Jubelsturm für „Rheingold“ in der Philharmonie Berlin

Titelbild
Jochen Schmeckenbecher wurde als Alberich gefeiert.Foto: Kai Bienert
Von 23. November 2012

 

Einen Jubelsturm und das Publikum außer Rand und Band erlebte man am Donnerstagabend in der Philharmonie Berlin. Marek Janowski und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin begaben sich auf die Zielgerade ihres Wagner-Zyklus mit dem Vorabend des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“. Um „Das Rheingold“ entbrennt in Wagners gleichnamigem Werk ein erbitterter Kampf zwischen Göttern, Riesen und Zwergen. Ein Stück voller egoistischer Gestalten, die nur daran denken, wie sie den anderen eins auswischen können.

Marek Janowski dirigierte das Rheingold nicht auratisch (außer im Vorspiel), sondern flott und erzählerisch als mitreißendes Märchen. Er fasste die zweieinhalb Stunden wie unter einen großen Bogen zusammen, inszenierte berauschende Höhepunkte an geeigneten Stellen (Nibelheim und die Zwischenspiele) und agierte sonst sehr sängerfreundlich. Experimentierfreudig gestaltete er den Schluss, wo die Rheintöchter aus weitester Entfernung kaum noch zu hören waren und die Bläser die Reprise von Wotans großem Gedanken im Pianissimo ansetzen mussten, bevor sie zum pompösen Finale aufdrehten.

Tomasz Konieczny machte aus Göttervater Wotan einen kühlen, berechnenden Typ, der sich ständig von anderen dreinreden lässt. Stimmlich sehr kraftvoll und mächtig, zuweilen schneidend, aber etwas eindimensional im Ausdruck. Ihm fehlten die göttliche Aura und die Zwischentöne, dafür bot er erstklassige Textverständlichkeit. Man darf gespannt sein, wie er sich in der Walküre schlägt, wo seine Rolle mehr Spielräume bietet.

Ihm zur Seite stand Iris Vermillion mit einem herb-sinnlichen Mezzosopran als seine Göttergattin Fricka – doppelbödige Pragmatikerin zwischen zuckersüßen Tönen und peitschenden Vorwürfen. Silbrig und mädchenhaft dramatisch Ricarda Merbeth als Freia, die beinahe an die Riesen verkauft wird. Deren Zweigestirn dominierte Günther Goissböck als Fasolt, der mit seinem tiefschwarzen und seelenvollen Bass seinen Bruder Fafner übertrumpfte, Timo Riihonen wirkte gegen ihn etwas dünn und polternd.

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König des Abends: ein Zwerg

Die Rheintöchter waren solistisch nicht sofort im klangschön-geschmeidigen Fahrwasser, aber als Dreigestirn doch sehr homogen: Julia Borchert (Woglinde), Katharina Kammerloher (Wellgunde) und Kismara Pessatti (Floßhilde).

Für Maria Radner als Erda entschleunigte Marek Janowski deutlich. Sie setzte mit langem Atem und großem Klangvolumen wunderbar auf Schlichtheit und war mehr melancholische Träumerin als Urmutter.

Kor-Jan Dusseljee als Froh brachte seine zwei bis drei Einwürfe unspektakulär hinter sich. Antonio Yang als Donner, der in den Dialogen durchschnittlich abgeschnitten hatte, entfaltete beim Gewitterzauber noch die majestätisch donnernde, klangschön kultivierte Seite seines voluminösen Baritons und setzte damit einen fantastischen Höhepunkt kurz vor Schluss.

Christian Elsner mit einem aalglatten, doch kraftvoll strahlenden Tenor wirkte als Loge wie ein Mann ohne Eigenschaften: Der perfekte Relativist, ein Neutrum zwischen Gut und Böse, denn Verschlagenheit brachte er in keinem Moment über die Rampe. Einen Mime wie aus dem Bilderbuch sang dafür Andreas Conrad, der seine Rolle expressiv anpackte und auch vor hässlichen Tönen nicht zurückschreckte.

Der König des Abends war jedoch Jochen Schmeckenbecher als Alberich: Er hatte die Rolle des größenwahnsinnigen Zwerges in einer Weise durchdrungen, die unter die Haut ging. Mit einer Wortbehandlung, mit der kein anderer mithalten konnte, gestaltete er die denkbar schillerndste Gestalt. Hinreißend böse und verzweifelt, überraschte er mit Nuancen und Brüchen, nutzte die Chance zum Piano wann immer möglich und steigerte sich von Ausbruch zu Ausbruch, indem er die Grenze zwischen Realität und Wahnsinn zu überschreiten schien. Seine Hingabe an die Rolle war so mitreißend, dass man den Ring an seiner Faust funkeln sah und er nach seinem Fluch vom Podium taumelte.

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zeigte atemberaubende Präzision in allen Instrumentengruppen, ein rollendes Rauschen in den Streichern und machtvoll-makellose Bläser. Ein besonderes Erlebnis waren die hämmernden Herren am Amboss und die sechs Harfen, die für sanftes Glitzern und Blinken sorgten

Am Ende wurden die Darsteller ausnahmslos gefeiert. Dem demutsvoll erschöpft wirkenden Marek Janowski und seinem Orchester schlug ein Sturm der Sympathie und Dankbarkeit entgegen. Weil bei ihnen nur Wagner und die Leidenschaft zählt.

 

 

 

 

 



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