Sigmaringen: Kleine Stadt wehrt sich gegen große Erstaufnahmestelle

Bürger und Bürgermeister von Sigmaringen wehren sich gegen eine große Erstaufnahmeeinrichtung am Rande ihrer Stadt. Maximal 1.700 Flüchtlinge seien zu viel für Sigmaringen so der allgemeine Tenor. Zu dem herrsche Angst vor erhöhter Kriminalität. Bis 2020 soll die derzeit als Erstaufnahmestelle genutzte Kaserne wieder frei sein, so der Forderungskatalog der Bürger.
Titelbild
Thomas Schärer, Bürgermeister von Sigmaringen, vor der Graf-Stauffenberg-Kaserne der Stadt.Foto: Screenshot / YouTube
Epoch Times16. Januar 2017

Der Bürgermeister und die Einwohner von Sigmaringen protestieren gegen die zukünftig größte Erstaufnahmestelle in ganz Baden-Württemberg in ihrer Stadt. 1.250 Plätze sollen in der Graf-Stauffenberg-Kaserne am Stadtrand entstehen. 450 weitere Plätze gibt es im Stadtgebiet. Bei Vollbesetzung wären das 1.700 Plätze und mehr als 10 Prozent der Stadtbevölkerung (16.451; Ende 2008). Dies berichtet „Focus-Online“.

„Das hieße, dass zum Beispiel eine 100.000 Einwohner-Stadt wie Reutlingen 10.000 Leute aufnehmen müsste“, sagt Bürgermeister Schärer. „Aus meiner Sicht ist das nicht verträglich.“ Mit Unterschriften und kritischen Worten wurde protestiert wie sonst nirgendwo in Baden-Württemberg. Denn ähnliche Landeserstaufnahmestellen (Lea) im Bundesland sollen auch in Ellwangen, Karlsruhe und Freiburg entstehen.

Die Sigmaringer wollen sich zur Wehr setzen und haben einen Forderungskatalog im Gemeinderat verabschiedet. Dieser lag als Liste in allen Geschäften aus. 700 Bürger der Stadt hatten schließlich unterschrieben. Im Katalog pochen sie zum Beispiel auf eine Maximalbelegung von 500 Menschen.

Diffuse Angst und Spaltung der Bevölkerung

In der Bevölkerung spürt er eine diffuse Angst, sagt Matthias Eisele, der Vorsitzende des Handels- und Gewerbevereins. Aus seiner Sicht sei die Bevölkerung dreigeteilt. Zum einen gebe es diejenigen, die ohne Wenn und Aber helfen wollen. Dann jene, die eine Flüchtlingsaufnahmestelle vollständig ablehnen. „Und dann gibt es die, die sagen, Flüchtlinge können kommen, aber irgendwann muss das Maß voll sein.“

Reine Betreuung in der Lea für das DRK kein Problem

Für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) sind die 1.250 Flüchtlinge “kein Problem”. Dort habe man in 2015 bereits 2.500 Flüchtlinge betreut, so die Pressesprecherin des DRK in Sigmaringen, Alexandra Freund-Gobs. An anderer Stelle aber ächzt man merklich. Wie unlängst bei der Feuerwehr der Stadt, als diese innerhalb von 18 Stunden sechsmal wegen Brandalarms ausrücken musste. Denn der „Brandmelder wurde “von alkoholisierten Asylbewerbern ausgelöst”, berichtet Schärer.

Einer der Einsätze der Feuerwehr musste sogar abgebrochen werden, weil die Einsatzkräfte es mit 200 aggressiven Bewohnern zu tun bekamen. „Wenn die Leute lesen, dass die Flüchtlinge undankbar sind und sich flegelhaft verhalten, steigt die Ablehnung, das ist menschlich“, sagt der Bürgermeister.

Stimmung gegen Lea sei bei Flüchtlingen nicht angekommen

Beschwerden aus der Bevölkerung erreichen den Leiter der Lea, Fabian Heilmann, nach eigenen Angaben selten, und wenn, dann drehen sie sich um Ruhestörung oder falsche Müllentsorgung. Dass Unterschriften gegen die dauerhafte Lea gesammelt wurden, ist bei den Flüchtlingen laut Heilmann nicht angekommen. Die Stimmung in Sigmaringen beschäftige aber die Mitarbeiter, weil ihre Arbeitsplätze von der Zukunft der Einrichtung abhängen.

Über die Stimmung in der Bevölkerung der Stadt ist man in der Einrichtung indes unbekümmert. Diese erreiche den Leiter der Einrichtung Fabian Heilmann eigenen Angaben nach selten. Und falls doch, drehen sich diese maximal um falsche Müllentsorgung. Die Unterschriftenaktion gegen die dauerhafte Lea sei bei den Flüchtlingen nicht angekommen. Lediglich Mitarbeiter der Einrichtung machen sich Sorgen wegen ihrer Arbeitsstelle. Die Sorge scheint aktuell aber nicht berechtigt, denn eine sofortige Schließung steht nicht zur Debatte.

Stadt möchte Kaserne ab 2020 selbst nutzen

Eine mittelfristige Unterbringung lehne man nicht ab, “sonst hätten wir gesagt: Wir fordern die Schließung“, erklärt Schärer. Aber ab 2020 möchte die Stadt auf dem Kasernengelände eigene Pläne verfolgen. Schließlich habe die Kommune schon mehrere hunderttausend Euro für ein Zukunftskonzept ausgegeben. Dann sollen nach Vorstellung von Schärer dort keine Flüchtlinge mehr sein, sondern ein Zentrum für medizinische Versorgung entstehen. Auch sollen dort barrierefreies Wohnen und Gewerbe Einzug halten. Doch sei seit Juli 2015 “keine Entwicklung möglich“, so Schärer.

Enddatum von Erstaufnahme nennt Innenministerium nicht

Klar sei aber auch: „Der Forderungskatalog ist letztlich nichts anderes als eine Bitte“, so Rathauschef Schärer. „Das Land könnte letztendlich tun, was es will.“ Dennoch habe der Bürgermeister ein Ziel seines Protests bereits erreicht: Das Land und die Stadt führen Gespräche miteinander. Beim Land spricht man von einem möglichen Kompromiss. Die Konzeption der künftigen Erstaufnahmeeinrichtung sei noch nicht in Stein gemeißelt, so ein Sprecher des Innenministeriums. Ein Enddatum der Erstaufnahme in Sigmaringen werde das Land jedoch nicht nennen. Das sei beim ersten Gespräch deutlich geworden.



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