Seelische Verwahrlosung – die hilflose Eltern-Generation

Eltern heute: Hilflosigkeit im Umgang mit den Kindern – Fehlende Werte und Egomanie statt Nachhaltigkeit
Von 21. April 2008

Julian ist fünf. Schwesterchen Marie gerade eben vier Jahre alt. Das Kinderzimmer ist sauber und aufgeräumt. Verwahrlosung bedeutet nicht immer Schmutz, Dreck und Hunger. Es gibt auch Verwahrlosung, die nicht direkt auffällt, geistige Verwahrlosung. Die Folgen sind subtiler, stiller und die Folgen stehen nicht in direktem Zusammenhang. Oft wird Jahre später genau dieser Zusammenhang gar nicht mehr hergestellt, denn diese Art der Verwahrlosung, die geistige Armut und ein Mangel an Herzensbildung, sind ein breites gesellschaftliches Phänomen geworden.

Im Kinderzimmer stehen ein Fernseher und ein alter Video-Rekorder. Und sogar einen Computer haben die Kinder für „Extra-Kinderspiele mit Lern-Effekt“. Ein Dreirad? Fehlanzeige. Bausteine? Fehlanzeige. Knüpf- und Steckspiele? Fehlanzeige. Knete und Fingerfarben? Fehlanzeige. Aber ein Handy und weiteres Spielzeug, das auf Knopfdruck Lärm erzeugt, Sirenen oder Schimpfkanonaden in fremden Sprachen, man sagt es sei lustig.

Kindererinnerungen

Mutti ist zur Arbeit, sie arbeitet im Supermarkt. Papa hat schon sehr früh das Frühstück hingestellt, Chupa Chups und inzwischen kalt gewordene Milch, und dann musste er aber gleich weg zum Amt irgendeinen neuen Antrag abgeben. Er ist jetzt schon länger zu Hause, denn er hat keine Arbeit mehr. Am Anfang war das noch lustig, aber jetzt spricht man besser nicht mehr so oft mit ihm. Wenn er kommt, wird er das Essen machen. Vielleicht kann man es ja heute essen. Am besten ist Pizza oder was aus der Dose, das schmeckt wenigstens.

Kindergarten? Julian erinnert sich: das war ganz nett, da waren viele Kinder. Aber man musste immer im Freien spielen und es gab keinen Fernseher. Dennoch hatte es ihm gefallen. Mariechen war noch nie im Kindergarten, aber sie stellt sich das schön vor.  Noch lieber würde sie mit Papa zum Spielplatz gehen. Aber der will das nicht mehr seit einiger Zeit. Mit den Kindern kann er irgendwie nichts anfangen, das ist nichts für ihn. Genau wie das mit dem Haushalt.

Gewalt scheint nicht „real“

Also freuen sie sich über die Fernsehsendungen mit Schwammkopf und den Monstern. Die haben sie lieb. Die hauen sich zwar immer, aber es passiert ihnen ja nichts. Da wird fünfmal pro Sendung zerhackstückt, geplatzt und explodiert – aber hinterher leben sie ja noch…. Und Papa, der ist froh wenn sie ihn nicht stören wenn er DVDs guckt, immer schön eine nach der anderen. Und wenn er mit Mama streitet, weil die will, dass er einkaufen geht, dann zeigen sie sich besser auch nicht. Denn dann kann schon mal eine Ohrfeige drin sein, warum das wissen sie auch nicht. Aber sie lernen schon, dass man sich besser manchmal wegduckt oder am besten gar nicht muckst. Zumindest nicht, wenn er oder Mama brüllt oder das Bier alle ist.

Wenn Mutti nach Hause kommt bringt sie manchmal Süßigkeiten mit. Da freuen sich die Kinder. Doch in letzter Zeit ist Mutti oft sehr müde und schreit immer mit Papa rum, dass er auch mal was tun könnte. Staubsaugen, Wäsche waschen oder wenigstens aufräumen. Danach weint sie und will auch nicht spielen.

„Babysitter“ Fernsehen

Solche Szenen sind Alltag in vielen Familien in Deutschland, immer öfter kommt noch finanzielle Not dazu, oder Trennungen der Partner bringen zusätzliche seelische Not. Nicht nur die Kinder leiden. Eltern, ob Paare oder allein erziehend, fühlen sich im Stich gelassen. Häufig fehlen sogar die grundlegenden Kenntnisse wie Kochen, Bügeln oder wie man die Finanzen in den Griff bekommt. Die Erwachsenen bekommen ihr Leben nicht in den Griff, es fehlt das Handwerkzeug. Sie können ihr eigenes Leben nicht organisieren, da werden die Kinder zur Last und am liebsten abgeschoben. Keine Oma da? Also wird der Fernseher zur Oma gemacht, wenigstens ist er immer da, das ist die „Neue Verlässlichkeit“ – die neue Verlassenheit.

„Wie haben unsere Eltern das mit uns nur geschafft? Es muss doch irgendwie zu schaffen sein? Die hatten keine Waschmaschine, keine Pampers und keine Fertignahrung. Keine Tagesstätten, Kindergarten wenn überhaupt, dann ab vier Jahren und auch nicht den ganzen Tag. Zum Mittagessen musste man nach Hause.“

Verzweifelt klingen sie, die jungen Mütter – und total überfordert und hilflos. Sie können die vielfältigen Anforderungen eines Haushalts mit Kind oft nicht meistern. Sie haben es nicht gelernt. Woran liegt das? Am Sandmännchen vielleicht? Oder dass sie nicht in die Verantwortung mit einbezogen wurden, damit sie für die Schule lernen konnten und ihre Kindheit und Jugend genießen?

Fürs Leben lernen

Fest steht, was nicht gelernt und eingeübt wurde ist auch nicht abrufbar wenn es gebraucht wird. Wer mal Fahrradfahren gelernt hat, verlernt es nicht mehr. Schwimmen genauso. Aber es spät zu lernen erfordert viel mehr Anstrengung, Ausdauer und Mut für Neuanfänge. Was bei Kindern noch spielerisch geht, wird bei Erwachsenen leicht zum Krampf. Und was den Haushalt und die Kindererziehung betrifft ist das genauso, denn die Einsicht in das Notwendige verursacht auch gehörigen Erfolgsdruck. Haushalt, Ehe, Kind. Doch wohin mit dem Frust, wenn man nur gelernt hat, seine Kindheit zu genießen? Wie Gemeinschaft leben, wenn man gelernt hat, sich selbst die wichtigste Person im Leben zu sein?

In der Schule haben sie es nicht gelernt, Koch- und Handarbeitsunterricht fielen entweder aus wegen Lehrermangel oder waren freiwillig oder am späten Nachmittag, wo eh keiner hingeht. Oder es gab nicht genügend Teilnehmer oder Dinge, die fürs Leben wichtiger sind als die Fahrrad-Ag, Theater-Ag, Tennis, Kampfsport oder Ballett und Aerobic. Aber da gingen ja nur die Streber hin, das war uncool. Die Folgen fehlender Informationen sind heute auch uncool.

In den Lehrplänen kommen viele Projekte vor, die Kinder mit Neuem vertraut machen sollen. Aber wer lehrt sie, dass man Kartoffeln auch schälen und kochen kann? Wer zeigt die Funktion einer Waschmaschine? Oder wie man im Freien ein Feuer macht zum Würstchen grillen? Wie öffnet man eine Dose ohne Dosenöffner? Warum wird Pizza nichts in der Mikrowelle? Wie funktioniert ein Backofen ohne Strom? Warum muss man Wäsche überhaupt waschen? Warum muss man sich selbst überhaupt waschen? Warum sollen ein Bett und eine Wohnung gelüftet werden? Was kann man gegen Ungeziefer tun? Wie kommt die Milch in die Tüte? Wie geht man mit Säuglingen um? Warum können die Kinder nicht essen was die Erwachsenen essen? Wie klettert man auf einen Baum, und vor allem, warum?

„Gut gemeint“

Kinder, die ein „bequemes“ Leben haben, vielleicht weil ihre Eltern sagen: „Mein Kind soll es doch einmal besser haben“ lernen oft nicht, was ein verantwortliches Leben heißt. Auch hier zeigt sich, dass  dieses „Gut gemeint“ der Eltern doch kein gutes Resultat hervorbringt. Es führt zu „Hotel Mama“ und anderen Auswüchsen. Denn Kinder die lernen „Hauptsache bequem“, wie sollten die denn später überhaupt Kinder erziehen können? Sie haben es nicht gelernt. Und es widerspricht sogar dem, was sie gelernt haben, denn Kinder haben und zu verantwortlichen Menschen zu erziehen ist eine echte Leistung, eine Herausforderung die weit über diese gelernten Möglichkeiten hinausgeht.

Rückkehr der Unschuld

Es ist eine Frage der Politik, diese Menschen, die willens sind eine solche Herausforderung anzunehmen, zu unterstützen. Sie benötigen Kurse und Hilfestellung. Sie benötigen vielleicht Ersatz-Omas und -Opas, die willens sind, ihr Wissen um Geduld, Selbstmanagement und Eigenmotivation an diese alleingelassenen Eltern weiterzugeben. Sie brauchen dringend das Wissen darum, dass sie selbst nichts dafür können, dass ihnen dieses Wissen nicht vermittelt wurde, dass sie eben nicht lernen konnten, was man ihnen nicht beibrachte. Es nützt nichts, nur Forderungen zu stellen oder öffentliches Entsetzen und Entrüstung zu artikulieren über die Zustände in Familien heutzutage ohne gleichzeitig Ursachenforschung zu betreiben und neue, alte Wege einzuschlagen.

Nachhaltigkeit der Ziele

Was soll denn für eine Elterngeneration entstehen, die in den Medien nur Gejammer über fehlende Mittel hört und Werbung sieht in denen Leute nur Party oder das Leben feiern und zu sehen ist, dass Arbeit nur etwas für geistig Beschränkte ist? Solange wir zulassen, dass eine Berieselung mit Werbung und Serien oder Kinderprogrammen erfolgt, die suggerieren, dass das Ziel eines Lebens darin besteht, möglichst von der Schule in die Rente überzugehen, ohne den Umweg über das mühsame Erwerbsleben, wie könnte bei solchen Botschaften etwas anderes entstehen als geistige Verwahrlosung? Es ist noch nicht einmal die Frage nach der Menge der Lerninhalte oder die Art ihrer Vermittlung, die wirklich eine Rolle spielt. Es ist die Frage nach den Zielen und Werten die den Weg in die Zukunft verbauen oder vielleicht neu öffnen: für die Rückkehr zur Menschlichkeit und darin ein Herz für Kinder.



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