IS-Mädchen Safia S. vor Gericht: Sie sagte nur einen einzigen Satz

Acht Monate nach der Messerattacke einer radikalisierten Schülerin auf einen Polizisten in Hannover hat der Prozess gegen die 16-Jährige begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft der Deutsch-Marokkanerin Safia S. versuchten Mord und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
Titelbild
Polizisten stehen vor Prozessauftakt am Eingang zum Oberlandesgericht in Celle.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Epoch Times21. Oktober 2016

Safia S. betritt den Saal mit dezentem beigen Kopftuch, sie trägt einen modischen Strickpullover und eine nicht minder zeitgemäße schwarze Brille. Die Schülerin wirkt zurückhaltend, ihr Blick ist leicht gesenkt. Nur einmal ergreift die 16-Jährige am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht Celle kurz das Wort. Als der Vorsitzende Richter Frank Rosenow sie fragt, ob sie geduzt oder gesiezt werden wolle, antwortet sie: „Safia und Du reicht auch.“

Mehr wird die Öffentlichkeit von Safia S. weder hören noch sehen. Gleich danach schließt das Gericht alle Zuhörer kategorisch aus. Die Schutzbestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes bei jungen Angeklagten sind eindeutig. „Es gilt, die Angeklagten vor weiterer Bloßstellung und damit verbundener Stigmatisierung zu schützen“, sagt Rosenow.

Bundesanwaltschaft geht von radikal-islamistisch motivierter Tat aus

Ende Februar stach Safia S. im Hauptbahnhof von Hannover einen Bundespolizisten bei ein Kontrolle ein Gemüsemesser in den Hals und verletzte ihn lebensgefährlich. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft, die die Anklage vertritt, war es eine gezielte Terrorattacke, verübt im Auftrag der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS).

„Ich gehe davon aus, dass die Tat radikal-islamistisch motiviert war“, sagt deren Vertreter, Oberstaatsanwalt Simon Henrichs, am Donnerstag am Rande des Verfahrens.

Henrichs zeigt sich überzeugt, dass Safia S. von IS-Mitgliedern zu einer „Märtyrertat“ in Deutschland motiviert und dabei angeleitet worden sei. Die Anklage lautet unter anderem auf versuchten Mord sowie Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.

Nach Darstellung der Bundesanwaltschaft hatte sich die deutsch-marokkanische Jugendliche spätestens rund drei Monate vor dem Angriff mit der Ideologie des IS identifiziert und war auf eigene Faust in die Türkei gereist, um von dort weiter in IS-Gebiete in Syrien zu gelangen. Zwar fing ihre Mutter sie ab und brachte sie Ende Januar zurück nach Hannover. Doch schon in der Türkei soll Safia von IS-Mitglieder zu einem Anschlag angestachelt worden sein.

Angriffe wie die von Safia S. – ohne viel Aufwand verübt von Einzeltätern mit zu Waffen umfunktionierten Alltagsgegenständen – sind ein Alptraum für die Sicherheitsbehörden. Als „einsame Wölfe“ werden sie bisweilen bezeichnet. Sich unauffällig radikalisierende Jugendliche gelten als besonderes Problem. Auch der 17-Jährige, der im Juli in einem Zug in Würzburg vier Menschen mit einer Axt verletzte und sich zum IS bekannte, passt in dieses Raster.

Verteidiger verweist auf Entschuldigungsbrief als „untypisch“ für Attentäter

Aber war es im Fall von Safia S. wirklich so? Für ihren Verteidiger ist längst nicht ausgemacht, dass es sich bei ihr um eine zu allem entschlossene junge Islamistin handelt.

Der Beweis für eine IS-Fernsteuerung sei für ihn ebenfalls nicht erbracht, betont Anwalt Mutlu Günal am Donnerstag in Celle. „Der Akteninhalt gibt das nicht her.“ Das Motiv für den Angriff sei „eben nicht klar“. Er verweist auf einen Entschuldigungsbrief, den Safia S. an den von ihr verletzten Beamten geschrieben habe. Es sei „relativ untypisch, dass sich vermeintliche Attentäter dann später bei ihren Opfern entschuldigen“.

Die Bundesanwaltschaft wiederum ist sich sicher. Am Tag vor dem Angriff hatte Safia S. laut Anklage ihre Vorgehensweise per Internet-Messenger mit ihren IS-Kontaktleuten besprochen und ihnen ein selbstgemachtes Bekennervideo geschickt. Dies und die Tatsache, dass die unscheinbare Jugendliche eigentlich für eine „Märtyreroperation“ vorgesehen gewesen sei, könne bedeuten, dass sie womöglich gar Schlimmeres plante und sterben wollte.

In dem vom Gericht zunächst bis Ende Januar angesetzten Verfahren ist ein 20-jähriger Bekannter von S. mitangeklagt. Der Deutsch-Syrer, der ebenfalls aus Hannover stammt, muss sich wegen Nichtanzeigens einer geplanten Straftat verantworten, weil er von ihren Plänen gewusst haben soll. (afp/dk)



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