„Snowden hat recht“: Bundesregierung stuft Erkenntnisse über Massenüberwachung als geheim ein

Drei Jahre Geheimdienst-Untersuchungsausschuss sind zu Ende und ein Abschlussbericht liegt vor. Die Große Koalition hat jedoch das Fazit der Opposition vorläufig als „geheim“ einstufen lassen: Es kommt zum Ergebnis, dass Snowden recht hatte.
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Aktivisten fordern Asyl für Edward Snowden in Deutschland. Aber er wurde nicht mal als Zeuge vom NSA-Untersuchungsausschuss befragt.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 25. Juni 2017

Nächsten Mittwoch wird der Abschlussbericht zum Geheimdienst-Untersuchungsausschuss an Bundestags-Präsident Lammert übergeben, am Donnerstag soll er im Plenum des Parlaments besprochen werden. Allerdings ohne den Teil der Opposition, wenn es nach der Großen Koalition geht.

Der Bericht ist mehrere tausend Seiten dick und umfasst Bewertungen der Regierungsparteien ebenso wie ein Fazit der Opposition.

Die Große Koalition kam auf 160 Seiten zum Schluss: „Es findet weder eine ‚anlasslose‘ noch eine ‚flächendeckende‘ ‚Massenüberwachung‘ statt“.

Die Opposition dagegen konstatiert auf 457 Seiten, dass Whistleblower Edward Snowden mit seinen NSA-Enthüllungen richtig lag: Es gebe schwere Rechtsbrüche deutscher und ausländischer Geheimdienste und eine „anlasslose und unzulässige Massenüberwachung“.

Dieses Fazit der Opposition wurde nun als geheim eingestuft. Weil es lange dauern kann, bis der geheimzuhaltende Teil überprüft ist, ist der Text nun erstmal aus der Öffentlichkeit verschwunden. Die Website „Netzpolitik.org“ erhielt ein PDF davon und veröffentlichte ihn HIER.

Netzpolitik kommentierte auch, dass es während des gesamten Geheimdienst-Untersuchungsausschusses erstaunlich wenig um die Komplett-Überwachung der digitalen Welt ging — dabei war doch genau dieser Vorwurf Snowdens der Gründungs-Anlass. Weder wurde Snowden als Zeuge nach Deutschland geholt, noch die Vertreter der großen Internetkonzerne wie Google, Facebook etc. Diese hielten es nicht für nötig, zu kommen. Dahinter stecke eine Blockade-Taktik, um zu verschleiern.

„…die Bundesregierung weigert sich bis heute, den Schlüssel-Zeugen nach Deutschland zu holen. Aus Angst vor einer Reaktion der USA. Und die Ausschuss-Mitglieder der Großen Koalition haben sich damit abgefunden. Aus vermeintlicher Staatsräson. Das ist feige und gleichzeitig bezeichnend für einen Untersuchungsausschuss, der sich nicht an den Kern seines Untersuchungsauftrags herangewagt hat. Damit bleibt der größte Überwachungsskandal der Menschheitsgeschichte unaufgeklärt, die Überwachung ungebremst, die Täter unbestraft, die Öffentlichkeit im Dunkeln.“ Netzpolitik.org

Ein offizieller Abschlussbericht für die Öffentlichkeit lässt deshalb weiter auf sich warten. Mit dieser Formalie wäre die Arbeit des U-Ausschuss dann beendet — möglicherweise erst im September vor der Bundestagswahl.

BND Teil einer weltweiten Überwachungsstruktur

Und das schrieb „Heute im Bundestag“ am 19. Juni über das Fazit der Opposition:

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist nach Einschätzung von Linksfraktion und Grünen Teil einer „weltweiten Überwachungsstruktur“ unter Führung der amerikanischen National Security Agency (NSA) und hat jahrelang in vielfacher Weise gegen das grundgesetzlich geschützte Fernmeldegeheimnis verstoßen. Zu diesem Befund gelangen die Oppositionsvertreter im 1. Untersuchungsausschuss („NSA“) in einem Sondervotum, das am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Beide Fraktionen würdigen den seit März 2014 fast drei Jahre lang tätigen Ausschuss als „wichtig und ausgesprochen erfolgreich“, wobei sie zugleich das Verhalten der Bundesregierung scharf kritisieren. Diese haben die Aufklärung „aktiv“ hintertrieben.

