TU Berlin: Und dann wird das Rübchen gemolken

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Foto: TU-Pressestelle/Dahl

Goethe aß das Teltower Rübchen mit Vorliebe. Ob das Universalgenie auch ein naturwissenschaftliches Interesse an ihm hatte, ist indes nicht überliefert. Iryna Smetanska wiederum ist die kulinarische Seite des Rübchens nicht besonders wichtig. Die Lebensmitteltechnologin hat ein Auge auf das kleine Gemüse geworfen, weil es vor Glucosinolaten nur so strotzt. In 100 Gramm Teltower Rübchen finden sich bis zu 800 Milligramm dieser Substanz.

Glucosinolate gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen. Das sind jene Stoffe, die für die Pflanze erst dann lebensnotwendig werden, wenn Feinde abzuwehren sind. Aber da seit Anfang der 1990er Jahre bestimmten Glucosinolaten eine Krebs vorbeugende Wirkung vor allem im Dickdarm nachgesagt wird, sind sie zum Objekt wissenschaftlicher Neugierde geworden und haben es zu einiger Berühmtheit gebracht.

Glucosinolate kommen hauptsächlich in Kohlgemüsearten vor wie Brokkoli, Blumen- und Rosenkohl, Kohlrabi, Meerrettich und Rüben. Sie sind es übrigens auch, die den typischen, leicht bitter-scharfen Kohlgeschmack ausmachen.

Iryna Smetanska arbeitet in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Projekt mit. Pflanzenphysiologen, Lebensmitteltechnologen und -chemiker, Ernährungswissenschaftler und Mediziner haben vor, ein Lebensmittel zu entwickeln, das vor Darmkrebs schützt. Die aus Kiew stammende Wissenschaftlerin wird sich mit zwei Aufgaben beschäftigen: Zum einen will sie effektive Technologien finden, mit denen gesundheitsfördernde Substanzen wie die Glucosinolate synthetisiert werden können, um sie als Ausgangsstoff für die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwenden zu können. Zum anderen soll mit Hilfe dieser Technologien die Konzentration dieser Stoffe in den Pflanzen erhöht werden. Denn die Dosis macht nicht nur das Gift, sondern auch die Krebs präventive Wirkung. Herauszufinden, wie hoch die tägliche Dosis an Glucosinolaten sein sollte, ist ebenfalls Ziel der Forschungen, jedoch die Aufgabe der beteiligten Mediziner und Ernährungswissenschaftler.

Der herkömmliche Weg an die pflanzlichen Inhaltsstoffe heranzukommen – Zerkleinerung und mechanische sowie enzymatische Aufspaltung der Pflanze beziehungsweise Zelle – ist enorm zeit- und materialintensiv. Zusammen mit den Kollegen vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Großbeeren bei Berlin hat Iryna Smetanska deshalb eine neue Methode entwickelt: Die wertvollen Pflanzensubstanzen werden nicht mehr direkt aus der Zelle gewonnen, sondern über die Ausscheidungen der Zelle.

Die Pflanze dient als Fabrik

Dafür ließen die Wissenschaftler die Teltower Rübchen nicht in Erde wachsen, sondern auf Styroporplatten. Oberhalb der Platten streben die Blätter gen Licht, unterhalb breitet sich ein dichtes Wurzelgeflecht aus. Die Wurzeln hängen frei im Raum und können sich dadurch rasend schnell entwickeln. Schon nach kurzer Zeit sehen sie aus wie die an Bäumen wachsenden Bartflechten.

Über die Styroporplatten werden die Wurzeln mit einer Nährlösung aus anorganischen Substanzen wie Stickstoff oder Schwefel versorgt. Daraus stellt die Pflanze die Glucosinolate her und scheidet sie über die Wurzeln in Stresssituationen aus. Denn Glucosinolate werden – wie bereits erwähnt – von der Pflanze als Waffe eingesetzt, zur Abwehr von schädlichen Insekten, Bakterien und Pilzen. Diesen Ausscheidungsprozess über die Wurzeln haben sich Smetanska und die Wissenschaftler vom Leibniz-Institut zu Nutze gemacht. „Mit Hitze, Kälte oder Trockenheit versetzen wir die Pflanzen künstlich in Stress, um sie zur Synthese der Glucosinolate anzuregen und melken sie dann regelrecht“, sagt Smetanska. Als sie ihre Forschungen dazu begann, gab es in der Literatur nichts, worauf sie sich hätte stützen können. Dass dieser Kreislauf funktioniert, haben sie und die „Leibnizer“ herausgefunden. Seit 2007 ist dieses „Biomanufactoring-Verfahren“ als Patent beim Deutschen Patentamt angemeldet.

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