Fußball ist unser Leben – eine Annäherung

Kongress in Leipzig über „Fankulturen“ und „Spannungsfelder“ – Interview mit Mathias Scheurer der IG „Unsere Kurve“
Titelbild
Helmut Spahn, DFB-Sicherheitsbeauftragter (Steffen Andritzke/DNE)
Von 3. Juli 2007

Am 23. und 24. Juni fand in Leipzig ein bundesweiter Fankongress statt, zu dem der Deutsche Fußballbund (DFB) Vertreter aller Fanprojekte aus der 1. und 2. Bundesliga, der Regionalliga und Faninitiativen eingeladen hatte. Es kamen 420 Teilnehmer von
50 Vereinen und Vertreter der Faninitiativen „Unsere Kurve“, „Pro Fans“ und „Baff“. In fünf Arbeitsforen diskutierten Vertreter der Fans mit Vertretern des DFB und Sicherheitsbeauftragten. Die Themen der einzelnen Foren waren „Fankulturen“, „Spannungsfelder“, „Fanbetreuung“, „Anti-Diskriminierung“ und „Länderspiele“.

In seiner Rede betonte Dr. Theo Zwanziger, Präsident des DFB, dass er selbst ein Fußballfan von Borussia Mönchengladbach sei und aufgrund seines Amtes nicht alle Emotionen „wegschmeißen“ könne. Jedoch machte er auch deutlich, dass der Fußball neben allen Emotionen auch zu einer „Bewusstseinsbildung“ beiträgt und er sich nicht damit abfinden werde, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religion oder aus anderen Gründen gedemütigt werden. Er forderte die anwesenden Fans und Fanvertreter auf, nicht weg zu schauen falls etwas derartiges in unseren Stadien passieren sollte.

In der abschließenden Pressekonferenz sagte der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn, dass es sich aus Sicht des DFB 100 Prozent rentiert habe diesen Fankongress durchzuführen: „Wir haben in allen Foren einen offenen und konstruktiven Dialog geführt und versucht, Ergebnisse zu erzielen. Das ist uns nicht überall gelungen, aber in Teilbereichen sehr wohl.“

Ein weiteres Ziel des Kongresses war, Vorurteile auszuräumen und Verständnis für die jeweils andere Seite zu entwickeln. Klares Bekenntnis des DFB: Dies ist der Beginn eines Dialoges, welcher auch in Zukunft fortgesetzt wird.

Das Thema Stadionverbote war das am heißesten diskutierte und wurde teilweise sehr kontrovers gesehen. Spahn hierzu: „Die Haltung des DFB ist deutlich. Bei Verhängung der Stadionverbote ist mehr Transparenz, mehr Gerechtigkeit und mehr Einzelfallbezogenheit erforderlich.“ Man ist bereit, die Richtlinien in allen wesentlichen Punkten zu überarbeiten. Das betrifft im einzelnen die Dauer der Stadionverbote und die stärkere Einbindung der Bezugsvereine. Außerdem hat man sich darauf verständigt, dass der DFB die Ausarbeitung und detaillierte Ausformulierung in den nächsten vier bis fünf Wochen gemeinsam mit den Fanvertretern der Interessengemeinschaft (IG) „Unsere Kurve“ voranbringen will.

Ein weiterer Punkt war der Bereich der Länderspiele. Hier wurde recht gut darüber diskutiert, wie in Zukunft gemeinsam mit Polizei, Verband und Fans Ausschreitungen vor allem bei Auswärtsspielen verhindert werden können. „Ich denke, auch hier haben wir recht gute Ergebnisse erzielen können,“ ist Spahn zuversichtlich.

Auch bei der Ticketvergabe konnte der DFB transparent machen, dass durch die UEFA gewisse Zwänge bestehen und dass bei einer begrenzten Anzahl von Tickets nicht jeder immer eine Karte bekommen kann. Im Themenbereich Anti-Diskriminierung haben sich alle Teilnehmer ohne Ausnahme dafür ausgesprochen, dass Diskriminierung in jedweder Form in unseren Stadien nichts zu suchen hat.

Interview mit Mathias Scheurer, Sprecher der IG „Unsere Kurve“

Herr Scheurer, wer oder was ist „Unsere Kurve” ?

