Medienversagen in Flüchtlingskrise: „Losungen der politischen Elite“ unkritisch übernommen – 34.000 Artikel ausgewertet

Die Berichterstattung deutscher Tageszeitungen während der Flüchtlingskrise habe versagt, konstatiert Professor Michael Haller. 82 Prozent der Beiträge zur Thematik seien „positiv konotiert“. In einer Studie wurden Zigtausende Artikel von bekannten deutschen Zeitungen der vergangenen zwei Jahre ausgewertet.
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Zeitungen und Zeitschriften an einem KioskFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times20. Juli 2017

Deutsche Tageszeitungen haben während der Flüchtlingskrise der Jahre 2015 und 2016 bei der kritischen Berichterstattung versagt. Professor Michael Haller, der Leiter der Studie der Studie der Hamburg Media School und der Uni Leipzig, sagt „Große Teile der Journalisten haben ihre Berufsrolle verkannt und die aufklärerische Funktion ihrer Medien vernachlässigt.“

Insgesamt 82 Prozent aller Beiträge zur Flüchtlingsthematik seien „positiv konnotiert“ gewesen, zwölf Prozent rein berichtend und sechs Prozent hätten die Flüchtlingspolitik problematisiert, hieß es im August 2016 in einem Zwischenbericht der Medienstudie von Prof. Haller.

Die Forscher werteten laut Bericht mehr als 34.000 Artikel aus der WELT, der „Süddeutschen Zeitung“, der „Bild“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sowie zahlreicher Regionalzeitungen aus. Die „Zeit“ als Wochenzeitung kommt in der Untersuchung nicht vor.

Die „Mainstreammedien“ hätten im Chor die Positionen Angela Merkels Flüchtlingspolitik wiedergegeben und „Losungen der politischen Elite“ unkritisch übernommen. Verbreitet wurde eine „euphemistisch-persuasive Diktion“ des Begriffs der Willkommenskultur, so die Studie.

Pseudo-moralische Daumenschrauben durch die vierte Gewalt

So sei der Begriff der „Willkommenskultur zu einer Art Zauberwort verklärt“ worden, mit dem „freiwillig von den Bürgern zu erbringende Samariterdienste moralisch eingefordert werden konnten“.

Die „FAZ“ beleuchtete am 3. September 2016 ein Jahr lang Berichterstattung rund um Flüchtlingskrise, Kölner Silvesternacht und Terror-Anschläge und kam zu dem Schluss: Merkels Positionen seien „wenig hinterfragt“ worden. „Von journalistischer Distanz keine Spur.“ Die Medien hätten sich das Motto der Bundeskanzlerin – „Wir schaffen das!“ – zu Eigen gemacht. Es wurde übersehen, so Haller, am Anfang, „dass die Aufnahme von Flüchtlingen in großer Zahl und die Politik der offenen Grenzen die Gesellschaft vor neue Problemen stellt“.

„Ohne die monatelange wohlwollende Berichterstattung, die ein Sorgen, Kritik und Ängste weglächelndes Willkommensklima medial verstärkte“, seien „die Wegduckreflexe“ nach der Silvesternacht von Köln kaum zu erklären gewesen, schreibt die „FAZ“, die auch die Krawalle von Heidenau mitverantwortlich machte.

„Schreckliche Erscheinungsform des Rudeljournalismus“

Schon im Juni 2016 hatte sich ein Mitglied der „STERN“-Chefredaktion, Hans-Ulrich Jörges, kritisch bei einer Podiumsdiskussion geäußert. Er sagte laut „Neopresse“:

„Es ist etwas faul in unserer Branche. […] Vor allem was die schreckliche Erscheinungsform des Rudeljournalismus angeht. Wir haben es mit einer veränderten Medienhierachie zu tun. Es sind die Online-Medien, die mittlerweile den Takt vorgeben. Was am Morgen Top-Thema bei Spiegel Online ist, läuft am Abend ihn ähnlichem Stil in der Tagesschau. Wir lügen nicht – wir sind schlampig, denkfaul und ein bisschen propagandistisch.“ Prof. Haller meint, eine „Sinn- und Strukturkrise“ habe die Medienbranche erfasst. (aw)

Siehe auch:

Objektive Berichterstattung? – Studie zeigt: Leitmedien berichteten einseitig über Asylkrise



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