„Politische Peinlichkeit“

„Viele Geheimeinstufungen von Akten und Vorgängen lassen sich nur durch den Grad der politischen Peinlichkeit erklären, die ein Bekanntwerden des eingestuften Vorgangs der Bundesregierung verursacht hätte“, formulieren die Verfasser. So seien von vornherein Akten in großem Umfang geschwärzt und zahlreiche Sitzungen als „streng geheim“ eingestuft worden, oftmals ohne erkennbar zwingende Rechtfertigung. Dahingegen hätten Vertreter der Exekutive Auschussmitgliedern „mehrfach pauschal unterstellt“, Geheimnisse zu verraten und ihnen sogar „mit strafrechtlichen Ermittlungen gedroht“. Der Ausschussmehrheit von Union und SPD werfen die Verfasser des Sondervotums vor, als „Schutztruppe der Regierung“ agiert zu haben.

Vorwurf der „anlasslosen Massenüberwachung“ bestätigt

Nach dem Urteil von Linken und Grünen kommt dem Ausschuss das Verdienst zu, den Vorwurf der „anlasslosen Massenüberwachung“, den der US-Geheimdienstkritiker Edward Snowden 2013 gegen die NSA erhoben hat, im wesentlichen bestätigt zu haben. Darüber hinaus brachte er “eine ganze Reihe von zusätzlichen Problemfeldern, Informationen und skandalösen Verfehlungen an die Öffentlichkeit“.

Mit Bedauern vermerken die Autoren des Berichts, dass eine „direkte Massenüberwachung“ durch die NSA in Deutschland oder von Deutschland aus „nicht näher“ habe aufgeklärt werden können: Akten und Zeugen aus England und den USA seien nicht erreichbar gewesen. Auch habe die Bundesregierung dem Gremium fast alle Akten mit Bezug zu ausländischen westlichen Geheimdiensten vorenthalten:

„Es gab aber auch keinerlei Anlass und keine Zeugenaussage, die Grund böten, am Wahrheitsgehalt der Snowden-Dokumente zu zweifeln.“(Fazit der Opposition)

BND „willfähriger Dienstleister der NSA“

Im Zuge der parlamentarischen Ermittlungen trat zusehends die Rolle des BND in den Vordergrund, den die Verfasser „einen willfährigen Dienstleister der NSA“ nennen. In der Kooperation mit dem US-Geheimdienst bei der Überwachung satelliten- und kabelgestützter Datenverkehre habe der BND vielfach „ohne Rechtsgrundlage“ agiert, das Fernmeldegeheimnis „über Jahre unbefugt gebrochen“, „andauernden Rechtsbruch billigend in Kauf genommen“, „vorsätzlich an den Kontrollgremien vorbeigearbeitet“ sowie „rechtswidrig“ Daten erfasst und verarbeitet.

So seien in der gemeinsam mit der NSA betriebenen Abhöranlage in Bad Aibling monatlich rund 1,3 Milliarden Daten an den befreundeten Geheimdienst weitergegeben worden, wobei „unzulässig“ zwischen Inhalts- und Metadaten unterschieden worden sei. Metadaten, die Auskunft über Zeitpunkt, Dauer, Ort und Teilnehmer einer Kommunikation geben, „wurden massenhaft erfasst und verarbeitet, die Rohdatenströme ganzer Kommunikationsstrecken automatisiert an die NSA weitergeleitet“. Dies sei „unverhältnismäßig und offenkundig rechtswidrig“ gewesen. (hib/rf)



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