Kontroverse um Jamalas Siegerlied

Jamala verneint vehement, dass ihr Lied ein politischer Angriff an Russland sei. Sie sagt: „Ich möchte Frieden und Liebe für jeden!“.
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Der Sieg von Jamala löst heftige Reaktionen aus.Foto:  Maja Suslin/dpa
Epoch Times15. Mai 2016
Dass die Ukrainerin Jamala mit einem melancholischen Lied Russland den sichergeglaubten ESC-Sieg in der letzten Sekunde entreißen konnte, sorgt für Entsetzen in Moskau. Denn Kritiker sehen nicht nur den Inhalt des Liedes als politischen Affront, sondern wittern auch Betrug bei der Jury-Wertung.

Was ist der politisch-historische Hintergrund des Liedes „1944“?

Im Jahr 1944, während des Zweiten Weltkriegs, wurden knapp 200 000 Krimtataren und Vertreter anderer Minderheiten wegen angeblicher Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern von der Schwarzmeer-Halbinsel vor allem ins heutige Usbekistan in Zentralasien zwangsumgesiedelt. Faktisch konnten die Menschen erst mit der Reformpolitik von Kremlchef Michail Gorbatschow und mit der offiziellen Aufhebung des Rückkehrverbots 1989 heimkehren. Die Sängerin Jamala selbst ist auch im zentralasiatischen Kirgistan geboren. An diesem Mittwoch begeht die Ukraine den jährlichen Gedenktag der Deportation. Jamala verneint vehement, dass ihr Lied ein politischer Angriff an Russland sei. Sie sagt: „Ich möchte Frieden und Liebe für jeden!“.

Wo steht der Konflikt um die Krim und die Ostukraine zur Zeit?

Die Halbinsel mit etwa zwei Millionen Bewohnern ist seit 2014 von Russland annektiert. Aktivisten der Krimtataren klagen über Verfolgung. Vor allem, nachdem ihre Selbstvertretungen – die Medschlis – verboten wurden. Die russischen Behörden werfen ihnen Terrorismus und Islamismus vor. In der Ostukraine herrscht hingegen weiter eine brüchige Waffenruhe. Weitere Schritte in Richtung Wahlen und einer anschließenden Re-Integration der Gebiete werden vom Westen gefordert. Sie sind politisch derzeit aber kaum durchsetzbar.

Wie reagiert Russland auf den ukrainischen Sieg?

Russische Abgeordnete kritisieren den Sieg der Ukraine als politisch motiviert. Das Lied sei kein Beitrag für den gesamteuropäischen Kulturdialog, den sich der Wettbewerb auf die Fahnen geschrieben habe, sagte der einflussreiche Außenpolitiker Alexej Puschkow am Sonntag. Der ESC verwandele sich in ein politisches Schlachtfeld. Ein Politiker der moskautreuen Führung der Halbinsel Krim sprach von einem „Ergebnis der antirussischen Politik“. Der Westen habe einer „ukrainischen Erpressung“ nachgegeben.

Was sagen ukrainische Politiker?

Auch weil die Ukraine sich 2015 wegen des Konflikts eine Teilnahme finanziell nicht leisten konnte, feiern ihre Politiker den Sieg als Triumph über Moskau. Präsident Petro Poroschenko war einer der ersten, der Jamala zu ihrem Sieg gratulierte. „Die ganze Ukraine dankt dir von Herzen, Jamala!“, twitterte der Staatschef. Außenminister Pawel Klimkin lieferte neben Glückwünsche auch noch eine politische Ansage: „Die Wahrheit gewinnt immer, wie Jamala und die Ukraine heute Nacht. … Und nicht vergessen, die Krim gehört zur Ukraine.“

Wie haben beide Länder für einander abgestimmt?

Jamala erreichte die russischen Zuschauer. Zehn Punkte gab es von den Fans aus Russland, während die vom staatlichen Fernsehsender eingesetzte Jury den ukrainischen Beitrag komplett ignorierte. Umgekehrt gab das Publikum trotz politischer Streitigkeiten fast die Höchstpunktezahl. Gleich zwölf Punkte gab es von den ukrainischen Zuschauern an die russischen Nachbarn. Die Jury in Kiew war jedoch unbeeindruckt vom Poplied des Russen Sergej Lasarew.

Verka Serduchka verlas am ESC-Abend die Resultate der Ukraine. Der Beitrag des Künstlers 2007 war umstritten – warum?

Verka Serduchka belegte 2007 in Helsinki mit dem sinnfreien Songtitel „Dancing Lasha Tumbai“ den zweiten Platz. Da man es als auch als „Russia Goodbye“ (Auf Wiedersehen, Russland) verstehen könnte, erhielt Serduchka ein mehrjähriges, bis 2014 dauerndes inoffizielles Auftrittsverbot im Nachbarstaat. Inzwischen tritt der Künstler, der mit bürgerlichem Namen Andrej Danilko heißt, auch bei Parties reicher Russen auf – was ihm von Nationalisten im Heimatland zum Vorwurf gemacht wird.

(dpa)

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