EuGH kippt Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente

Der Europäische Gerichtshof hat die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente gekippt. Einheitliche Preise benachteiligen laut dem Urteil Versandapotheken im EU-Ausland und beschränken den freien Warenverkehr in der EU.
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Medikamente liegen in einem Kommissionierautomat.Foto: Daniel Reinhardt/Archiv/dpa
Epoch Times20. Oktober 2016

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente gekippt. Die Festlegung einheitlicher Abgabepreise benachteilige Versandapotheken im EU-Ausland und beschränke somit den freien Warenverkehr in der EU, befand der EuGH in einem am Mittwoch in Luxemburg verkündeten Urteil. Die deutschen Apotheker zeigten sich schockiert von der Entscheidung. (Az. C-148/159)

Im Ausgangsfall hatte die Deutsche Parkinson Vereinigung mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris ein Bonussystem für ihre Mitglieder ausgehandelt. Demnach sollten Kranke einen Rezeptbonus von 2,50 Euro erhalten sowie einen Extranachlass von 0,5 Prozent auf den Arzneipreis. Dagegen klagte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

Der EuGH befand nun, die deutsche Festlegung einheitlicher Abgabepreise benachteilige Apotheken im EU-Ausland. Ihnen könnte damit der Zugang zum deutschen Markt im Vergleich zu inländischen Anbietern erschwert werden. Solch ein Handelshemmnis sei weder im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit noch auf eine flächenmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gerechtfertigt. Laut Urteil ist der Versandhandel für ausländische Apotheken „ein wichtiges, eventuell sogar das einzige Mittel“, um einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt zu erhalten.

Nach Auffassung des Gerichtshofs könnte mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken auch zu einer „gleichmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln“ in der Fläche führen: Apotheker bekämen so Anreize zur Niederlassung in Gegenden, in denen wegen der geringeren Zahl an Konkurrenten höhere Preise verlangt werden könnten. Ein Preiswettbewerb könne zugleich auch den Patienten Vorteile bringen, weil sie verschreibungspflichtige Arzneimittel zu günstigeren als den derzeit festgelegten Preisen erwerben könnten.

Deutschlands Apotheker regierten „entsetzt“ auf die Entscheidung. „Es kann nicht sein, dass ungezügelte Marktkräfte über den Verbraucherschutz im Gesundheitswesen triumphieren“, erklärte der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Friedemann Schmidt. Er forderte die Bundesregierung deshalb auf, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten zu verbieten.

Solch ein europarechtlich mögliches Verbot des Versandhandels forderte auch die unterlegenen Wettbewerbszentrale. Das Urteil werde „massive Auswirkungen auf den Apothekermarkt haben“: Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil hiesiger Apotheken führten zu einer „Inländerdiskriminierung“, erklärte die Organisation.

Des Bundesgesundheitsministerium will das Urteil und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zunächst prüfen. „Die Gewährleistung einer flächendeckenden, wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken“ habe für die Bundesregierung jedenfalls „weiterhin Priorität“, teilte das Ministerium mit.

jo/cne



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