Merkel traf Hinterbliebene der Opfer vom Breitscheidplatz: Empörung über selbst zu zahlende Taxis

Zu dem Treffen eingeladen wurden die Hinterbliebenen und damals Verletzten durch einen einfühlsamen Brief des regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller. Wie jetzt bekannt wurde, hatte das Schreiben für die Gäste einen bitteren Beigeschmack.
Epoch Times19. Dezember 2017

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist einen Tag vor dem ersten Jahrestag des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit Angehörigen der Opfer und mit Verletzten zusammengekommen. Das Treffen im Kanzleramt dauerte gut drei Stunden, wie ein Regierungssprecher am Montagabend mitteilte. Die persönliche Begegnung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Angesichts der Kritik von Hinterbliebenen an der Bundesregierung wurden die Betroffenen zu einem weiteren Treffen im nächsten Herbst eingeladen, wie aus Regierungskreisen verlautete. Dann solle es darum gehen, welche Änderungen es in Reaktion auf den Anschlag auf dem Breitscheidplatz gegeben habe.

Zu dem Treffen eingeladen wurden die Hinterbliebenen und damals Verletzten durch einen einfühlsamen Brief des regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller. Doch wie jetzt bekannt wurde, hatte das Schreiben für die Gäste einen bitteren Beigeschmack:

Taxikosten werden nicht erstattet

Die „BILD“-Zeitung, der dieser Brief vorliegt, berichtet von einem „sieben Punkte umfassenden Anhang des Schreibens“, in dem es unter anderem heißt: „Taxikosten werden nicht erstattet. Es müssen öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden.“ Bei der Anreise mit dem Auto sollen lediglich 20 Cent pro Kilometer erstattet werden. Und das auch nur, wenn die Kosten für ein Bahn- oder Flugticket nicht überstiegen werden. Zudem sei immer das preislich günstigste Verkehrsmittel zu wählen, heißt es im Brief.

Die Empörung bei den Hinterbliebenen ist groß, wie etwa bei der Verletzten Silvia B:

„Gerade jetzt, wo sich herausstellt, dass die Behörden und somit der Staat eklatante Fehler gemacht haben, eine Mitschuld tragen, hätte ich mehr Großzügigkeit erwartet.“

Der Schwager der ermordeten Israelin Dalia Elyakim wird wie folgt zitiert: „Sie wollten nur Geld sparen, alles war sehr kalt. Sie haben nicht versucht, uns zuzuhören oder unsere Bedürfnisse zu verstehen. Die Behörden haben mit ihrem Verhalten noch zu unserem Schmerz beigetragen.“

Auf Anfrage der BILD sagt Claudia Sünder, Sprecherin des Senats: „Selbstverständlich finden wir für alle individuellen Bedürfnisse eine Lösung und natürlich unterstützen wir die Betroffenen bei der Organisation ihrer Teilnahme am Gedenktag. Das gebietet schon der Anstand. Das der Einladung beigefügte, zugegeben sehr sachliche Formular für die Rückmeldung ist haushalts- und verwaltungsrechtlich notwendig, da die Senatskanzlei sich an die Vorgaben ordnungsgemäßen Wirtschaftens halten muss.“

Vater von polnischem LKW-Fahrer nennt deutsche Behörden „respektlos“

Am Montag meldeten sich laut „n-tv“ noch einmal die Eltern des von dem Breitscheidplatz-Attentäter getöteten polnischen Lkw-Fahrers Lukasz Urban zu Wort und warfen der Bundesregierung mangelnde Anteilnahme vor. Ihre Familie hätte sich ein „persönliches Kondolenzschreiben“ oder ein ähnliches Signal gewünscht, zitierten sie Janina Urban, die Mutter des getöteten Fahrers, die sich gegenüber der „Deutschen Welle“ geäußert hatte. Sein Vater Henryk Urban nannte die deutschen Behörden „respektlos“. Lukasz Urban war das erste Opfer Amris gewesen.

Merkel hatte vor der Begegnung gesagt, ihr sei „wichtig, dass ich heute noch einmal deutlich mache, wie sehr wir mit den Angehörigen, mit den Verletzten fühlen“. Das Treffen sei ihr „sehr wichtig“, hob die Kanzlerin hervor. Sie wolle den Betroffenen auch versichern, dass die Lage von Anschlagsopfern „mit aller Kraft“ verbessert werden solle. Das gelte auch für all die Fragen um den damaligen Attentäter Anis Amri.

Familien von Opfern hatten der Bundesregierung kürzlich in einem offenen Brief Versäumnisse in der Antiterrorpolitik vorgeworfen, aber auch mangelnde emotionale Unterstützung sowie bürokratische Hemmnisse nach dem Anschlag beklagt. Der von der Regierung als Opferbeauftragter eingesetzte SPD-Politiker Kurt Beck hatte vergangene Woche die Einrichtung spezieller Anlaufstellen schon am Tatort und eine „deutliche Anhebung“ finanzieller Härtefallleistungen für bedürftige Hinterbliebene angemahnt.

Zu dem Treffen mit Merkel zugesagt hatten nach Angaben der Bundesregierung mehr als 80 Menschen, viele von ihnen aus dem Ausland. Bei dem Anschlag am 19. Dezember 2016 waren zwölf Menschen getötet und etwa 70 weitere verletzt worden – einige von ihnen so schwer, dass sie bis heute kein normales Leben führen können.

(afp/mcd)



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