Rudolf Buchbinder wird 70: Ein Künstler von Jahrhundertformat +VIDEOS

„Rudolf Buchbinder ist für mich heute einer der größten Pianisten der Welt“ (Zubin Mehta). Am 1. Dezember 2016 wird Rudolf Buchbinder 70 Jahre alt.
Titelbild
Rudolf Buchbinder spielt Beethoven immer wieder auch in Berlin. Rezension vom Sonatenzyklus 2013 am Ende des Artikels.Foto: Marco Borggreve
Von 30. November 2016

Im Rahmen seiner Geburtstagsfeierlichkeiten kommt Rudolf Buchbinder auch nach Berlin, wo er am 15., 16. und 17. Dezember 2016 mit den Berliner Philharmonikern unter Christian Thielemann das 1. Klavierkonzert C-Dur op. 15 von Ludwig van Beethoven spielen wird. Beethoven wurde am 16. Dezember 1770 in Bonn geboren, am 17. Dezember getauft.

Am 2. April 1800 hatte der 29-jährige Beethoven sein Opus 15 in Wien als Dirigent und Solist uraufgeführt.

Ein Leben

Der seit frühester Kindheit in Wien lebende Konzertpianist Rudolf Buchbinder, glücklich verheiratet, Vater von zwei Kindern, wurde am 1. Dezember 1946 in Leitmeritz (ehem. Böhmen, heute Tschechien) geboren. Er kommt aus sehr armen Verhältnissen – seine Mutter wurde früh Witwe.

Bereits im Alter von fünf Jahren wurde Rudolf Buchbinder der jüngste Student in der Geschichte der Wiener Musikhochschule. Mit neun Jahren debütierte er in Wien und wurde 1958 in die Meisterklasse des legendären Bruno Seidlhofer (1905 – 1982) aufgenommen. Seidlhofer war auch der Lehrer von Friedrich Gulda (1930 – 2000). Im Alter von 15 Jahren gab er sein erstes Solokonzert in der Royal Festival Hall London.

Er war 11 Jahre alt, als er im Jahr 1957, der 14-jährigen Klavierschülerin Agnes Rado („Agi“), einer liebevollen „Zigeunerseele“, an der Hochschule zum ersten Mal begegnete. Sie war mit ihren hochmusikalischen Eltern aus Ungarn geflüchtet; der Vater, ein erfolgreicher Unternehmer, hatte alles verloren. Mit wenigen Koffern kamen sie nach Wien. Agi, die bereits in Budapest als Wunderkind im Klavierspielen unterrichtet worden war, wurde in Wien als jüngste Schülerin in die Meisterklasse von Professor Richard Hauser aufgenommen und machte später ein exzellentes Examen als Konzertpianistin. Rudolf Buchbinder war noch nicht volljährig (21 Jahre damals), als er Agnes heiratete. 1970 kam ihr Sohn Michael zur Welt, wenige Jahre später Tochter Susanne.

Agi Buchbinder kümmert sich großartig um das Wohl der Familie, und wenn sie ihren Rudi nicht auf seinen Reisen begleitet, dann telefoniert sie noch heute mit ihm ein dutzend Mal am Tag.

Rudolf Buchbinder ist ein Genussmensch. Er liebt gutes Essen (kein Gemüse!), gute Weine und regelmäßig Whisky. Bis vor wenigen Jahren rauchte er 3 Packungen Zigaretten am Tag. Er liest viel Literatur und hat eine private Filmsammlung (mehr als 4.000 Videos und DVDs), auf die er besonders stolz ist.

Klavierwettbewerben steht er sehr skeptisch gegenüber:

„Die Kriterien, die bei internationalen Klavierwettbewerben in letzter Zeit oft herrschen, haben mich veranlasst, an solchen Sitzungen in der Jury nicht mehr teilzunehmen.“

Einer der Letzten der Wiener Klassik

Rudolf Buchbinder ist einer der letzten großen Repräsentanten der legendären Wiener Klassik, die es zu bewahren gilt, für die es leider zurzeit kaum bedeutende Lehrmeister gibt.

Das Repertoire der Wiener Klassik (Haydn, Mozart, Beethoven) beherrscht Rudolf Buchbinder fast konkurrenzlos. 1977, er war 31 Jahre jung, wurde seine Einspielung des gesamten Klavierwerks von Joseph Haydn (6 CDs) mit dem „Grand Prix du Disque“ ausgezeichnet. Für mein eigenes bescheidenes Haydn-Spiel sind Buchbinders Interpretationen seit Jahrzehnten Vorbild und Maßstab.

In der Regel gibt er ca. 90 Konzerte im Jahr. Seinen 70. Geburtstag feiert er im Goldenen Wiener Musikvereinssaal. Mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Tugan Sokhiev spielt er das 5. Klavierkonzert Es-Dur op. 73 von Ludwig van Beethoven, allgemein auch als „Emperor“ bekannt.

Aufnahme: WDR Sinfonieorchester Köln, Ludwig van Beethoven: 5. Klavierkonzert

Rudolf Buchbinder, Piano, Dirigent Jukka-Pekka Saraste, Philharmonie, Köln am 12.6.2015:

https://www.youtube.com/watch?v=eShQrPujgSI

Beethoven widmete seinem Schüler und Erzherzog Rudolph von Österreich (1788 – 1831, von Papst Pius VII. zum Kardinal ernannt) mehr seiner Werke als irgend jemandem sonst – unter anderem die Klavierkonzerte op. 58 und 73, die Klaviersonate „Les Adieux“ op. 81a, die „Hammerklaviersonate“ op. 106 und das „Erzherzog-Trio“ B-Dur op. 97 für Klavier, Violine und Violoncello. Im Januar 1811 spielte der 22-jährige Erzherzog in Wien als Solist das 5. Klavierkonzert.

Rudolf Buchbinder hat wiederholt sämtliche fünf Klavierkonzerte Beethovens an einem einzigen Tag aufgeführt.

Den Gesamtzyklus der 32 Klaviersonaten Beethovens hat er mehr als 50mal in über 50 Städten auf der ganzen Welt gespielt, im März 2017 wird er ihn an sieben aufeinanderfolgenden Abenden in Shanghai spielen.

Rudolf Buchbinder besitzt fast 40 Gesamtnotenausgaben aller Beethoven-Sonaten.   Er hat im Juli 2014 im Salzburger Residenz-Verlag ein sehr liebevoll gemachtes Buch über Ludwig van Beethoven herausgebracht, das in der Presse kaum Beachtung gefunden hat.

Seit Jahren macht Rudolf Buchbinder keine Studio-Aufnahmen mehr. Er bevorzugt Live-Mitschnitte seiner Konzerte:

Wer jeden Satz vier, fünf Mal spielt und die einzelnen Takes dann zusammenschneiden lässt, erzielt ohne Frage ein perfektes Ergebnis. Aber diesem Ergebnis wird jede Spontaneität, jede Emotion und vor allem die richtige Stimmung fehlen. Zu dieser Stimmung gehört die Nervosität notwendigerweise dazu. Das ist der Grund, warum ich mich entschlossen habe, die Beethoven-Sonaten diesmal live aufzunehmen. Die kleinen Fehler, die bei einem Live-Konzert zwangsläufig passieren, nehme ich gern in Kauf, ich lasse sie auf der Aufnahme stehen, wie mich auch die paar Huster und das leise Geraschel nicht stören, die im Konzertsaal nun einmal während der Aufführung zu hören sind. All das gehört dazu wie die Tatsache, dass man in der Regel am Beginn eines Konzerts aufgeregter ist als am Ende.“

Erinnerung an den Beethoven-Sonaten-Zyklus 2012/13 in Berlin

Aufnahme in Salzburg

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Im Rahmen des Beethoven-Sonaten-Zyklus von Dezember 2012 bis Juni 2013 in der Berliner Philharmonie spielte Rudolf Buchbinder am 26. März 2013 (Todestag von Ludwig van Beethoven, Wien 1827) u.a. die Sonate B-Dur op. 106.  Ich zitiere aus meiner Rezension, die am 27. März 2013 in der EPOCH TIMES erschienen ist:

„Nach der Pause das vielleicht größte und schwierigste Werk der Klavierliteratur, die „Hammerklaviersonate“ B-Dur op. 106. Als Beethoven im Jahr 1818 seinem Verleger seine Komposition ablieferte, sagte er: „Da haben Sie eine Sonate, die den Pianisten zu schaffen machen wird, die man in fünfzig Jahren spielen wird.“

In der Tat dauerte es noch viel länger; der Pianist und Dirigent Hans von Bülow (Schwiegersohn von Franz Liszt und erster Dirigent in der Geschichte der Berliner Philharmoniker) spielte dieses gewaltige Werk von ca. 40 Minuten Länge Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin, zum besseren Verständnis des Publikums gleich zweimal hintereinander.

Beethoven komponierte seine Sonate im Alter von 47 Jahren in Wien, in großer Geldnot und ärmlichsten Verhältnissen: „Die B-Dur-Sonate ist in drangvollen Umständen geschrieben, es ist hart, um des Brotes willen schreiben zu müssen.“ Beethoven hatte zu jener Zeit so zerrissene Schuhsohlen, dass er nicht ausgehen konnte.

Buchbinder lässt mit dem gefürchteten Dezimensprung gleich zu Beginn erkennen, wie souverän er mit den technischen Herausforderungen umzugehen versteht und riskiert ein extrem hohes Tempo – makellos bewältigt. Die ständigen Tonart- und Akkordwechsel fließen gesangvoll von einer Passage zur nächsten, eine geradezu aufregend-geniale Darbietung. „Heilige Ruhe, wie schön, wie herrlich! Hier ist Gott, hier ruhe ihm zu dienen!“, schreibt Beethoven in sein Skizzenheft. Den 3. Satz „Adagio sostenuto“ verwandelt Rudolf Buchbinder fast 17 Minuten lang zu einem kontemplativen Gebet; der Konzertsaal wird zu einer Kathedrale transzendenter Stille.

Eine ehrfürchtige Verneigung des Pianisten vor dem Komponisten Beethoven an dessen Todestag. Technisch und künstlerisch einzigartig schreitet Buchbinder „klaviertastend“ durch die große, endlos erscheinende Fuge des Finales, die viele Künstler fälschlicherweise als kontrapunktische Aufgabe betrachten. Buchbinder gestaltet ein Klangmonument von bezwingender Erhabenheit, lässt die Doppeltriller zusammenbrechen, und erhebt das Fugenthema wie ein Phönix und durchwandert den welt-schöpferischen Geist Beethovens in Vollendung. Beethovens unspielbar erscheinende Tempoangaben in der „Hammerklaviersonate“ sind für Buchbinder kein Problem.

SU-Buchbinder-Beethoven-RZ.inddDer Wiener Künstler krönte durch sein Konzert die historisch bedeutende Beethoven-Tradition in Berlin. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden hier die weltberühmten Pianisten Arthur Rubinstein, Edwin Fischer, Claudio Arrau, Wilhelm Kempff u.v.a. ausgebildet. 1927 – anlässlich des 100. Todesjahrs von Ludwig van Beethoven – hatte Artur Schnabel erstmalig sämtliche 32 Klaviersonaten in Berlin gespielt, ein weiteres Mal im Jahr 1932. In den Folgejahren erschien seine Gesamtaufnahme auf Schallplatten, die erste in der Geschichte, und hat für die nächste Pianisten Generation damit Maßstäbe gesetzt.

Nun hat uns Rudolf Buchbinder mit seinem Berliner Beethoven-Zyklus ein außergewöhnliches Gipfelerlebnis im 21. Jahrhundert beschert. Der Steinway-Flügel war hervorragend gestimmt und intoniert. Den 26. März 2013 wird man so schnell nicht vergessen können. Nach der tiefgreifenden Interpretation der „Hammerklaviersonate“ verzichtete der Künstler verständlicherweise auf eine Zugabe – aus Respekt vor dem Opus Magnum und dessen Nachklang. Begeisterter und kaum enden wollender Applaus. Eine Sternstunde am Vortage des Frühlingsvollmonds“.

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Wer bereits vermutet hatte, dass der Altmeister aus Wien eigentlich ein Zauberer ist, bekam nun den Beweis. Wie Buchbinder mit Klangprojektion arbeitete, grenzte an Magie. Am 26. April 2013 im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie.



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