Wenn „Cybermobbing“ und „Online-Trolle“ das Leben zur Hölle machen

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Mobbing ist eine Verletzung der Seele und löst bei jugendlichen Opfern tiefe Schamgefühle aus. "Reagieren Sie nicht mit Rückzug und Flucht", raten die Autorinnen. Zeichnung: Christian Schlierkamp

Längst bestimmen Laptop, iPhone, iPad & Co. unsere alltägliche Kommunikation. Wir mailen, chatten, posten oder sms’en via Facebook, Twitter und Co. Auch der Einkauf bei Online-Shops ist beliebter denn je, weil er sich einfach und bequem mit ein paar Mausklicks erledigen lässt.

Doch die schöne neue Welt ist Segen und Fluch gleichermaßen. Jeder konnte beispielsweise verfolgen wie auf Facebook oder Twitter ein sogenannter „Shitstorm“ – also eine Welle negativer Nachrichten oder Kommentare – über einen Schauspieler, Showmaster, Politiker oder einen Fußballmanager hereinbrach.

Einige haben gewiss auch schon Bekanntschaft mit einem „Online-Troll“ gemacht: Diese Gesellen lieben es, im Netz destruktive Kommentare zu hinterlassen und sie versuchen, jede sinnvolle, sachliche Diskussion zu verhindern. Sie provozieren, diffamieren, intrigieren – und sind meist in mehreren Medien zugleich unterwegs.

Trolling oder Mobbing

Nach einer Studie vom „Bündnis gegen Cybermobbing e.V.“ aus dem Jahr 2013 gab etwa jeder fünfte Schüler in Deutschland (17%) an, schon einmal Opfer von Cybermobbing-Attacken gewesen zu sein. Etwa genau so viele (19%) bekannten sich dazu, bereits als Täter agiert zu haben. Aber auch unter Erwachsenen ist es inzwischen ein deutliches Problem.

Was ist nun eigentlich der Unterschied zwischen Trolling („ködern“) und Mobbing („belästigen“, „anpöbeln“)? Trolle treiben ihr Unwesen normalerweise anonym. Sie kennen ihre Opfer nicht persönlich und lassen ihre Hass- oder Schmutztiraden häufig los, um zu provozieren und ihre Opfer zu „ködern“, damit sie sich zu unbedachten Äußerungen hinreißen lassen. Zwischen Mobbingopfern und -tätern gibt es dagegen häufig eine persönliche Verbindung im familiären Umfeld, im Freundeskreis oder es handelt sich um Mitschüler.

Die Formen des Cybermobbing sind vielfältig. Am häufigsten kommt es zu Beschimpfungen und Beleidigungen, gefolgt von Lügen, Hänseleien und der Verbreitung von Gerüchten. Die Opfer werden aber auch unter Druck gesetzt, bis hin zu Erpressung und Bedrohung. Eine weitere Strategie ist die Veröffentlichung von diffamierenden und peinlichen Fotos oder Videos, die teils manipuliert bzw. gefälscht sind.

Cybermobbing – „Es war wie eine Welle!“

„Es war wie eine Welle“, berichtet die 17-jährige Maja von ihrer Mobbing-Erfahrung. „Sie kam einfach über mich, ich konnte mich nicht wehren.“ Mit ruhiger, klarer Stimme erzählt Maja von ihrer ersten großen Liebe: Thomas. Vor über einem Jahr hatte sie sich in ihn verliebt. Dann nach nur sechs Monaten trennte sie sich von ihm. Nach ein paar Wochen las sie in einem Onlineforum ihre neuen Spitznamen: „Schlampe“ und „Nutte“ waren nur einige davon.

Später hörte sie auch auf dem Schulhof ihre Mitschüler tuscheln. Einige fragten sie ganz direkt, wie und wo genau sie mit Thomas Sex hatte und ob sie es immer so heftig treibe wie in dem Video, das auf Youtube kursierte und den Gerüchten im Netz zufolge sie und Thomas beim Sex zeigte. Am Anfang versuchte Maja, einfach alles zu ignorieren, denn schließlich war nicht sie in dem Video zu sehen sondern ein Mädchen, das ihr sehr ähnlich sieht. Sie glaubte, dass sich der Sturm wieder legen und sich die Wellen von allein glätten würden. Doch das Gegenteil war der Fall: Es wurde schlimmer – so schlimm, dass Maja sich nicht mehr aus dem Haus traute.

In ihrem Facebook-Account tauchten immer häufiger anzügliche Bemerkungen auf, einige Männer fragten sie dort auch ganz direkt, ob sie auch mal mit ihnen Sex haben würde. Maja war verzweifelt. Sie konnte dem Mobbing einfach nicht mehr entkommen. Ganz egal, wo sie auch war: der Mob war schneller. Morgens wurde sie in der Schule fertiggemacht, abends im Netz.

Die Folgen für die Opfer solcher Cybermobbing-Attacken sind vielfältig. Möglich sind Selbstwerteinbrüche, Angst vor der Schule, psychosomatische Beschwerden, Depressionen und soziale Isolation. In schlimmen Fällen kann es zu Essstörungen, selbstverletzendem Verhalten und Selbstmordabsichten kommen.

Wichtig: Opfer sind nicht wehrlos!

