Wirbel in Isny um Stadttor und Stararchitekt Peter Zumthor

In Isny, einer Kleinstadt im Allgäu, streitet man derzeit darüber, ob man mit einem Baukunstwerk des Schweizer Stararchitekten Peter Zumthor eine Innovation wagt, oder doch lieber alles beim Alten lässt.
Titelbild
Der Architekt Peter Zumthor erklärt sein Modell. Peter Zumthor soll das Neue Stadttor von Isny im Allgäu bauen. Fotos: Laura Loewel
Von 4. Februar 2012

 

Ein starkes Stück Architektur, dieser Entwurf von Peter Zumthor. Da hat sich selbst Bürgermeister Bernd Magenreuter die Augen gerieben, als er zum ersten Mal damit konfrontiert wurde.

Doch mittlerweile hat er ihn verstanden und ist einer der glühendsten Verfechter des Projekts. Er glaubt fest daran, dass das Neue Stadttor Isny der Stadt ein zukunftsweisendes Alleinstellungmerkmal verschaffen wird. Und die Tradition, das Bürger in Isny prägende Bauten errichteten, würde so mit zeitgemäßen Mitteln fortgesetzt.

Den eigenwilligen Schweizer Raum-Magier Peter Zumthor gewonnen zu haben ist ein besonderer Glücksfall für Isny im Allgäu. Denn der weltweit gefragte Pritzker-Preisträger leistet es sich sonst, auch Scheichs mit millionenschweren Angeboten in die Wüste zu schicken: Zumthor nimmt nur Aufträge an, die ihn als Künstler und Mensch interessieren. Der Wiederaufbau eines Stadttores wurde noch nie an den Stararchitekten herangetragen – da war er sofort dabei.

Neues Stadtor von Isny als Modell - ob es umgesetzt wird? Fotos: Laura LoewelNeues Stadtor von Isny als Modell – ob es umgesetzt wird? Fotos: Laura Loewel

Ein Turm aus gläsernen Ziegeln

Aus durchsichtigen Glasziegeln und schwarzem Mörtel soll das Kunstwerk im Verbund gemauert werden, ganz traditionell allgäuerisch. Glas wird in der Region hergestellt, was ebenfalls eine Verbindung zur Geschichte hat. Die Höhe orientiert sich an der des früheren Stadttores, mit 35 Metern  wäre es der im Durchmesser mächtigste, aber nur vierthöchste Turm im Stadtbild von Isny.

Auf drei Säulen steht das Gebäude, die nach obenhin miteinander verschmelzen zu einer Innenraumetage, die ein Restaurant beherbergen soll mit Aussichtsmöglichkeit. Darüber schwebt an Stangen verankert ein weiterer Raum in Form einer Holzkugel. In dieser riesigen „Kastanie“ könnten  kulturelle Veranstaltungen für bis zu 120 Personen stattfinden. Obwohl Peter Zumthor, der für sein langes Nachdenken und die unergründliche Intuition hinter seinen Arbeiten berühmt ist, den Isnyern bereits angeboten hat, beim Erstellen eines Nutzungskonzepts behilflich zu sein, ist die Nutzung des Bauwerks noch ein besonders empfindlicher Punkt für die Skeptiker. Schließlich schafft man sich in Schwaben nichts an, was man nicht braucht …

In Isny ist nicht wirklich viel los

Aber ein Alleinstellungsmerkmal wie dieses Bauwerk bräuchte Isny im Allgäu dringend, wenn es nach den Befürwortern geht. Jede umliegende Kleinstadt legt sich gerade ein solches zu, in Form von Freizeitparks und Ähnlichem – kein Wunder, alle Orte hier im Allgäu sind mehr oder weniger historisch und idyllisch, aber auch klein und in Gefahr zu überaltern. Dass durch Abwanderung der Jugend die Wirtschaftskraft in Isny schleichend schwindet, ist nur eine Frage der Zeit, haben Gutachten ergeben. Und besser wird es nicht, wenn sich in Isny weiter hin nichts tut. Da möchte der engagierte Bürgermeister Bernd Magenreuter und einige Gemeinderatmitglieder mit ihrem Stadtentwicklungskonzept gegensteuern und für Isnys touristische Zukunftstauglichkeit sorgen.

Entschlossene Unternehmer nehmen was in die Hand

Den Kontakt zu Peter Zumthor stellten die Gebrüder Immler her, Isnyer Unternehmergrößen aus dem Bau- und Immobiliebgewerbe. Als man den Neubau eines fehlenden historischen Stadttors andachte,  hatten sie vorgeschlagen, den vorhandenen Etat von 5000 Euro nicht für einen Architekturwettbewerb zu verschwenden (da würden sowieso nur Praktikantenarbeiten eingereicht), sondern damit gleich den Entwurf eines Stararchitekten zu finanzieren.

