„China ist nicht glaubwürdig“

Der Europaabgeordnete Thomas Mann im Gespräch mit Epoch Times Deutschland
Titelbild
Europaabgeordneter Thomas Mann mit dem Dalai Lama in Dharamsala, dem indischen Sitz der tibetischen Exilregierung. (Thomas Mann)
Epoch Times27. März 2008

Das letzte Mittel werde ein Boykott sein. Hans Pöttering, der Präsident des Europäischen Parlaments sandte in der Tibet-Debatte am Mittwoch, dem 26. März, im Europäischen Parlament in Straßburg wieder ein klares Signal an China aus.

Unmittelbar nach der Debatte sprach Epoch Times Deutschland mit dem Vorsitzenden der Tibet-Intergroup des Europäischen Parlaments, dem CDU-Europaabgeordneten Thomas Mann. Laut Mann bestand weitgehende Einigkeit zwischen den Fraktionen, dass das gewaltsame Vorgehen der chinesischen Führung in Tibet nicht hinnehmbar sei. „Wir müssen uns alle Optionen offen halten, wenn Peking nicht einlenkt und den kulturellen Genozid an den Tibetern fortsetzen sollte“, betonte der Europaabgeordnete.

ETD: Was war das Ergebnis der heutigen Tibet-Debatte im Europaparlament?

Thomas Mann: Wir haben noch keinen Beschluss gefasst, erst am 10. April soll eine Resolution verabschiedet werden. Die Vertreter der verschiedenen Fraktionen waren sich darüber einig, dass sich die Situation in Tibet deutlich ändern muss; es ist im eigenen Interesse der Chinesen, dass sie von ihrer Aktion in Tibet Abstand nehmen. Wir haben auch darüber gesprochen, wie es mit einem möglichen Boykott der Olympischen Spiele ausschaut.

ETD: Waren Sie auch in diesem Punkt einig?

Thomas Mann: Die meisten wollen jetzt noch nicht über einen konkreten Boykott nachdenken, aber wenn sich bis zu den Olympischen Spielen im August nichts ändert, dann muss ernsthaft überlegt werden, was für ein Boykott stattfinden soll. Es könnte zum Beispiel ein Boykott sein, bei dem die eingeladenen Ehrengäste, nicht kommen. Andere sagen, dass sie bei der Eröffnungsfeier oder bei anderen Ereignissen nicht dabei seien werden, dies wäre ja auch ein persönlicher Boykott. Die große Mehrheit meint, dass die Spiele stattfinden müssen wegen der Sportler. Aber wenn die Spiele starten und durchgeführt werden, muss diese Möglichkeit von der Presse genutzt werden. Die Presse schreibt ja nicht nur über Sportereignisse, sie schreibt auch über Menschenrechtsfragen.

ETD: Was ist die Meinung der deutschen Seite?

Thomas Mann: Die deutsche Seite teilt diese Position. Wir meinen, die Chinesen müssen deutlich machen, dass es ein Ende der Gewalt geben wird. Und dann müssen wieder Journalisten zugelassen werden, damit sie aus Tibet berichten können, das ist uns ungemein wichtig.

ETD: China hat jetzt erste Journalisten nach Tibet eingeladen, wenn auch unter strenger Bewachung. Was ist Ihrer Meinung nach das Ziel seitens Chinas?

Thomas Mann: Ich glaube die Chinesen haben kapiert, dass man nicht mehr so weitermachen kann wie bisher. Gleich nach Ostern haben wir die Möglichkeit genutzt, eine Debatte zu führen und sie wurden völlig überrascht, dass wir in Europa schnell gehandelt haben. Die Position des Präsidenten des Parlaments Pöttering war sehr klar. Er hat gesagt, „das letzte Mittel wird ein Boykott sein“, und dass er nicht an den Feierlichkeiten zu den Olympischen Spielen teilnehmen wird, wenn wir feststellen, dass sich nichts geändert hat. Ich denke das ist wichtig.

Die Chinesen haben auch gehandelt, nachdem schon gestern die Ratspräsidentschaft der Slowenen in Genf beim Menschenrechtsrat ein klares Wort gesprochen und protestiert hat. Es haben schon zwei große Gremien gehandelt: Heute das Europäische Parlament und gestern der Menschenrechtsrat. Diese Zeichen haben die Chinesen erkannt: Es ist wirklich höchst gefährlich, wenn sie nichts machen. Sie haben nicht das getan, was das IOC gefordert hat, als die Olympischen Spiele an Peking vergeben wurden, und zwar dass in Sachen Menschenrechten und Rechten der Minderheiten deutlich etwas passieren müsse. Das ist nicht geschehen, im Gegenteil hat sich die Lage deutlich zum Negativen verändert.

