Fällt bald Chinas Medienzensur? Insider kritisieren offen Propaganda-Ministerium

Es tut sich Sonderbares in Chinas Medienlandschaft. Presse- und Internetzensur geraten verstärkt in die Kritik – und zwar nicht vom Ausland aus, sondern durch Medienvertreter selbst. Passend dazu leakte ein Insider, dass hochrangige Figuren des Propaganda-Ministeriums wegen Korruption untersucht würden. Eine Zusammenstellung aktueller Vorfälle.
Titelbild
Pro-tibetische Studenten demonstrieren gegen Xinhua-Werbung am New Yorker Times-Square (2011).Foto: STAN HONDA/AFP/Getty Images
Von und 17. März 2016

Der politische Wind in der Medienwelt scheint sich derzeit zu drehen. Gestern war der letzte Tag des Volkskongresses und Ministerpräsident Li Keqiang tat auf der Abschlusspressekonferenz etwas höchst Ungewöhnliches: Er ließ einen Reuters-Journalisten die erste Frage stellen. Bisher standen Fragen nur ausgewählten Inlandsmedien zu.

Kritik am Propagandaministerium und an der Zensur kennt man in China seit Jahren aus dem Ausland. In letzter Zeit kommt sie jedoch auch aus der heimischen Presse- und Medienlandschaft. Das Machtmonopol des Propaganda-Ministeriums wankt offensichtlich, denn von hieraus wurde bisher sichergestellt, dass sich Medien stramm an Partei-Ideologie und Vorgaben halten.

Medien waren Domäne Jiang Zemins

Beobachter gehen nun davon aus, dass Staatschef Xi Jinping anfängt, im Propaganda-Ministerium aufzuräumen. Das Ministerium steht unter dem Vorsitz von Liu Yunshan, der ein Getreuer des Ex-Staatschefs Jiang Zemin ist. Xi ist demontiert Jiangs landesweites Netzwerk nun schon seit über zwei Jahren per Korruptionsjagd. Ins Bild passt, dass immer mehr Leute aus dem Medienbereich, die bisher Teil des Propaganda-Apparates waren, das Lager wechseln und öffentlich abspringen.

Auch leakte ein Insider vor kurzem, dass die Disziplinar-Kontrollabteilung einige wichtige Persönlichkeiten des Propaganda-Ministeriums als Untersuchungsobjekte ausgemacht habe. Es werde bereits gegen sie wegen des üblichen Vorwurfs der Korruption ermittelt. Demnächst könnten Verfahren eröffnet werden. Chinesische Auslandsmedien berichteten.

Beispiele von Überläufern

Mitte Februar vollzog Hu Xijin, der Chefredakteur der Global Times, eine spektakuläre 180 Grad Wende: Er galt bisher als Hardliner, dem (Medien-)Freiheit sehr suspekt war. Auf einmal postete der Chef des Partei-Sprachrohrs auf Weibo: China sollte mehr Meinungsfreiheit zulassen, Kritik tolerieren und Kanäle für Meinungsfreiheit schaffen.

Am 3. März veröffentlichte das Xi-nahe Magazin Caijing ein Interview mit einem Wirtschaftsprofessor und Mitglied der „Politischen Konsultativkonferenz“: Man solle frei Kritik äußern dürfen, forderte er darin. Als das Interview mit der Begründung „illegaler Inhalt“ vom Propaganda-Ministerium gelöscht wurde, beschwerte sich Caijing in seiner englischen Ausgabe über die Löschung – auch dieser Artikel fiel der Zensur zum Opfer.

Am 7. März schrieb der Xinhua-Journalist Zhou Fang in einem offenen Brief an Volkskongress, Höchsten Gerichtshof, Höchste Staatsanwaltschaft und die Disziplinar-Kontrollabteilung: Die Behörde für Internetzensur verstoße durch ihre bloße Existenz gegen die chinesische Verfassung und verletzte grundlegende Bürgerrechte. Manchmal habe sie ohne Gerichtsprozesse oder gesetzliche Grundlage Blogs, Microblogs und Weibo-Accounts willkürlich gesperrt oder abgeschaltet. Diese diktatorische Handhabung des Internets habe die Onlinefreiheit stark unterdrückt und Meinungsfreiheit des Volkes schwer verletzt, so Fang. Sie schaffe eine Terror-Atmosphäre und die Bürger fürchteten eine Neuauflage der Kulturrevolution.

Auch sein Statement wurde gelöscht.

Am 12. März wurde ein Schriftsteller öffentlich zum System-Aussteiger: Jing Ge aus Suzhou, 55 Jahre, Roman-Autor.

Er erklärte öffentlich auf Weibo seine Kündigung als stellvertretender Vorsitzende des Schriftstellerverbandes der Stadt. Er könne das Amt, welches er 10 Jahre lang bekleidet habe, nicht mehr weiter mit seinem Gewissen vereinbaren. Lieber eine reine Weste, als dieser schmutzige Job.

Öffentliche Aufmerksamkeit war die Folge. Gegenüber der Hongkonger Apple Daily sagte Jing dann: Er habe die Nase voll von ideologischer Beeinflussung. Solche Verbände dienten nur dazu, Autoren unter KP-Überwachung zu stellen. Er bekam online viel Zuspruch für seine Aktion. Nur einen Tag später kündigte eine seiner Kolleginnen ihr Amt beim selben Verband.



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