Karl und Jakob Immler haben in Isny viel investiert und restauriert und dazu beigetragen dass der Ort sein heutiges Gesicht hat. Und wer mit ihnen spricht, nimmt eine gewisse Seelenverwandschaft mit dem Schweizer Architekturgenie wahr, denn auch diese beiden sind introvertierte Visionäre, sehr geschichtsbewusst und machen keine halben Sachen. Der herausragende künstlerische Wert von Zumthors Arbeiten und ihre Ausstrahlung steht für sie außer Frage und schon gar nicht deren wirtschaftliche Erfolgsgarantie, für die die Therme Vals oder die Feldkapelle in Mechernich-Wachendorf augenfällige Beispiele sind.

Die Gebrüder Immler sagen, dass das Bauwerk in Isny auf jeden Fall die gewünschten Veränderungen bringen und der Innenstadt und der ansässigen Gastronomie die nötige Belebung bringen wird. Sie haben das Ganze schon mal vorsichtig durchgerechnet und kamen auf zusätzliche Steuereinnahmen von 150 000 Euro pro Jahr die in die Kassen der Stadt Isny fließen würden. Wenn das neue Stadttor Isny wirklich käme, wäre es eine Attraktion, die jeder gesehen haben muss. Und auch, wenn jemand ganz ohne Architekturverständnis die Stadt nur deshalb besuchen sollte, um zu sehen, was für ein unmögliches Ding sich die Isnyer da gebaut haben, würde er dort einen Kaffee trinken gehen und für Umsatz sorgen. Die Finanzierung wird sowieso von privaten Investoren übernommen werden.

Unternehmer, die eine Verbindung zur Region Allgäu und ein Interesse an ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Gesundheit haben. Da gibt es so einige in Baden-Württemberg, für die die prognostizierten 20 Millionen Euro Baukosten eine realistische Summe sind. Nur tragen diese ihr Vermögen nicht offen zur Schau.

Stararchitekt Peter Zumthor indes machte er in der letzten öffentlichen Diskussionsrunde vor dem Bürgerentscheid in Isny deutlich, dass er das Tor nur bauen wolle, wenn er die Bevölkerung auf seiner Seite habe. Er will sein Projekt als Bereicherung für die Gemeinschaft verwirklicht sehen, anderenfalls stünden er und sein Entwurf auch für private Investoren nicht mehr zu Verfügung.

Das Problem: Die Verständigungslücke

Die Stadt muss sich nun entscheiden, ob sie sich das kantige, aber weltweit einzigartige Wahrzeichen zulegen möchte oder nicht. Die Bevölkerung in Isny ist gespalten und die Diskussionen darüber hochemotional. Wenige Tage vor dem Bürgerentscheid am 05.02.2012  wird in  Leserbriefen gestritten, verteilen Gegner Flugblätter und kleben Plakate, haben wieder andere ihre Pro-Statements in einem Schaufenster veröffentlicht. Eine schwierige Situation.

Vielleicht waren die Begeisterten am Anfang ein wenig zu forsch, denn fast sieht es so aus, als wäre versucht worden, das fremdartige Bauwerk den Ur-Isnyern als Allheilmittel zu verkaufen, was die Fronten unnötig verhärtet hat. Die Frage lautet demnach auch: „Sind sie dafür, dass sich die Stadt Isny in das Zukunftsprojekt Neues Stadttor Isny weiter einbringt?“ Denn schließlich sind die Kosten für den städtischen Haushalt, auch wenn sie in Relation zum Nutzen gering sind, neben der Angst vor Neuem, genau der psychologische Punkt, der die Gegner verunsichert.

Auch falls es nicht gebaut wird, hat die ganze Diskussion nach innen und außen gewirkt. Menschen, die sich bisher keine solchen Gedanken gemacht haben, haben begonnen zu erkennen, das Veränderungen unumgänglich sind, soll der 15.000 Einwohnerort lebendig und wirtschaftlich stark bleiben. Im Außen hat allein die Berichterstattung in den Medien Isny bereits deutlichen Mehrwert gebracht: Den organisatorischen Kosten von 270 000 Euro für Entwurf, Präsentationen und Gutachten stehen 243 Artikel in überregionalen Zeitungen und damit PR im Wert von rund 355 000 Euro gegenüber, die als Nebeneffekt des kreativen Prozesses entstand. Und es kann sich noch viel ändern, auch am Entwurf. Wie sagt der Stararchitekt Peter Zumthor so schön: „Ich ziehe es vor, zusammen mit dem Klienten ein Gebäude zu entwickeln, in einem langen Prozess, bei dem alle etwas klüger werden.“

 



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