Maas will umstrittenes Zensurgesetz – schnell: Bislang entscheiden in Deutschland nur Richter, was rechtswidrig ist

Nun soll das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen werden. Mit dem neuen Gesetz wird eine US-Firma künftig darüber entscheiden können, was im Netz als Meinungsfreiheit gilt und was "strafbar" ist. Der wichtigste Punkt bleibt aber ungeklärt: In Deutschland können eigentlich nur Richter entscheiden, was rechtswidrig ist.
Titelbild
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD).Foto: Adam Berry/Getty Images
Von 18. Mai 2017

„Unter weitestgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit“, schreibt der deutsche Volkswirt und Wirtschaftsjournalist Norbert Häring auf seiner Webseite, soll das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) am Freitag durchgewunken werden.

Auf 26 Seiten wird beschrieben, wie in Zukunft „die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ verbessert werden soll, damit „objektiv strafbare Inhalte unverzüglich entfernt“ werden.

Der wichtigste Punkt ist ungeklärt: In Deutschland können bislang nur Richter entscheiden, was rechtswidrig ist.

Den Gesetzestext, der am 19. Mai 2017 beschlossen werden soll, finden Sie im Original hier.

Beschwerde und Verurteilung werden Eins

Ein Konzern aus den USA soll künftig nach deutschem Recht entscheiden, was in Deutschland als Meinungsfreiheit gilt und was strafbar ist. Es wird nicht erwähnt, dass es die Möglichkeit falscher Anschuldigungen gibt oder zu Unrecht zensiert wird.

Norber Häring schreibt:

„Gelöscht werden soll, wenn ’sprachlich und juristisch qualifizierte Teams‘ beanstandete Äußerungen geprüft haben, und diese ‚rechtswidrig sind‘. Nicht ‚diese für offenkundig rechtswidrig halten, sondern ‚rechtswidrig sind‘. Meldeten normale Nutzer strafbare Inhalte, dann löschte oder sperrte Facebook davon nur 46 Prozent. Bei Youtube führte nur eine von zehn Meldungen zur Löschung und Twitter handelte sogar nur bei einer von hundert Meldungen.“

Das heißt: „Hier entscheidet also nicht einmal Facebook sondern schon der Nutzer, was rechtswidrig ist. Aber wie kann ein Jurist nur Sätze schreiben, die davon ausgehen, dass Anklage und Feststellung der Schuld ein und dasselbe sind, dass jede Beschwerde berechtigt ist und zur Verurteilung führen muss?“

Was müssen die Netzwerke tun?

Die Plattformen müssen nach dem bisherigen Entwurf nicht nur den originalen Tweet oder Post löschen, sondern alle seine Weiterverbreitungen. Außerdem müssen sie „wirksame Maßnahmen“ ergreifen, damit der Inhalt nicht wieder online erscheint.

Die Gesetzes-Autoren denken dabei an spezielle Filter und schreiben: „Solche Maßnahmen sind insbesondere zur Bekämpfung rechtswidriger Bilddateien technisch möglich und werden bereits heute von sozialen Netzwerken angewandt.“

Weiterhin müssen sie einmal pro Quartal einen deutschsprachigen Bericht über ihre Lösch-Tätigkeit einreichen.

§ 3 Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte

Zitat:
„(1) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks muss ein wirksames und transparentes Verfahren nach Absatz 2 und 3 für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorhalten. Der Anbieter muss Nutzern ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zur Verfügung stellen.
(2) Das Verfahren muss gewährleisten, dass der Anbieter des sozialen Netzwerks
1. unverzüglich von der Beschwerde Kenntnis nimmt und prüft, ob der Inhalt rechtswidrig und zu entfernen oder der Zugang zu ihm zu sperren ist,
2. einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt oder den Zugang zu ihm sperrt; dies gilt nicht, wenn das soziale Netzwerk mit der zuständigen Strafverfolgungsbehörde einen längeren Zeitraum für die Löschung oder Sperrung des offensichtlich rechtswidrigen Inhalts vereinbart hat,
3. jeden rechtswidrigen Inhalt innerhalb von 7 Tagen nach Eingang der Beschwerde entfernt oder den Zugang zu ihm sperrt,
4. im Falle der Entfernung den Inhalt zu Beweiszwecken sichert und zu diesem Zweck für die Dauer von zehn Wochen im Inland speichert,
5. den Beschwerdeführer und den Nutzer über jede Entscheidung unverzüglich informiert und seine Entscheidung ihnen gegenüber begründet und
6. sämtliche auf den Plattformen befindlichen Kopien des rechtswidrigen Inhalts ebenfalls unverzüglich entfernt oder sperrt.
(3) Das Verfahren muss vorsehen, dass jede Beschwerde und die zu ihrer Abhilfe getroffene Maßnahme im Inland dokumentiert wird.“

Wie teuer wird es für ein Netzwerk, wenn es dem nicht folgt?

