ich in das Polizeirevier des Chaoyang Distriktes (Übersetzer: ein Distrikt in Peking) vorgeladen wurde.

Darf ich hier nicht wohnen?

Gegen 17:00 Uhr öffneten ein Mann in Zivil und ein Polizist meine Wohnungstür und fragten, ob ich Liu Xiaoyuan bin. Nachdem ich das bejaht hatte, fragten sie mich, warum ich auf einmal hier wohne. Ich erklärte, dass diese Wohnung einem Bekannten aus meiner Heimat gehöre. Da er oft Geschäftsreisen mache, wohne ich hier und kümmere mich gleichzeitig um seinen Besitz. Der Mann in Zivil fragte mich, ob der Geschäftsführer seiner Firma mir dafür die Erlaubnis gegeben habe. Ich antwortete, dass mein Bekannter selbst der Geschäftsführer sei.

Polizisten, die sich nicht ausweisen wollen

Der Mann in Zivil meinte dann, dass er mit mir reden wolle. Ich bat sie, zuerst ihre Ausweise zu zeigen. Der Mann in Zivil antwortete nur, dass sie vom Polizei-Revier des Chaoyang-Distriktes kämen. Dann zeigte er auf den Mann in Polizei-Uniform und sagte: „Wir sind von der Polizei“. Ich bestand darauf, zuerst ihre Ausweise zu sehen, aber der Mann in Zivil fragte: „Ist das nötig?“ Ich antwortete: „Ja, das Gesetz hat eine ganz klare Regelung.“

Der Mann in Polizei-Uniform zeigte mir dann endlich einen Ausweis, der so groß wie ein Personalausweis war. (Das war ein Namensschild und kein Polizei-Ausweis.) Ich forderte danach den Mann in Zivil ebenfalls auf, seinen Ausweis zu zeigen, aber er sagte, dass das wirklich nicht nötig sei. Ich meinte, dann würde ich nur mit dem Polizisten reden. Als er sah, dass ich es ernst meinte, zeigte er mir seinen Ausweis. Ich sagte: „Ihr könnt mir jetzt sagen, was ihr von mir wollt.“ Der Mann in Zivil meinte, dass ich mit ihnen im Polizei-Revier reden solle. Danach nahm er meine Computertasche und ging. Sie fuhren keinen Polizei-Wagen, sondern ein normales Zivilfahrzeug.

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Die Suche nach einer verschwundenen Anwältin ist strafbar?

Als wir in Panjiayuan Polizei-Revier ankamen, wurde ich direkt zu einem Verhör-Zimmer gebracht. Die beiden verließen mich, ohne etwas zu sagen. Kurz danach kamen zwei Polizisten in Uniform. Sie meinten, dass sie die Verantwortlichen dieses Polizei-Revieres seien. Sie zeigten aber keinen Ausweis. Da ich im Polizei-Revier war und sie Polizei-Uniformen trugen, fragte ich nicht mehr danach.

Nachdem sie mir einige grundlegende Fragen gestellt hatten, fragten sie mich, wie ich die Anwältin Li Tiantian kennengelernt habe und warum ich sie im Internet suche. Ich erklärte, dass die Anwältin Li Tiantian und ich uns beide für den Fall von Yangjia interessierten, der vor einiger Zeit in Shanghai die Polizei angegriffen hatte. Danach wurde ich von Yangjias Vater nach Shanghai eingeladen. Die Anwältin Li Tiantian besuchte uns einmal und danach trafen wir uns nie wieder. Wir kommunizierten im Internet miteinander. Am Abend des 19. Februar wurde Li Tiantian von Polizisten in Zivil aus der Wohnung ihres Freundes weggebracht. Ihr Freund rief mich danach an. Li Tiantian soll ihm zuvor gesagt haben, dass er mich als Anwalt nehmen solle, wenn ihr etwas geschehe. Ich fragte ihren Freund, wer diese Polizisten in Zivil waren und er antwortete, dass sie vom Beicai Polizeirevier des Huangpu Distriktes gekommen seien. Ich bekam die Nummer dieses Polizei-Reviers durch Freunde im Internet. Als ich dort anrief, meinten sie aber, dass sie nie eine Anwältin mit dem Namen Li Tiantian festgenommen haben. Ich fragte mich, ist Li Tiantian dann verschwunden?

Danach schickte ich Nachrichten in mein ICQ (Internet-Kommunikationssystem) und meinen Mikroblog, um Li Tiantian zu finden. Aber die Nachrichten in meinem Mikroblog wurden gelöscht. Ich schrieb dann noch ein weiteres Mal.

Die Befragung der Polizei dauerte weniger als eine halbe Stunde. Außer nach meinen grundlegenden Informationen fragten sie mich nur nach der Suche nach Li Tiantian.

