Gefährlicher Trend: „Zaubertropfen“ für Kleinkinder – Immer mehr Eltern verabreichen Kindern Schlafmittel

Wissenschaftler und Mediziner warnen vor einem gefährlichen Trend: Immer mehr Eltern geben ihren Kindern Schlafmittel. Dabei sind nicht die Kinder das Problem, mahnt ein Experte.
Titelbild
Nach Einschätzung des bayerischen Gesundheitsministeriums geben inzwischen immer mehr Eltern ihren Kindern Schlafmittel.Foto: Caroline Seidel/Archiv/dpa
Epoch Times8. Januar 2017

„Ich würde gerne mal wieder acht Stunden schlafen, aber eigentlich will ich meinem Kleinen keine Schlafmittel geben. Nur mein Körper bricht unter der Müdigkeit zusammen.“ Oder: „Das ist meine letzte Option, endlich mal wieder eine Nacht schlafen zu können.“

Oder: „Geschmeckt hat’s ihr nicht, aber wir nennen sie Zaubertropfen und so hat sie das Zeug doch geschluckt. Wer will schon nicht zaubern?“

Elternforen im Internet sind voll von Einträgen dieser Art, und die lösen immer wieder heftige Diskussionen unter den Teilnehmern aus. Die umstrittene Frage: Dürfen Eltern ihren Kleinkindern Schlafmittel geben, wenn die einfach nicht durchschlafen wollen?

Mediziner und Behörden sehen eine bedrohliche Entwicklung. Nach Einschätzung des bayerischen Gesundheitsministeriums geben inzwischen immer mehr Eltern ihren Kindern Schlafmittel. „Diesen gefährlichen Trend, den Kinderärzte und Wissenschaftler derzeit beobachten, müssen wir stoppen“, erklärt Ministerin Melanie Huml (CSU) und warnt vor „schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für die Kinder“.

Die Mittel können psychisch abhängig machen und innere Organe wie Leber und Niere schädigen, wie Huml betont. Damit hat sie aus Sicht des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) auch völlig recht. „Es kann – auch in niedrigen Dosen – zum Atemstillstand kommen“, sagt BVKJ-Sprecher Hermann Josef Kahl.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) warnte schon vor Jahren vor Schlafmitteln für Kinder. Konkrete Zahlen haben beide Organisationen nicht – ebenso wenig wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Zahlen zu verschriebenen Schlafmitteln für Kinder des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI), die vor einiger Zeit öffentlich wurden, bezeichnet das Institut selbst inzwischen wegen eines Fehlers bei der Datenerhebung als nicht valide.

„Ich hätte als Arzt Bauchschmerzen, so etwas zu verschreiben“, sagt Kahl. „90 bis 95 Prozent der Kinder sind gesund, haben nur einen anderen Schlafrhythmus.“ Bauchschmerzen macht ihm auch, dass es Schlafmittel für Kinder gibt, die nicht verschrieben werden müssen, weil sie frei verkäuflich sind.

„Ich merke schon, dass das Thema die Eltern beschäftigt“, sagt Carla Sauer von Kirschbach von der Elternberatung der Diakonie Gilching bei München. „Die Frage, ob man Schlafmittel geben darf, taucht hier immer mal wieder auf. Das ist vielleicht einfacher, als den mühsamen Weg zu gehen und den Alltag zu ändern.“

Früher, „im Mittelalter“, hätten Kinder abends einen Löffel Schnaps bekommen, damit sie tief und fest schlafen, sagt Kinderarzt Kahl. Ob das schlimmer ist als Schlafmittel? „Man sollte beides nicht machen“, betont Kahl. Seine Alternative: Die Eltern brauchen Schlaf, nicht die Kinder. „Die Mütter müssen ihre Erschöpfung loswerden. Da empfehlen wir in der Regel den gnadenlosen Einsatz der Verwandtschaft.“ (dpa)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion