Frische Fische aus verseuchtem Fluss

Chinesischer Ingenieur fragt: „Wo sind die 100 Tonnen Schadstoffe geblieben?“
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Die Explosion in einem Chemiewerk in Nordostchina hatte im November 2005 eine Umweltkatastrophe im 1900 km langen Songhua zur Folge. Nach der Eisschmelze droht erneute Gefahr durch die giftigen Substanzen. (Foto: China Photos/Getty Images)
Von 22. April 2006

Am 11. März erklärte der chinesische Umweltminister, Zhou Shengxian, für den Songhua-Fluss in Nordost-Chinas werde es in diesem Frühling keine weitere Verschmutzung geben und die Fische aus dem Songhua würden wieder essbar sein. Dies behauptete der Minister auf einer Pressekonferenz während des diesjährigen Nationalen Volkskongresses und beantwortete damit eine entsprechende Frage.

Allen früheren Protesten aus Russland zum Trotz erklärte er auch noch: „Russland zog die gleichen Schlussfolgerungen wie China, und zwar, dass es in diesem Frühling keine weitere Verschmutzung im Songhua mehr geben werde.“ Der Umweltminister war wegen der Chemieunfälle am Songhua in sein Amt berufen worden. Nun gab er in- und ausländischen Journalisten bekannt, was er „eine erfreuliche Nachricht“ nannte: „Nach kontinuierlicher Beobachtung, Analyse und Überprüfung durch Tausende von Umweltexperten wurde festgestellt, dass die Fische aus dem Songhua genießbar sind und es auch keine weiteren Auswirkungen auf die Agrarprodukte in der Umgebung des Songhua geben wird.“ 

Nach der Explosion in einer Chemiefabrik in der Provinz Jilin im Nordosten Chinas am 13. November 2005 waren rund hundert Tonnen krebserregendes Benzol in den 1900 km langen Songhua-Fluss gelangt. Aber die Umweltbehörde hatte die Nachricht viel zu lange zurückgehalten. Nach offiziellen Angaben führte die Katastrophe allein in der Millionenstadt Harbin vier Tage lang zu einer kompletten Unterbrechung der Wasserversorgung, alle am Fluss liegenden Städte hatten das gleiche Problem. Der schwimmende Giftteppich erreichte später auch die russische Region Chabarowsk und den Amur.

Nun fragte der chinesische Wasserwerk-Ingenieur Wang Weiluo nach. Er ist bekannt als ein Gegner des Drei-Schluchten-Damm-Projektes und lebt jetzt in Deutschland. „Diese 1000 Experten sollen auf jeden Fall eins klären, nämlich, wohin die 100 Tonnen Benzol gekommen sind. Laut chinesischen Medien gibt es keine Verschmutzung des Songhua-Flusses, auch nicht in Russland oder in der Japanischen See, weil die Schadstoffe in der Eisschicht des Songhua-Flusses eingefroren oder auf den Boden gesunken sind. Wenn nun der Songhua im Frühling schmilzt und Fische essbar sein sollen, wo sind die 100 Tonnen Schadstoffe geblieben?“

Das vom chinesischen Umweltminister zitierte Untersuchungsergebnis von 1.000 chinesischen Experten über den Songhua scheint nicht identisch zu sein mit dem von russischen Wissenschaftlern. Laut einer Nachricht von AP vom 4. April 2006 sagte Viktor Bardyuk, Leiter der Abteilung für Umweltschutz des staatlichen Ministeriums für Ressourcen der russischen Region Chabarowsk, die Konzentration des giftigen Chlorophenols im Songhua-Fluss liege fünfzigmal höher als erlaubt.

Das Untersuchungsergebnis, das der russische Wissenschaftler laut AP von der Wasserprobe des Songhua von Februar und März 2006 vorlegte, zeigt, dass der Songhua-Fluss noch eine hohe Konzentration von Metallen und Schwermetallen wie Eisen, Zink, Nickel und Quecksilber und krebserzeugende Polyaromatische Kohlenwasserstoffe aufweist.

Ein im Dezember 2005 vom Büro des UN-Umweltprogramms veröffentlichter Bericht bestätigt dieses Ergebnis. Weil ein großer Teil des Songhua im Winter gefroren ist, sei die giftige Wirkung der Schadstoffe im Winter begrenzt. Wenn das Eis im Frühjahr schmilzt und das Wasser wieder fließt, werden die darin gefrorenen Schadstoffe wieder verflüssigt und die auf den Boden des Flusses gesunkenen, schädigenden Gase und dichten Flüssigkeiten werden wieder nach oben steigen und sich in Bewegung setzen.

Die Verseuchung des Songhua im November 2005 war einer der größten Unfälle in China, die den Bereich des Umweltschutzes betreffen. Diese Chemie-Katastrophe zeigt, wie teuer Bevölkerung und Umwelt das unkontrollierte Wachstum von Industrie und Wirtschaft in China bezahlen müssen.  



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