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Sie hatten, was sie wollten, ließen mich aber nicht frei

Nach der Befragung kamen Polizisten der nationalen Sicherheit ins Zimmer und meinten, dass sie meinen Computer untersuchen werden. Mein Laptop war schon 6 Jahre alt. Als ich zum Polizei-Revier gebracht wurde, war der Stromanschluss nicht dabei und die Batterie des Computers war längst nicht mehr funktionsfähig. Deshalb ließen sie mich den Stromanschluss holen. Ein Polizist in Zivil und ein Wachmann begleiteten mich den ganzen Weg. Als wir in meine Wohnung kamen, fragten sie mich nach dem Passwort für meine E-Mails und ICQ. Danach begannen sie ihre Suche im Internet und kopierten einen Teil des Materials.

Ich dachte zuerst, dass ich nicht mehr zum Polizei-Revier zurückgehen müsse, nachdem sie diese Informationen bekommen hatten. Aber sie forderten mich auf, mitzugehen. Als ich zurückkam, wurde ich allein im Verhör-Raum gelassen und ein Wachmann überwachte mich. Sogar beim Toilettenbesuch wurde ich begleitet. Die zwei Polizisten der nationalen Sicherheit waren nicht mehr zu sehen. Zum Glück beschlagnahmten sie mein Handy nicht. So konnte ich meinen Freunden SMS schreiben, als ich kurz Empfang im Verhör-Raum hatte. Natürlich schrieb ich auch an Ai Weiwei.

Ich war nur zum „Teetrinken“ eingeladen…

Gegen 21:00 Uhr kam der Chef des Polizei-Reviers und ich fragte ihn, wann ich freigelassen werde. Er meinte, dass er auf die Anweisung seines Chefs warte. Ich fragte ihn weiter, wo die beiden Polizisten der nationalen Sicherheit seien. Er antwortete, dass sie wahrscheinlich im oberen Stock das Material zusammenstellen. Mein Herz wurde sofort schwer und ich wusste, dass das Problem ernst war.

Gegen 24:00 Uhr kam ein Polizist mit Dokumenten zu mir und ließ mich unterschreiben. Ich sah, dass das Material vom Verhör war und besagte, dass ich in Unruhestiftung verwickelt wäre, weil ich Nachrichten im Internet verbreitet hätte, um Li Tiantian zu finden. In einem anderen Dokument stand, dass meine Familie in meiner Heimat nicht zu erreichen wäre. Ich verstand nicht, wieso sie meine Familie nicht erreichen konnten, obwohl ich beim Verhör Angaben zu meiner Familie gemacht und die Telefonnummer angegeben hatte.

Dem Gesetz zufolge müssen die Familienangehörigen bei einer schriftlichen Vorladung informiert werden. Dass ich zum Polizei-Revier gebracht wurde, war nicht einmal eine mündliche Vorladung. Die Polizisten der nationalen Sicherheit behaupteten, mit mir reden zu wollen und hatten nichts über den Grund gesagt. Deshalb gehört dieser Fall zum „Teetrinken“, und ist keine Vorladung.

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Gehört DAS zum normalen Ablauf?

Nachdem ich unterschrieben hatte, gab mir die Polizei keine schriftliche Vorladung, die es nach den Regeln hätte geben sollen. Ich dachte dann, dass die Sache erledigt sei. Der gesetzliche Vorgang sei abgeschlossen und ich könne gehen. Zu meiner Überraschung ließen sie mich aber nicht frei.

Am 3. April nach 1:00 Uhr kamen noch zwei Polizisten und meinten, dass ich zum Chef der Abteilung für das Rechtssystem des Chaoyang Polizei-Revier gebracht werde, um mit ihm zu reden. Ich fragte nach dem Grund, da ich doch schon ausgesagt hatte. Ich fügte hinzu, ob sie mich inhaftieren wollen und eine Erlaubnis der Abteilung für das Rechtssystem brauchen. Sie verneinten und sagten, dass es ein Teil des normalen Ablaufs sei.

Was habe ich mit der Jasmin-Revolution zu tun?

Ich überlegte, dass ich inhaftiert werden würde und schrieb diese Information schnell per SMS an meine Angehörigen. Auf dem Weg zu dieser Abteilung, dachte ich, dass wir zur Strafanstalt fuhren.

Als wir ankamen, was es schon gegen 2:00 Uhr. Die Halle des Gebäudes für das Rechtssystem war mit wartenden Menschen gefüllt. Ich hatte keine Ahnung, welche Straftaten sie begannen haben.

Gegen 3:00 Uhr morgens wurde ich in den Verhör-Raum geführt. Am Tisch saß ein Polizist in Zivil und es gab einen Stuhl gegenüber seinem Tisch. Als ich ins Zimmer kam, forderte er mich nicht auf, mich zu setzen. Deshalb blieb ich neben der Tür stehen. Nachdem er mich nach meinem Namen gefragt hatte, wollte er wissen, warum ich im Internet nach Li Tiantian gesucht habe. Ich antwortete kurz. Dann fragte er mich, ob ich über den Fall von Tunesien wisse. Ich verstand ihn zunächst nicht und fragte, was er damit meine. Er antwortete, er meine die Jasmin-Revolution in Tunesien. Ich sagte, dass ich mit diesem Fall nichts zu tun und auch nie etwas im Internet darüber geschrieben habe. Danach meinte er, dass er fertig sei und die Polizisten, die mich dorthin gebracht haben, sagten, dass ich gehen dürfe. Auf dem Rückweg sagten sie mir, dass meine Straftat nicht sehr ernst gewesen sei und ich eine mündliche Verwarnung erhielte.

