Leitfaden für Lehrer: „Was können Sie tun, wenn Sie die Abschiebung verhindern bzw. nicht unterstützen wollen?“

Wie sollen sich Lehrer verhalten, wenn ihren Schülern die Abschiebung droht? Der Leitfaden der Lehrergewerkschaft GEW gibt da eine klare Antwort: Lehrer sollten versuchen, die Abschiebung zu verhindern und die Polizisten nicht zu unterstützen. Das sei eine Aufforderung zum Rechtsbruch, meint das Stuttgarter Innenministerium.
Titelbild
Eine "Willkommensklasse" für Migranten an einer Berliner Schule (Symbolbild).Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 15. August 2017

Die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern ist für Lehrer und Schüler psychisch belastend, schreibt die Lehrergewerkschaft „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“ (GEW). Deswegen veröffentlichte sie Ende Juli den Leitfaden „Handlungsanleitung bei drohender Abschiebung eines Kindes oder eines Jugendlichen“.

In ihr erhalten Pädagogen Tipps zu der Frage: „Was können Sie in dieser Situation tun, wenn Sie die Abschiebung verhindern bzw. nicht unterstützen wollen?“

Das Stuttgarter Innenministerium reagierte empört und warf der GEW eine Aufforderung zum Rechtsbruch vor. Staatssekretär Martin Jäger forderte die Landeschefin der Gewerkschaft auf, den Leitfaden von der Seite der GEW zu nehmen. Die „Welt“ berichtete am Sonntag.

Doch die Landeschefin, Doro Moritz, weigert sich. Der Leitfaden sei von mehreren Rechtsanwälten überprüft worden und ermutige die Lehrer nur, den Rechtsweg voll auszuschöpfen, so Moritz.

Was steht im Leitfaden?

Die zweiseitige „Handlungsanleitung“ für Lehrer wurde zusammen mit dem baden-württembergischen Flüchtlingsrat erstellt. Darin steht, dass die Schulleitung nicht mit der Polizei kooperieren müsse. Lehrer sollten aber den betroffenen Jugendlichen im Falle einer polizeilichen Anfrage informieren:

Es besteht keine Schweigepflicht. Das Verbot, eine Abschiebung vorher anzukündigen, betrifft nur die Ausländerbehörde. Der Unterrichtende hat auch keine Sanktionen zu befürchten, falls aufgrund seiner Informationen die geplante Abschiebung nicht oder nicht wie vorgesehen durchgeführt werden kann.“

(Handlungsanleitung bei drohender Abschiebung eines Kindes oder eines Jugendlichen, GEW)

Zudem sollten Lehrer einen Anwalt verständigen, Familienangehörige und Unterstützer informieren und die Presse holen.

Zusätzlich sollten die Pädagogen die Voraussetzungen für eine Abschiebung prüfen. Falls Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebung bestünden, sollte der abgelehnte Asylbewerber oder ein durch schriftliche Vollmacht Beauftragte einen formlosen Antrag an das Verwaltungsgericht richten, um „die Abschiebung einstweilen zu untersagen“.

Ein Anwalt solle währenddessen Klage einlegen, einen Härtefallantrag stellen oder Abschiebehindernisse, wie zum Beispiel Krankheit, geltend machen.

Da Anwälte bezahlt werden müssen, werden Lehrer ermutigt, Geld zu sammeln:

Anwälte kosten in der Regel. Sammeln Sie Geld (Spendenfonds, Solidaritätskonto) für die rechtsanwaltliche Unterstützung (z. B. im Unterstützernetzwerk im Kollegium, über Benefizveranstaltungen, usw.). Erörtern Sie, ob Kirchenasyl eine Option ist.“

(Handlungsanleitung bei drohender Abschiebung eines Kindes oder eines Jugendlichen, GEW)

Nach der Ablehnung ihres Asylantrags hätten Asylbewerber Zeit, dagegen zu klagen, meint der Geschäftsführer des hessischen Flüchtlingsrats Timmo Scherenberg. Nach Einreichung der Klage könnten mehrere Monate vergehen, bevor die Verwaltungsgerichte eine rechtskräftige Entscheidung treffen.

Lehrer sollten während dieser Zeit aktiv werden und den Aufenthalt der Jugendlichen in Deutschland sichern. Denn: Abgelehnte Asylbewerber hätten einen Anspruch auf Duldung, wenn sie eine Lehre aufnehmen, heißt es im Leitfaden. „Geflüchtete Jugendliche können schon vor der rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts mit Erlaubnis der Ausländerbehörde eine Ausbildung beginnen.“

Jäger: „Leitfaden ermutigt Angehörigen öffentlichen Dienstes, gegen behördliche Entscheidungen vorzugehen“

Die „Handlungsanleitung“ ermutige die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, gegen behördliche Entscheidungen vorzugehen, beklagt Staatssekretär Jäger laut der „Welt“.

Das könnte den Schülern ein schlechtes Bild liefern: „Nicht außer Betracht bleiben darf, welches Rechtsstaatsverständnis Schülern vermittelt wird, wenn in der Schule auf solche Weise der Vollzug von Gesetzen verhindert werden soll“, so Jäger.

GEW fordert Ausbildungsrecht für ausreisepflichtige Asylbewerber

Die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz sieht das anders. Während der Ausbildung sollte Jugendlichen ein Bleiberecht eingeräumt werden: „Es darf nicht sein, dass die jungen Leute während der Ausbildung, auch nicht in schulischen Ausbildungsgängen, abgeschoben werden. Bildung ist das, was wir den jungen Menschen geben können, ganz egal, ob sie bei uns bleiben oder ob sie die Bildung in ihrem Herkunftsland unterstützend einbringen und persönlich eine Perspektive haben“, sagte Moritz Ende Juli bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Eine Abschiebung würde die Motivation und das Engagement der jungen Asylbewerber und der Lehrer zunichte machen. „Da spielen sich große Dramen an den Schulen ab: Verzweiflung und Wut bei den jungen Leuten und ihren Familien, auch bei den Lehrkräften“, so die GEW-Landesvorsitzende.

„Lehrer*innen und Schulleiter*innen sind keine Abschiebehelfer*innen. Sie haben eine Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Schule ein geschützter Ort des Lernens ist und bleibt. Darin wollen wir sie bestärken“, erklärte Moritz. Der Flüchtlingsrat berichtete in einer Pressemitteilung.

Deswegen solle das Schulbesuchsrecht auf 25 Jahre ausgedehnt und die Abschiebung aus Schulen abgeschafft werden, fordern die GEW und der Flüchtlingsrat.

§ 258 (StGB) zur Strafvereitelung

Im Paragraph 258 des Strafgesetzbuchs steht dazu:

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

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