Harbin: “Niemand hat uns etwas davon gesagt!“

Flussverseuchung im Norden Chinas bedroht Mensch und Natur
Titelbild
Die Schönheit dieser Aufnahme lässt fast die Benzolverseuchung des Songhua Flusses vergessen, wegen der die Wasserversorgung der anliegenden Städte vier Tage lang völlig abgestellt werden musste und die Bevölkerung der Millionenstadt Harbin in Panik die Stadt verließ. (China Photos/Getty Images)
Von 1. Dezember 2005

Harbin, die Hauptstadt der Provinz Heilongjiang im Nordosten Chinas, zieht jeden Winter Hunderttausende von Besuchern durch das international berühmte Eis- und Schnee-Festival an. Nachdem am 21. November bekannt wurde, dass in der Stadt das Leitungswasser auf Grund eines Giftunfalls für vier Tage abgestellt werden sollte, setzte eine regelrechte Massenflucht aus der Millionenstadt ein. Es gab Panikkäufe bei allem Trinkbaren, die Preise für Trinkwasser stiegen zeitweise auf das Doppelte. Die Behörden hatten schnell die vorgeschützte Erklärung einer Rohrsanierung zugunsten der Wahrheit aufgeben müssen.

Am Mittwoch, den 23. November, erscheint der wahre Grund für die Wassersperrung in den staatlich zensierten Medien:  Eine verheerende Explosion am 13. November mit fünf Toten und 70 Verletzten in einer staatlichen Chemiefabrik, einer Tochterfirma  von Chinas grösstem Ölkonzern (CNPC) im rund 380 Kilometer flussaufwärts gelegenen Jilin. Bei dem Unglück gelangten rund 100 Tonnen Benzol und Nitrobenzol in den Songhua-Fluss. Aus dem Songhua entnehmen die Millionenstadt Harbin und andere Städte den grössten Teil ihres Trinkwassers. Die Behörden hatten versucht, die Intensität der Umweltkatastrophe zu reduzieren und angekündigt, das vergiftete Wasser mit zusätzlichem Ablassen aus einem nahegelegenen Stausee zu verdünnen.

Schon vom 18. bis 23. November wurde die Wasserversorgung in der Stadt Songyuan unterbrochen. Ein Sprecher der Kommunalverwaltung beteuerte, niemand sei durch das Benzol vergiftet worden. Benzol gilt jedoch als Auslöser von Blutkrebs, Störungen der Gehirnfunktion und kann Haut- und Lungenreizungen verursachen. Laut Experten bestehe die anhaltende Gefahr darin, dass sich das Benzol und andere Stoffe wegen der herrschenden Kälte nicht verflüchtigen, sondern am Flussgrund ablagern, von Fischen aufgenommen werden und über die Nahrungskette beim Menschen zu Langzeitschäden führen. Auch für Tier- und Pflanzenwelt ist erheblicher Schaden zu befürchten.

Ökologische Nachhaltigkeit – in China ein Fremdwort

Nachhaltigkeit ist in China noch keine akzeptierte Größenordnung für Fortschritt. In einem Interview mit der ZEIT zitierte Chinas Umweltminister Pan Yue Berechnungen der Weltbank und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, nach denen sich der jährliche Umweltschaden auf  8 – 13 Prozent des Sozialprodukts beläuft. Die Auswirkungen trägt zunächst das eigene Volk. Die Verschmutzung von Luft und Flüssen, die schnelle Versteppung weiter Landesflächen kann bald auch negative Folgen für die angrenzenden Staaten haben. Beim Einmünden des Songhua in den unberührten Amur erreichen die Giftstoffe auch russisches Gebiet. Inzwischen ist eine grenzüberschreitende Flusskommission zwischen China, Mongolei und Russland geplant. Sie soll die Frage der Abwasserentsorgung und Klärwerke regeln, eine Liste der eingeführten Schadstoffe erstellen und zeitlich definierte Ziele festlegen. 

Auch nach Einschätzung von WWF wurden bisher in China nicht die richtigen Prioritäten gesetzt. Eine qualifizierte und umfassende Entsorgung wurde zugunsten der Produktion weitgehend hintan gestellt. Bereits im Frühjahr demonstrierten in der Provinz Zhejiang südlich von Shanghai etwa 10.000 Menschen gegen verpestete Luft, stinkende Flüsse und zunehmend unfruchtbare Böden in der Umgebung eines „Industrieparks“. Auch die Rate der Fehlgeburten ist dort signifikant gestiegen. Viele Gemeinderegierungen kümmert das nicht. Sie lassen die Unternehmen mit hoher Umweltbelastung weiterproduzieren. Noch steigen dadurch die örtliche Wirtschaftbilanz und Beamte häufig in höhere Positionen.  

Laut Statistik für Wasserverschmutzung der chinesischen Regierung vom März sind 70 Prozent der Flüsse im Land stark belastet. Von den 1.3 Milliarden Chinesen trinken 360 Mio. verunreinigtes Wasser. Einer der grössten Flüsse Chinas, der Gelbe Fluss, ist jedes Jahr stellenweise fast ausgetrocknet. Auf einem Drittel der chinesischen Landesfläche wachsen die Wüsten. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur liegen in der VR China sieben  von zehn Städten mit der weltweit schlimmsten Luftverschmutzung.      



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