Trotz massiver Kritik im Fall al-Bakr: Tillich zieht weiterhin keine personellen Konsequenzen – Justizminister lehnt Rücktritt ab

Nun sei "die Zeit der Aufklärung", die vorangetrieben werden müsse, sagte Tillich am Freitag in Berlin. "Dass es Forderungen gibt zu politischen Konsequenzen ist selbstredend und kommt natürlich von der Opposition und von Anderen", ergänzte er.
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Sebastian GemkowFoto: FRANK DEHLIS/AFP/Getty Images
Epoch Times14. Oktober 2016

Trotz massiver Kritik wegen des Suizids des Terrorverdächtigen Jaber al-Bakr an den sächsischen Behörden zieht Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) weiterhin keine personellen Konsequenzen in seiner Regierung. Nun sei „die Zeit der Aufklärung“, die vorangetrieben werden müsse, sagte Tillich am Freitag in Berlin. „Dass es Forderungen gibt zu politischen Konsequenzen ist selbstredend und kommt natürlich von der Opposition und von Anderen“, ergänzte er.

Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) habe bereits „deutlich gemacht, dass er für die Vorgänge in der Justizvollzugsanstalt die politische Verantwortung übernimmt“. „Das will ich auch darüber hinaus nicht kommentieren“, sagte Tillich. Gemkow hatte einen Rücktritt zuletzt auch selbst ausgeschlossen.

Sächsische Justiz nach Suizid al-Bakrs massiv in der Kritik

Sächsische Justiz massiv in der Kritik und Justizminister leht Rücktritt ab

Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) leht einen Rücktritt ab. „In meinen Augen wäre das eine Flucht vor dem, was jetzt hier aufzuklären ist“, sagte Gemkow am Donnerstag im „heute journal“ des ZDF. Es gehe nun darum, in den kommenden Tagen aufzuarbeiten, was „schief gelaufen“ und was zu tun sei, damit sich so etwas nicht wiederhole.

Gemkow sagte nun im ZDF, die Justizangestellten, die Anstaltsleitung und die zuständige Psychologin hätten nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Bei einer Pressekonferenz am Vormittag hatte Jacob bereits gesagt, in der Summe sei „eigentlich alles so gelaufen, wie die Vorschriften im Justizvollzug es erfordern“.

Nach dem Suizid von al-Bakr steht die sächsische Justiz wegen ihrer Vorgehensweise in dem Fall massiv in der Kritik.

Der 22-jährige Syrer war nach einer bundesweiten Fahndung in der Nacht zum Montag wegen mutmaßlicher Anschlagspläne festgenommen worden. Nach seiner Einlieferung in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig stellte nach Darstellung von Minister Gemkow und dem JVA-Leiter Rolf Jacob der psychologische Dienst keine „akute Suizidgefahr“ fest.

Er sollte demnach zunächst alle 15 Minuten und später alle 30 Minuten kontrolliert werden. Am Mittwochabend um 19.45 Uhr wurde al-Bakr dann erhängt in seiner Zelle gefunden. Er hatte sich mit seinem T-Shirt an einem Gitter in der Zelle erhängt.

„Das hätte nicht passieren dürfen“, räumte Justizminister Gemkow ein. Es sei aber „leider geschehen, obwohl wir nach dem jetzigen Stand alles getan haben, um das zu verhindern“. Mit Blick auf die Einschätzung einer Psychologin sagte er: „Wir verlassen uns natürlich auch auf das Votum der Experten.“ Für einen Rücktritt sah er zunächst keinen Anlass.

JVA-Leiter Jacob sagte, im Nachhinein könne kritisch gefragt werden, ob die Justiz „nicht zu gutgläubig“ gewesen sei. Doch in der Summe sei „eigentlich alles so gelaufen, wie die Vorschriften im Justizvollzug es erfordern“.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wies „pauschale Kritik“ an der Justiz „entschieden“ zurück. Die Vorgänge in der JVA Leipzig müssten nun „umfassend aufgeklärt“ werden, erklärte Tillich. Er vertraue dabei „voll und ganz“ dem Justizminister.

Der stellvertretende Ministerpräsident Dulig kritisierte dagegen das Vorgehen der Justiz. „Es ist offensichtlich zu einer Reihe von Fehleinschätzungen sowohl über die Bedeutung als auch den Zustand des Gefangenen gekommen“, erklärte der SPD-Politiker. „Wie konnte ein unter Terrorverdacht stehender Mann wie ein Kleinkrimineller behandelt werden?“, fragte der Wirtschaftsminister.

Pflichtverteidiger: „Justizskandal“

Al-Bakrs Pflichtverteidiger Alexander Hübner sprach von einem „Justizskandal“ und kritisierte die sächsische Justiz scharf. „Ich bin wahnsinnig schockiert und absolut fassungslos, dass so etwas passieren kann“, sagte der Rechtsanwalt dem Portal „Focus Online“. Den Verantwortlichen der Justizvollzugsanstalt sei das Suizidrisiko des Beschuldigten bekannt gewesen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte eine „umfassende und schnelle Aufklärung“. Die Ermittlungen in dem Fall seien durch den Suizid „natürlich erschwert“, sagte er am Rande des EU-Innenministerrats in Luxemburg. Der SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel sprach von einem „erschreckenden Vorfall, der jetzt untersucht werden muss“.

Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, sprach von einem „Versagen der Justizbehörden in Sachsen“. Dies müsse Konsequenzen haben. „Man kann den Eindruck bekommen, es ist hier vorgegangen worden, als sei das ein Taschendieb“, kritisierte Göring-Eckardt. Auch die Opposition im sächsischen Landtag forderte von der Landesregierung Konsequenzen aus dem Fall. Die Grünen forderten Gemkows Rücktritt.

Al-Bakr war am Samstag bei einem Polizeieinsatz in Chemnitz knapp dem Zugriff der Beamten entkommen. In einer von ihm genutzten Wohnung wurden eineinhalb Kilogramm hochexplosiven Sprengstoffs gefunden. Drei Syrer, bei denen al-Bakr dann in Leipzig um einen Platz zum Übernachten bat, überwältigten und fesselten den 22-Jährigen.

Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes hatte der Verdächtige Züge in Deutschland und Flughäfen in Berlin im Visier. Die Ermittler gehen davon aus, dass al-Bakr Verbindungen zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat hatte. (afp/mz)

 

 



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