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Es folgt Umzugsstress

Als die Polizisten mich zurück in meine Wohnung gebracht hatten, war es schon nach 3:00 Uhr morgens. Als ich das Auto verließ, sagten sie zu mir, dass ich innerhalb eines Tages umziehen müsse.

In meiner letzten Wohnung im Haidian Distrikt habe ich 3 Jahre lang gewohnt. Im Januar 2011 sagte meine Vermieterin plötzlich, dass ich die Wohnung Ende März verlassen müsse.

Am Anfang hatte sie mir keinen Grund genannt. Am 12. März kam ich von Tokio nach Peking zurück. Am Abend gegen 22:00 Uhr kam die Polizei des Haidian Distriktes zu mir, um mit mir zu reden. Obwohl meine Vermieterin sich in einem Vorort von Peking befand, wurde auch sie wegen der Befragung der Polizei herbeigerufen. Sie war so erschrocken, dass sie mich aufforderte, sofort umzuziehen. In diesem Moment sagte sie mir erst die Wahrheit, dass das Polizei-Revier des Ortes ihr verboten habe, die Wohnung an mich zu vermieten.

Nachdem ich am 13. März meine alte Wohnung im Haidian Distrikt verließ, wohnte ich nur 20 Tage in Panjiayuan.

Ich dachte, dass es die Polizisten des Chaoyang-Distriktes geärgert hatte, dass ich in ihren Distrikt umgezogen war. Deshalb suchten sie eine Ausrede, um mich zu zwingen, ihren Distrikt zu verlassen. Damals habe ich nicht weiter darüber nachgedacht.

Am nächsten Tag wurde Ai Weiwei festgenommen

Als ich nach 3:00 Uhr wieder in meiner Wohnung ankam, schrieb ich eine SMS an Ai Weiwei, um ihm Bescheid zu sagen. Er schlief noch nicht und antwortete per SMS: „Schön dass dir nichts passiert ist. Schlaf gut.“

Ich konnte die ganze Nacht lang nicht schlafen. Ich verstand einfach nicht, warum ich ein Unruhestifter sein solle, obwohl ich nur eine Anwältin aus Shanghai im Internet gesucht hatte. Ich habe doch nicht die Menschen dazu aufgerufen, das Polizei-Revier zu umstellen, um die Freilassung der Anwältin zu fordern. Die Polizisten verhörten mich deswegen 10 Stunden lang.

Am 3. April gegen 8:00 Uhr morgens wollte ich gerade Ai Weiwei anrufen und ihn bitten, meine Koffer von seinem Fahrer transportieren zu lassen. Dann sah ich eine Nachricht im Mikroblog von Sina.cn, dass Ai Weiwei vom internationalen Flughafen weggebracht wurde. Ich dachte am Anfang, dass es eine alte Nachricht sei. Da Ai Weiwei im Dezember 2010 schon einmal von der Grenzschutz-Polizei aus dem Flughafen-Terminal zurückgeholt worden war.

Nachdem ich die Nachricht des Mikroblogs genauer gelesen hatte, wusste ich, dass es eine aktuelle Nachricht war. Ich rief den Assistenten von Ai Weiwei an und bekam die Bestätigung. Danach rief ich Ai Weiwei an, aber sein Handy war aus.

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Wer hilft den Menschen, wenn die Anwälte es nicht können?

Nachdem Ai Weiwei von der Polizei weggebracht wurde, beobachte ich seinen Fall so konzentriert, wie ich andere wichtige Fälle beobachte. Ich bekam viele Anrufe und schrieb auch Artikel, in denen ich den Verlauf des Verfahrens in Frage stellte. Weil ich nach der Vorladung der Abteilung für das Rechtssystem keine Anzeichen von „Bedauern“ gezeigt hatte, wurde ich am Abend des 14. April von der Polizei weggebracht. Ich bekam einen fünftägigen „Kururlaub“ spendiert und wurde erst am Abend des 19. April wieder freigelassen.

Xu Youyu schrieb in seinem Buch „Die Angst zu besiegen ist auch patriotisch“: „In gewisser Hinsicht ist Anwalt zu sein ein großherziger Beruf. Sie helfen Menschen, ihre Angst zu besiegen und das Herz für das Land aufzubauen. Das Gesetz und die Gerechtigkeit zu beschützen bietet Sicherheit für alle Bürger und gibt den Menschen das Vertrauen in einem aufrichtigen Land.“

Es stimmt, dass ein Anwalt, der die Gerechtigkeit und das Gesetz beschützt, das Recht der Bürger besser schützen kann. Aber wie können Anwälte in einer Tyrannei, in einer Zeit, in der sie selbst ohne rechtlichen Grund vorgeladen werden können oder verschwinden, ihre Verantwortung tragen und den anderen beim Besiegen der Angst helfen?

Das war das erste Mal, dass ich von der Polizei vorgeladen wurde. Ich werde es nie vergessen.

 

Original-Artikel auf Chinesisch: 艾未未律师自述遭传唤的经历(图)



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