Nach GroKo-Durchbruch: Kritik an Verteilung der Ministerien – Martin Schulz wird Außenminister

"Passt scho", sagt CSU-Chef Seehofer zum Koalitionsvertrag. Das sehen viele in der Union so. Doch die Verteilung der Ministerien stößt manchem auf. Auch in der SPD gibt es kritische Wortmeldungen.
Epoch Times8. Februar 2018

Der Wirtschaftsrat der CDU hat die Verteilung der Ministerien in der geplanten neuen großen Koalition kritisiert.

„Mit dem Sozial- und dem Familienressort gehen zwei der ausgabenträchtigsten Ministerien an die SPD“, sagte der Präsident des Gremiums, Werner M. Bahlsen, der Deutschen Presse-Agentur. „Dadurch, dass die SPD zudem das Schlüsselressort Finanzen erhält, winkt ein Ende solider Haushaltspolitik.“ JU-Chef Paul Ziemiak rief die CDU wegen des künftig SPD-geführten Finanzministeriums zu Wachsamkeit auf. Kritik an der Koalitionsvereinbarung gab es erwartungsgemäß von Linken und Grünen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD als wichtigen Schritt. Steinmeier sagte am Donnerstag bei seinem Besuch in Südkorea: „Ich weiß, dass man im Ausland und vor allem in Europa auf den Abschluss der Regierungsbildung wartet. Und deshalb denke ich, wir sind zumindest einen Schritt weiter.“ Im Gespräch mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In verwies Steinmeier aber auch darauf, dass der SPD-Mitgliederentscheid über eine neue große Koalition noch aussteht.

Union und SPD hatten sich am Mittwoch auf einen Koalitionsvertrag geeinigt und damit die Weichen für eine neue GroKo gestellt. Neben Inhalten verständigten sich die Parteien zugleich auf die Verteilung der Ministerien. Die SPD, die bei der Bundestagswahl nur 20,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte, schnitt dabei überraschend gut ab, die CDU relativ schlecht. Die SPD soll sechs der 15 Ressorts bekommen, darunter das prestigeträchtige Außenministerium.

Das Auswärtige Amt will Martin Schulz übernehmen, wenn die SPD-Mitglieder der großen Koalition zustimmen. Er verzichtet dafür auf den Parteivorsitz und schlug Fraktionschefin Andrea Nahles als Nachfolgerin vor. Zu der personellen Neuaufstellung gab es kritische Wortmeldungen in der SPD-Fraktion. Auch Juso-Chef Kevin Kühnert zeigte sich irritiert.

Der Koalitionsvertrag sei ein guter Kompromiss, mit welchem sich die Union blicken lassen könne, sagte der Vorsitzende der Jungen Union, Ziemiak, der dpa. „Trotzdem müssen wir in den nächsten Jahren sehr wachsam sein, wenn es um generationengerechte Politik und stabile Haushaltspolitik geht – insbesondere wenn die SPD den Finanzminister stellt.“ Für den Posten ist Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz vorgesehen. Er soll auch Vizekanzler und damit wichtigster SPD-Mann im Kabinett werden.

Am Mittwoch hatte CDU-Chefin Angela Merkel Bedenken in der Unionsfraktion wegen des Verlustes des Finanzministeriums zu zerstreuen versucht. Die Kanzlerin sagte in der Fraktion nach Angaben aus Teilnehmerkreisen, sie wisse, dass die Abgabe des Ressorts an die SPD Vielen Sorgen bereite. Sie verwies aber auf die große Bedeutung des Bundestags in Haushaltsfragen. Unionsabgeordnete äußerten in der Debatte die Sorge, das künftig SPD-geführte Finanzressort könne den europapolitischen Stabilitätskurs verlassen.

Merkel könnte nun zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Sicher ist aber noch nichts: Die rund 463 000 SPD-Mitglieder haben das letzte Wort. Sie stimmen vom 20. Februar bis zum 2. März über den Koalitionsvertrag ab. Die Jusos starten am Freitag ihre Nein-Kampagne zum Mitgliederentscheid, die Parteiführung will erst ab nächster Woche für den Koalitionsvertrag werben.

Noch-SPD-Chef Schulz war erst vor elf Monaten mit dem Rekordergebnis von 100 Prozent an die Spitze der Sozialdemokraten gewählt und im Dezember im Amt bestätigt worden. Seit der verlorenen Bundestagswahl gab es aber massiven Unmut in der Partei über seine Amtsführung. Sein Eintritt ins Kabinett ist innerparteilich umstritten, weil Schulz einen solchen Schritt nach der Wahl zunächst ausgeschlossen hatte.

Das Aufgeben des Parteivorsitzes könnte mit Blick auf den Mitgliederentscheid auch ein Zugeständnis an die Kritiker sein. Seine designierte Nachfolgerin Nahles betonte im ZDF, Schulz sei in „keinster Weise“ zu dem Schritt gedrängt worden. Dass sie Parteichefin werden solle, sei ein „Angebot von ihm“ gewesen. Nahles wäre die erste Frau an der Spitze der über 150 Jahre alten Partei.

SPD-Vize Ralf Stegner kündigte an, für den Koalitionsvertrag zu werben. Zum Beispiel bei den Themen befristete Jobs, Pflege, Gesundheit, Rente, Europa, Bildung und bezahlbares Wohnen habe die SPD gemessen an den Aufträgen ihrer beiden jüngsten Parteitage eine Menge herausgeholt, sagte er der dpa. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ging davon aus, dass die SPD-Mitglieder der Vereinbarung zustimmen. „Ich bin sehr sicher“, sagte sie der dpa. Juso-Chef Kühnert hingegen hält es unverändert für möglich, eine GroKo noch zu verhindern. „Niemand kann sich sicher sein, was den Ausgang des Mitgliedervotums angeht. Der Zuspruch, den wir bekommen, ist ungebrochen“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (Donnerstag)

Die Linke im Bundestag warf Union und SPD eine Stärkung der Rechtspopulisten vor. „Es ist leider keine Satire: In der kleinsten großen Koalition aller Zeiten verkommt das zum Heimatschutzministerium hochgeschriebene Innenressort zum Versorgungsbahnhof für einen abgehalfterten CSU-Ministerpräsidenten“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linke- Bundestagsfraktion, Jan Korte, der dpa. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer soll in einer neuen großen Koalition ein Superministerium für Inneres, Heimat und Bau bekommen.

Linken-Chef Bernd Riexinger nannte den Koalitionsvertrag in der „Berliner Zeitung“ unambitioniert. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte der dpa, es stünden 105 Prüfaufträge und 15 neue Kommissionen in dem 177 Seiten umfassenden GroKo-Vertragsentwurf. „Das könnte neuer Rekord beim Vertagen von Entscheidungen werden.“ (dpa)



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