Gabriel: Ruf nach Reformen an der Agenda 2010 ist „mehr als berechtigt“

Es sei "mehr als berechtigt", darüber nachzudenken, welche der Reformen dazu führten, "dass Menschen zu früh von Qualifizierung, Fortbildung und dem Arbeitsmarkt ferngehalten werden", sagte Außenminister Gabriel den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Mittwoch.
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Hartz IV.Foto: Jens Büttner/Illustration/dpa
Epoch Times22. Februar 2017

Der scheidende SPD-Chef Sigmar Gabriel stellt sich demonstrativ hinter die von Kanzlerkandidat Martin Schulz geforderten Korrekturen an der Agenda 2010. Es sei „mehr als berechtigt“, darüber nachzudenken, welche der Reformen dazu führten, „dass Menschen zu früh von Qualifizierung, Fortbildung und dem Arbeitsmarkt ferngehalten werden“, sagte Gabriel den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Mittwoch. Für Diskussionen sorgte weiterhin das Thema befristete Arbeitsverträge.

Schulz, der neben seiner Kanzlerkandidatur auch Gabriel als SPD-Chef ablösen soll, hatte am Montag für den Fall seines Wahlsiegs eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I sowie Änderungen bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen in Aussicht gestellt. In der Union und im Arbeitgeberlager stieß der Vorstoß auf scharfe Kritik.

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Reiner Hoffmann, begrüßte, dass Schulz die Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zum Thema gemacht habe. Mittlerweile seien in Deutschland deutlich mehr junge Menschen befristet beschäftigt als noch vor ein paar Jahren. Das vertrage sich nicht mit dem Arbeitnehmer-Schutz.

Schulz will den Arbeitgebern die Möglichkeit nehmen, Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund für bis zu zwei Jahre zu befristen. Der Experte des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Christian Hohendanner, äußerte in der „Süddeutschen Zeitung“ vom Mittwoch große Zweifel, ob dies wirken kann. Der Wissenschaftler nannte es „naiv“ zu glauben, dass Betriebe wegen des Wegfalls des Instruments der Befristung „automatisch mehr Beschäftigte gleich dauerhaft anstellen“.

Vielmehr könnten Arbeitgeber dann mehr Leiharbeiter einsetzen, Arbeitsbereiche auslagern oder Mitarbeiter frei auf Honorarbasis beschäftigen, sagte Hohendanner.

Nach IAB-Berechnungen sank der Anteil der befristeten Stellen zuletzt leicht. In den Jahren 2011 und 2012 waren demnach ohne Auszubildende 8,4 Prozent der Arbeitsverträge befristet. Im Jahr 2015 waren es nur noch 8,0 Prozent. In den Jahren vor 2011 lagen die Zahlen allerdings zum Teil deutlich unter diesem Wert.

Linken-Chef Bernd Riexinger nannte die IAB-Zahlen „Augenwischerei“. Der leichte Rückgang im Jahr 2015 sei noch kein Anlass zur Freude, erklärte er in Berlin. Nach wie vor befänden sich viel zu viele Arbeitnehmer, gerade auch jüngere, in befristeten Arbeitsverhältnissen. Seine Partei forderte „die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, da sie ein Instrument unternehmerischer Willkür ist“, so der Linken-Vorsitzende.

Grünen-Fraktionsvize Kerstin Andreae sagte „Focus Online“, Schulz solle bei seinen Forderungen „nicht vergessen, dass seine SPD in der Bundesregierung sitzt und die Arbeits- und Sozialministerin stellt“. Es sei „unseriös, sich frei zu machen von jeder Regierungsverantwortung“. Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen hätte die große Koalition „schon lange“ angehen können. Ministerin Andrea Nahles (SPD) habe dazu aber keinen Vorschlag vorgelegt. (afp)



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