Nach mehr als sieben Jahren: Strafprozess um Loveparade-Katastrophe von Duisburg begonnen

Siebeneinhalb Jahre nach der Katastrophe bei der Duisburger Loveparade hat am Freitag in Düsseldorf der Strafprozess gegen zehn Angeklagte begonnen.
Titelbild
Ort der Trauer - die Gedenkstätte der Loveparade in Duisburg.Foto: Roland Weihrauch/dpa
Epoch Times8. Dezember 2017

Es war eines der folgenschwersten Unglücke der vergangenen Jahrzehnte: 21 Menschen kamen bei der Duisburger Loveparade am 24. Juli 2010 ums Leben, mehr als 650 weitere wurden verletzt. Am Freitag startete der Strafprozess um die Loveparade-Tragödie – ein Verfahren, das die Dimension gewöhnlicher Strafverfahren gleich in mehrfacher Hinsicht sprengt. Neun Fragen und Antworten zum Loveparade-Prozess:

WER IST ANGEKLAGT?

Wegen des tödlichen Gedränges am Ein- und Ausgangsbereich des Duisburger Loveparade-Veranstaltungsgeländes müssen sich zehn Angeklagte verantworten – sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier des Loveparade-Veranstalters, die von insgesamt rund 30 Anwälten verteidigt werden. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten fahrlässige Tötung beziehungsweise fahrlässige Körperverletzung vor. Höchststrafe wären fünf Jahre Haft.

WAS SOLL DIE TRAGÖDIE AUSGELÖST HABEN?

Nach Einschätzung der Ankläger war die Loveparade völlig falsch geplant und hätte niemals genehmigt werden dürfen: Das schmale Ein- und Ausgangsareal des eingezäunten Geländes am alten Duisburger Güterbahnhof sei viel zu eng für die hunderttausenden Raver gewesen. Dies hätten die Angeklagten erkennen müssen.

WERDEN AUCH OPFER ZUM PROZESS ERWARTET?

Ja, und zwar in großer Zahl – denn allein 65 Betroffene der Katastrophe sind in dem Verfahren als Nebenkläger zugelassen. Sie werden von etwa 40 Anwälten vertreten. Die Nebenkläger sollen während des Prozesses psychologisch und seelsorgerisch betreut werden.

WIE WILL DIE JUSTIZ DIESES GROSSVERFAHREN MEISTERN?

In der Tat macht die Vielzahl der Verfahrensbeteiligten das Loveparade-Verfahren zu einem der personell größten Strafprozesse der Nachkriegsgeschichte. Da das Landgericht Duisburg nicht über einen ausreichend großen Verhandlungssaal verfügt, findet die Hauptverhandlung in einer eigens angemieteten Halle der Düsseldorfer Messe mit rund 500 Sitzplätzen statt.

WIE LANGE WIRD DER PROZESS DAUERN?

Das ist völlig ungewiss. Zunächst beraumte die sechste Große Strafkammer des Duisburger Landgerichts 111 Verhandlungstage bis Ende kommenden Jahres an. Klar ist dagegen, wie lange der Prozess höchstens dauern kann: Bis zum Sommer 2020 muss ein Urteil fallen. Denn nach zehn Jahren tritt die sogenannte absolute Verjährung ein.

GAB ES SCHON EINMAL EINEN PROZESS MIT SO VIELEN ANGEKLAGTEN?

Ja, aber solche Verfahren sind in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte selten. Einige Beispiele: Der 1963 begonnene erste Auschwitz-Prozess vor dem Landgericht in Frankfurt am Main richtete sich gegen 22 Angeklagte. Im Prozess um den Contergan-Arzneimittelskandal 1968 in Alsdorf bei Aachen gab es neun Angeklagte, im Prozess um den Düsseldorfer Flughafenbrand 1999 zunächst elf, am Ende des Verfahrens 2001 noch neun Angeklagte.

WARUM BEGINNT DER LOVEPARADE-PROZESS SO SPÄT?

Zunächst wegen der aufwändigen Ermittlungen – erst im Februar 2014 legte die Staatsanwaltschaft ihre Anklage gegen die zehn Beschuldigten vor. Diese Anklage lehnte das Duisburger Landgericht aber im April 2016 ab. Dagegen legten Staatsanwaltschaft und Nebenkläger Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ein. Mit Erfolg: Im vergangenen April entschied das OLG, dass die Hauptverhandlung eröffnet werden muss.

WIE WAHRSCHEINLICH SIND SCHULDSPRÜCHE?

Das kann niemand sagen. Dass der Ausgang großer Strafverfahren gegen eine Vielzahl von Angeklagten wegen Fahrlässigkeitsdelikten immer ungewiss ist, zeigte zuletzt der Prozess um den Düsseldorfer Flughafenbrand von 1996 mit 17 Toten. Das von Pannen überschattete Verfahren wurde nach knapp zwei Jahren im Oktober 2001 eingestellt – wegen geringer Schuld der Angeklagten.

WIE LAUTETE DAMALS DIE BEGRÜNDUNG?

Der Richter des Düsseldorfer Landgerichts sagte seinerzeit, die „schrecklichen Folgen“ des Brands dürften nicht den Blick dafür verstellen, dass jedem Angeklagten eine persönliche Schuld nachgewiesen werden müsse. Dies sei jedoch in dem Strafprozess „trotz der erheblichen Dauer und der Vielzahl erhobener Beweise“ nicht möglich gewesen. (afp)



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