ETD: Es gab Medienberichte, dass chinesische Provokateure als Initiatoren des Konfliktes eingesetzt wurden? Wie steht es um die Glaubwürdigkeit Pekings?

Thomas Mann: China ist nicht glaubwürdig. Die Buddhisten selbst sind friedfertig. Es gibt Situationen, bei denen man nicht anders kann, als zu protestieren und das war bisher immer friedlich. Wenn einige Tibeter in die Läden der chinesischen Händler gegangen sind, bei denen sie einkaufen müssen – leider kann kein Tibeter in Lhasa ein Laden haben -, haben sie die Waren nur genommen, um zu essen zu haben, man hat den Menschen dort gar nichts getan.

Es gibt gezielte Provokateure und das wird im chinesischen Fernsehen festgehalten, um Stimmung zu machen gegen die Tibeter. Das ist das Eine. Und das Zweite: Der Chef der KP, der kommunistischen Partei, hat den Dalai Lama als einen „Wolf im Mönchpelz“ bezeichnet. Das sind Positionen, die unerträglich sind.

In der Debatte, die Hans Pöttering begonnen hatte, hat er deutlich gesagt, dass er vollkommen hinter dem friedlichen Weg des Dalai Lama steht, daraufhin wurde dramatisch Beifall geklatscht und am Ende der Rede von Hans Pöttering haben wir uns erhoben, also das war ein deutliches Zeichen.

Wir halten es auch für wichtig, dass die Gespräche mit dem Dalai Lama wieder aufgenommen werden. Wir im Europäischen Parlament glauben an den friedlichen Weg des Dalai Lama, er ist kein Provokateur, er ist im Gegenteil einer, der Ausgleich schafft. Und wir halten es für wichtig, dass die Gespräche mit dem Dalai Lama wieder aufgenommen werden. So werden bestimmt auch die europäischen Resolutionen gekennzeichnet sein, die wir Anfang nächster Woche entwickeln.

ETD: Die Ausdrucksweise des chinesischen Regimes ist immer härter geworden, sie sagen sogar, „wir müssen mit Entschlossenheit die Dalai Lama-Clique bekämpfen“ oder „sie auslöschen“. Sehen Sie wirklich den Willen der chinesischen Regierung, mit dem Dalai Lama einen Dialog zu führen?

Thomas Mann: Im Augenblick haben die Hardliner das Wort. Der Chef der KP und viele Meldungen, die von dort gekommen sind, sind absolut aggressiv. Ich glaube nicht, dass sie das durchhalten können. Und ich denke durch die Reaktion, die wir jetzt haben, wird deutlich gemacht werden, dass das nicht akzeptiert wird. Die Hardliner, die sich gerade zu Wort melden, sind in der falschen Position, diese Sprache muss sich endlich ändern und wir brauchen sichtbare Zeichen.

ETD: Wirkt die Geschlossenheit des Europäischen Parlaments auch auf die Regierungen der europäischen Länder?

Thomas Mann: Ja, wir haben eine deutliche Position im Parlament. In den verschiedenen Regierungen gibt es noch unterschiedliche Positionen. Frau Ferrero Waldner von der Europäischen Kommission hat zugesagt, dass sie beim Außenministertreffen all das zusammenfassen wird, was hier im Europäischen Parlament stattgefunden hat. Ich gehe davon aus, dass sie das auch macht.

ETD: In der Diskussion über die Tibet-Lage im Deutschen Bundestag sprach der SPD-Abgeordnete Johannes Pflug von einem möglichen Handelsboykott, wie sehen Sie diese Maßnahme?

Thomas Mann: Das ist dann ein Weg, wenn wir feststellen, dass China sich nicht bewegt hat. Bei den möglichen Boykottmaßnahmen gibt es eine breite Palette: vom Absagen von Veranstaltungen über direktes Druckausüben bis zu der Möglichkeit, dass die Leute keine Produkte mehr Made in China kaufen.

Vielleicht werden sich viele Menschen die Olympischen Spiele gar nicht mehr anschauen wollen. Das wären ein paar Hunderttausende mit Sicherheit, die sagen würden, dass man so mit dem Tibet-Thema nicht umgehen kann. Und man könnte zum Beispiel während der Olympischen Spiele das Thema Menschenrechte behandeln und Exiltibeter einladen. Ich glaube man hat die Möglichkeit etwas anderes zu tun, als nur zu sagen, wir schauen uns an, wer eine Medaille bekommt.