Zitat: „Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 7 mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, in den übrigen Fällen des Absatzes 1 mit einer Geldbuße bis zu fünf Millionen Euro geahndet werden. §30 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist anzuwenden.“
Zuständig wird das Amtsgericht (ohne weitere Rechtsbehelfe).
Und: „Die Ordnungswidrigkeit kann auch dann geahndet werden, wenn sie nicht im Inland begangen wird.“

Etwas zu den Kosten der Justizbehörde in ihrer „Funktion als Verfolgungsbehörde“

Im Gesetzestext steht: „Nach einer Schätzung des Bundesamtes für Justiz ergeben sich durch die durch den Entwurf eingeführte Funktion als Verfolgungsbehörde zusätzliche jährliche Personalkosten für die Registrierung und Prüfung der Anzeigen, die Führung der Bußgeldverfahren einschließlich der Rechtsmittelverfahren, die Fach- und Rechtsaufsicht, Führungs- und Leitungsaufgaben, Zwangsvollstreckung und Rechnungswesen. Hinzu kommt Personal für den IT-Betrieb.“
Als  Personalkosten sind 3.724.134 Euro vorgesehen, für Schulungen und Übersetzungskosten 300.000 Euro. Für den IT-Aufwand einmalig 350.000 Euro, hinzu kommen jährliche Kosten in Höhe von 25.000 Euro. Weitere Kosten fallen durch zusätzliche Gerichtsprozesse an.

Presseerklärung von CDU und CSU:

Am morgigen Freitag wird das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in erster Lesung im Bundestag beraten. Dazu erklärt die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön:

„Das NetzDG muss substantiell verbessert werden, um gesamtgesellschaftliche Anerkennung zu finden. Und die ist wichtig. Fakt ist, Hassbotschaften, Verleumdung und Beleidigungen haben auch im Netz nichts zu suchen. Die Plattformbetreiber sind schon jetzt nach dem Telemediengesetz (TMG) dazu verpflichtet, solche Äußerungen nach Kenntnisnahme zu löschen. Das wird bislang allerdings sehr unterschiedlich gehandhabt. Während YouTube 90 Prozent der gemeldeten rechtswidrigen Inhalte löscht, sind es bei Facebook durchschnittlich nur 39 Prozent, bei Twitter sogar nur ein Prozent. Der Runde Tisch von Heiko Maas hat daran nichts geändert.

Die Unionsfraktion ist schon lange der Meinung, dass die Zeit der leeren Versprechungen vorbei sein muss. Vor Monaten haben wir deshalb ein Positionspapier mit konkreten Vorschlägen vorgelegt. Leider finden sich entscheidende Punkte davon nicht im NetzDG wieder. Hier muss nachgebessert werden. Ungünstig ist auch, dass das Justizministerium den Gesetzentwurf erst so kurz vor dem Ende der Legislaturperiode vorgelegt hat. Damit bleibt kaum Zeit für die parlamentarische Beratung. Die CDU/CSU-Fraktion muss und wird den Gesetzentwurf gut prüfen. Sorgfalt geht vor Schnelligkeit.

Zentrale Frage dabei ist: Wer definiert, ob ein Inhalt gelöscht wird oder nicht und nach welchen Kriterien? Das wird vom aktuellen Gesetzentwurf jedoch ungenügend beantwortet. Position der Union war schon immer, dass die Grundsätze der Meinungsfreiheit auch im Netz zur Geltung kommen müssen und nur strafbare Inhalte gelöscht werden dürfen. Um dem Vorwurf des so genannten Overblockings (Anbieter löschen zu viel, um Bußgelder zu vermeiden) und dem damit verbundenen zu starken Eingriff in die Meinungsfreiheit effektiv zu begegnen, empfiehlt sich das System der ‚regulierten Selbstregulierung‘, wie wir es etwa aus dem Jugendmedienschutz kennen. Das würde bedeuten, dass nicht die Plattformbetreiber entscheiden, was geht und was nicht, sondern eine vom Staat kontrollierte und von den Unternehmen finanzierte Instanz. Diese prüft alle kritischen Sachverhalte nach klaren Kriterien mit geschultem Personal.

Des Weiteren müssen wir auch über den Anwendungsbereich, den Nutzerbegriff und den Schwellenwert – also ab welcher Nutzerzahl das Gesetz gelten soll – sprechen. Im Gesetz muss klar gestellt sein, dass beispielsweise Messenger-Dienste nicht inbegriffen sind. Und es muss klar sein, dass Strafen nicht schon bei der Nichtlöschung einzelner Beiträge fällig sind, sondern nur dann, wenn ein Anbieter strukturell kein wirksames Beschwerdemanagement vorhält. Außerdem gilt es, die Löschfristen zu prüfen. Sie müssen realistisch sein. Bei eindeutigen Fällen von Volksverhetzung oder Rufmord haben die Betroffenen ein berechtigtes Interesse, entsprechende Einträge schnell, also innerhalb von 24 Stunden, aus dem Netz entfernen zu lassen. Klar ist aber auch, dass Grenzfälle einer längeren Prüfung bedürfen. Final bleibt immer der Rechtsweg, denn das letzte Wort kann nur ein Gericht haben. Des Weiteren hätten wir uns auch eine Kennzeichnungspflicht für Social Bots und eine digitale Gegendarstellungspflicht bei FakeNews gewünscht.

Die Union möchte, dass den Menschen, die Opfer von Hass und Hetzte oder Diffamierung und Verleumdung im Netz geworden sind, zu ihrem Recht verholfen wird. Dafür und nur dafür müssen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Eine Zensur lehnen wir ab.“

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