Was kann man tun, um sich vor Cyber-Diffamierungen zu schützen? Die vielleicht wichtigste Regel lautet zunächst: Gehen Sie online vorsichtig und sparsam mit Ihren persönlichen Daten und Fotos um. Vermeiden Sie unbedachte emotionale Äußerungen, zu denen man sich im Ärger oder im Streit schon mal hinreißen lässt.

Denken sie immer daran: Einmal ins Netz gestellt, ist die Information, der Kommentar oder das Foto nicht mehr rückholbar. Ihre eigenen Beiträge können Sie zwar wieder entfernen, aber in den Köpfen der Menschen, die den Beitrag schon gesehen oder sogar heruntergeladen haben, gibt es keine Delete-Taste!

Mobbing ist eine Verletzung der Seele und löst bei jugendlichen Opfern tiefe Schamgefühle aus. So reagieren sie mit Rückzug und Flucht. Sie schaffen es nicht, darüber zu sprechen, sondern verschließen sich. Aber ist der Mobbing-Sturm erst einmal losgebrochen, hilft genau das Gegenteil: Schnell reagieren und sich offen wehren, sonst verbreiten sich Gerüchte und Anschuldigungen wie ein Lauffeuer.

Helfen können hier Beratungs- und Anlaufstellen für Eltern und Kinder, wie zum Beispiel die Mobbing-Zentralen bei www.juuuport.de und www.girlspace.de. Möglich ist ebenso, dass man bei den Online-Plattformen selbst Hilfe sucht. Allerdings ist es teilweise langwierig und nervenaufreibend, bis die Facebook-Mitarbeiter reagieren und beleidigende Beiträge aus dem Netz nehmen.

Wer sind Mobber und Trolle wirklich? Was treibt sie an?

Gemobbt wird aus verschiedenen Motiven heraus. Über die Hälfte der Jugendlichen, die selbst jemanden gemobbt haben, nannten in der Studie des „Bündnis gegen Cybermobbing e.V.“ als Spaß oder Langeweile als Ursache. Über ihre tieferen Beweggründe schienen sie sich nicht im Klaren zu sein. Deutlich wurde in der Studie auch, dass Täter- und Opferstatus fließend ineinander übergehen können.

Mehr als ein Drittel der Täter war selbst schon einmal Opfer einer Cybermobbing-Attacke. Hinzu kommt, dass aufgrund der Anonymität im Internet die Hemmschwelle, andere zu attackieren, erheblich geringer ist, denn man wird nicht mit einer direkten Reaktion konfrontiert und muss sich nicht damit auseinandersetzen, was das eigene Verhalten in der anderen Person auslöst. Möglicherweise geht der Cyber-Generation das Gefühl verloren, dass man es mit fühlenden Menschen zu tun hat – und nicht mit Figuren aus Computer-Spielen, die man beliebig oft verletzen und zerstören kann, da sie immer wieder neu geladen werden.

Auch zur Persönlichkeit von „Online-Trollen“ gibt es inzwischen Studien. Forscher befragten Studienteilnehmer, wie viel Zeit sie im Durchschnitt täglich aktiv in Kommentarbereichen von Internetmedien verbrachten – und was sie dort taten. Im Ergebnis zeigte sich, dass „Online-Trolle“ Anzeichen von Sadismus, Psychopathie und Narzissmus zeigten. Sie hatten große Freude daran, andere zu manipulieren und zu verletzen. Außerdem waren sie rachsüchtig, gefühlskalt und von sich selbst eingenommen.

Jeder Täter ist zugleich Opfer

Ganz egal, ob Sie in einem Shitstorm feststecken, gemobbt oder von einem Troll beleidigt werden: Versuchen Sie, einen unverstellten Blick auf die Gründe dafür zu bekommen. Gerade wenn Sie Mobbing oder Troll-Attacken schon eine Weile erleben und Ihr Selbstbewusstsein bereits angegriffen ist, ist es oftmals schwer, sich nicht mit Selbstvorwürfen zu quälen, sondern nach den Motiven des Täters zu fragen. Halten Sie sich dabei stets vor Augen, dass jeder Täter zugleich auch Opfer ist.

Die Tatsache, dass Menschen, die sich als Mobber oder Troll im Netz tummeln, ein Ventil für ihre destruktive Energie haben, die andere zumindest physisch unverletzt lässt, ist natürlich kein Trost für die Opfer – sie ist jedoch nicht von der Hand zu weisen.

Es gibt immer einen Ausweg!

Was auch immer es ist, das Ihren Mobber oder Troll motiviert und bewegt: Denken Sie daran, dass es immer einen Ausweg gibt, ganz egal wie aussichtslos Ihre derzeitige Situation auch erscheint. Zögern Sie nicht sich Hilfe zu holen! Ziehen Sie Ihre Eltern, Freunde oder Lehrer ins Vertrauen, suchen Sie Unterstützung bei einer der Hilfsorganisationen oder holen Sie sich rechtlichen Beistand – aber wehren Sie sich!

Seien Sie überzeugt, dass Sie die Kraft und die Möglichkeit haben, das zu ändern und zu beenden, was Ihnen widerfährt. Nehmen Sie den Kampf um Ihre Würde in die eigenen Hände und lassen Sie sich helfen!

Quelle: Sandra Maxeiner, Hedda Rühle (2014), Dr. Psych’s Psychopathologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Band 1 (ISBN: 978-3-9523672-0-9) und Band 2 (ISBN: 978-3-9523672-1-6)



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