Unsere Kurve ist eine vereinsübergreifende Interessengemeinschaft, bestehend aus den Fanabteilungen der einzelnen Vereine, Supporterclubs und in vergleichbaren Fanprojekten organisierten Fans. Wir vertreten derzeit rund 70.000 Fans.

Auf wessen Initiative kam der Fankongress zustande?

Auf Initiative des DFB-Präsidenten Theo Zwanziger. Nach einem Gespräch mit Fanvertretern im Herbst 2006 in der DFB-Zentrale in Frankfurt/Main kündigte er gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Präsidenten des Ligaverbandes, Werner Hackmann, für den Sommer 2007 einen bundesweiten Fan-Kongress an. Es folgte daraufhin die Kontaktaufnahme zu allen Faninitiativen und bei einem Fanforum Anfang des Jahres wurden dann die Themen zusammengefasst.

Welches Ziel hatte der Fankongress allgemein?

Mathias Scheurer, Sprecher der Interessengemeinschaft „Unsere Kurve“  (Steffen Andritzke/DNE)Mathias Scheurer, Sprecher der Interessengemeinschaft „Unsere Kurve“ (Steffen Andritzke/DNE)

Aus meiner Sicht, einen ernsthaften und nachhaltigen, also dauerhaften Dialog zwischen dem DFB und den Fans zu beginnen.

Welche konkreten Forderungen hatte „Unsere Kurve” an den DFB?

Wir sehen uns als Interessenvertretung der Fans für den Erhalt der Fankultur und der Freiräume. Für diesen Kongress haben wir uns auf zwei Schwerpunkte konzentriert: Fankultur und Spannungsfelder. Für letzteren haben wir ein in Frankfurt entstandenes Positionspapier zur Änderung der Stadionverbotsrichtlinien eingebracht und bereits im Vorfeld mit dem DFB besprochen.

Konnten die Ziele erreicht werden, beziehungsweise konnten aus Ihrer Sicht die Forderungen erfüllt werden?

Im Bereich der Stadionverbotsrichtlinien hat der DFB anerkannt, dass Änderungsbedarf besteht. Hier gibt es konkrete Zusagen von Theo Zwanziger und dem DFB-Sicherheitsbeauftragten Helmut Spahn bezüglich der Dauer eines Bewährungsmodells, der Einbindung des Bezugsvereins und der automatischen und sofortigen Aufhebung von Stadionverboten bei Einstellung des Verfahrens nach 170 II StPO. Die detaillierte Ausgestaltung wird in Zusammenarbeit mit „Unsere Kurve“ stattfinden. Ein erstes Treffen wird in den nächsten vier bis fünf Wochen stattfinden. Viele andere Themen konnten dagegen nur angerissen werden, hier gibt es noch viel zu tun.

Was war aus Ihrer Sicht gut oder auch nicht so gut am Fankongress?

Gut war die Tatsache, dass es ihn überhaupt gab und dass wirklich niemand ausgeschlossen wurde – das wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen. Es wurde über alle Themen gesprochen, nichts ist unter den Tisch gefallen. Gut war auch, dass die verschiedensten Faninitiativen sehr diszipliniert und konstruktiv zusammengearbeitet haben. Hier haben alle Fans an einem Strang gezogen.

Schlecht war hingegen der enge Zeitplan aufgrund der Themenfülle und dass in einigen Themenbereichen keine adäquaten Ansprechpartner, beziehungsweise Entscheidungsträger von DFB und DFL zur Verfügung standen.

Wie gestalteten sich die Diskussionsrunden mit dem DFB?

Kontrovers, aber durchaus fruchtbar. Wir haben den Eindruck, dass der Verband ernsthaft bemüht ist, mit uns Fans einen dauerhaften Dialog zu führen. Und, wenn DFB-Präsident nach der Teilnahme in einer Arbeitsgruppe die Aussage tätigt, dass er nun einige Dinge anders sieht, ist das doch ein Erfolg. Das Wichtigste ist jedoch, dass der Dialog weitergeht. Beim Kongress wurde bereits angekündigt, dass eine Arbeitsgruppe Fandialog in Kürze die begonnene Arbeit fortführen wird.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Scheurer.



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