Aber eins darf nicht sein: Olympische Spiele dürfen nicht missbraucht werden. Eine PR Show in der zelebriert wird, was China für eine tolle Weltmacht ist, darf nicht dabei herauskommen! Ich habe zum Beispiel vorgeschlagen, dass die Sportler, wenn sie feststellen, es hat sich nichts bewegt, bei der Eröffnungsfeier mit einem Trauerflor einmarschieren. Um deutlich zu machen: Wir trauern darum, dass wir unter diesen Umständen bei den Wettbewerben mitmachen müssen. Wir sind hier unter Umständen zusammen, die wir nicht akzeptieren. Das wäre ja auch eine Möglichkeit!

Aber die sportlichen Wettkämpfe wollen wir wenigstens miteinander austragen. Dies gönne ich jedem Sportler. Beim Olympiaboykott von Moskau, haben sie gesagt bekommen, dass sich die Dinge verändern würden. Die Russen sind dennoch in Afghanistan einmarschiert und es hat sich nichts verändert. Man muss genau schauen, wo der Boykott im Einzelfall hinführt.

ETD: Geht es im Tibet-Konflikt um Religions- und Glaubensfreiheit und um die Freiheit des Denkens?

Thomas Mann: Wichtig ist, dass die Tibeter die Möglichkeit haben, ihre religiöse und kulturelle Identität zu leben und ihre eigene Sprache zu sprechen, auch wenn Ihre Religion von vielen Chinesen nicht verstanden wird.

Die Tibeter wollen keinen unabhängigen Staat, sondern sie wollen eine echte Autonomie haben, mit ihren eigenständigen Rechten. Der Dalai Lama wollte nie etwas anderes. Diejenigen, die von einem unabhängigen Staat sprechen sind in der Minderheit. Solche gibt es natürlich auch unter den Tibetern, das kann man auch verstehen. Das Europäische Parlament stützt die Position des Dalai Lama – den so genannten Weg der Mitte, den Weg des Friedens und des Ausgleichs, bei dem die Tibeter ihre eigene Identität bewahren können.

ETD: Trotz der Aussage des Dalai Lama, dass die Tibeter keinen unabhängigen Staat wollen, bewegt sich das chinesische Regime keinen Schritt auf den Dalai Lama zu.

Thomas Mann: Der Dalai Lama wolle einen unabhängigen Staat, alles andere sei nur Show – das ist die übliche Propaganda, das kennen wir ja alles schon. Wir wissen schon was dahinter steckt, nämlich gar nichts. Mehr kann man ja gar nicht machen als der Dalai Lama, der überall und zwar weltweit immer die gleichen klaren Positionen vertritt.

ETD: Wovor hat die Kommunistische Partei Ihrer Meinung nach Angst?

Thomas Mann: Sie hat Angst, dass China in verschiedene Teile zerfällt. Sie denken vielleicht an ein unabhängiges Hongkong, an ein unabhängiges Taiwan, an eine Unabhängigkeit der Tibeter, Uiguren und Mongolen. Aber das ist gar nicht zu befürchten. Wenn man vernünftige autonome Regionen schafft, kriegt man das hin.

Europa bietet doch gute Beispiele dafür. Südtirol als eine autonome Region hat trotzdem gute Beziehungen zu den Italienern und arbeitet viel mit Österreich zusammen. Auch in England haben die einzelnen Regionen eine ganze Menge an Eigenständigkeit bekommen. Die Außenpolitik macht aber London nach wie vor.

Ich glaube, man sollte sich einfach mal anschauen, wie die Autonomien in den einzelnen Ländern der Europäischen Union funktionieren. Die Chinesen können von Europa auch in diesem Bereich lernen. Es gibt viele vernünftige Menschen, die genau so denken, aber leider sind die noch nicht an Bord, aber vielleicht setzen sie sich auf Dauer durch, das hoffe ich sehr.

ETD: Wie ist nach den Informationen des Europäischen Parlaments die Situation in Tibet momentan?

Thomas Mann: Wir stellen fest, dass nach wie vor viele Menschen verwundet sind. Sie gehen nicht in die Krankenhäuser, weil sie dort sofort verhaftet würden. Dort könnte man nämlich sagen: Ihr wart bei den Unruhen dabei! Es gibt nach wie vor die Kontrolle über die Klöster. Das ist schlimm! Man muss Klöster respektieren. Ich meine, das muss künftig gewährleistet sein.

Nach wie vor ist die Lage unruhig. Aber die Ruhe wird nicht durch eine Nachrichtensperre hergestellt. Die Informationen kommen trotzdem rüber, nur langsamer.

ETD: Wir bedanken uns für das Gespräch.

Die Fragen stellte Maria Zheng.



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