Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2016 – Neues zu Reichsbürgern und türkischen Rechtsextremisten in Deutschland

Heute wurde in Berlin der Verfassungsschutzbericht 2016 vorgestellt. Insgesamt registrierte das BKA 41.549 Straftaten, die politisch motiviert waren. Im Vergleich zu 2015 sind das 2.568 Straftaten mehr.
Titelbild
Verfassungsschutzpräsident Maaßen.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 4. Juli 2017

Heute wurde in Berlin der Verfassungsschutzbericht 2016 vorgestellt. Auf 335 Seiten sind rechts- und linksextremistische Gewalttaten zusammengefasst. Die Gruppierungen werden entsprechend vorgestellt. Weitere Kapitel befassen sich mit „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“, mit Islamismus/islamistischem Terrorismus, mit Sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus), Spionage und sonstigen nachrichtendienstlichen Aktivitäten sowie der „Scientology Organisation“ (SO).

Das BKA registrierte für das Jahr 2016 insgesamt 41.549 (2015: 38.981) politisch motivierte Straftaten. Davon sind 13.923 (33,5%) Propagandadelikte (2015: 13.687 Delikte = 35,1%). 4.311 Straftaten (10,4%) sind der politisch motivierten Gewaltkriminalität zuzuordnen (2015: 4.402 = 11,3%).

Rechts- und linksextreme Gewalttaten

In den Tabellen ist zu sehen, dass die rechtsextremen Gewalttaten von 1.408 auf 1.600 gestiegen sind, das ist eine Zunahme von +14 Prozent. Linksextreme Gewalttaten sanken demnach um 25 Prozent – von 1.608 auf 1.201 Fälle. Dabei werden linksextreme Propagandadelikte nicht mitgezählt.

Im Verfassungsschutzbericht 2015 gab es diese Differenz ebenso. Die „Welt“ schrieb damals:

„Auf der linken Seite ist dies nicht der Fall, knapp 30 Prozent der linken Gewalttaten werden als nicht extremistisch charakterisiert, das heißt, nicht extremistische Linke verüben in hoher Zahl Gewalttaten. Es handelt sich um 638 Tatbestände, darunter viele Körperverletzungen. An der Zeit wäre es, die Öffentlichkeit aufzuklären, warum so viele auch schwerwiegende Gewalttaten nicht als extremistisch eingestuft werden und: Wer sind eigentlich die Täter?“

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Hinweis zu den Zahlen im Bericht (siehe S. 24): „Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Die Übersicht enthält – mit Ausnahme der Tötungsdelikte – vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur ein Mal gezählt. Sind z.B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt.“

Die meisten Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund gibt es in Nordrhein-Westfalen, danach folgen Brandenburg und Berlin. In allen drei Bundesländern nahm die Anzahl zu. Deutlich zurückgegangen sind die Gewalttaten in Sachsen (von 201 auf 145).

Auch bei den linksextremen Gewalttaten liegt NRW vor Berlin. An dritter Stelle folgt Hamburg. In den Bundesländer Berlin, Niedersachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und Bremen nahm die Anzahl der linksextremistischen Kriminalität zu. Auffällig ist auch hier die starke Abnahme der Taten in Sachsen.

Politisch motivierte Ausländerkriminalität und Gewalttaten

Politisch motivierte Ausländerkriminalität und Gewalttaten nahmen um 82 Prozent zu, von 235 auf 427. Tötungsdelikte nahmen um 333 Prozent zu, von 3 auf 13.

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Ab hier Original-Text der Pressemitteilung des Verfassungsschutzes:

„Die Zahl der gewaltorientierten Extremisten in Deutschland ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2016 hervor, der von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière und dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Dr. Hans-Georg Maaßen heute vorgestellt wurde.

Kräfteverschiebung innerhalb des Islamismus

Die Kräfteverschiebung innerhalb des Islamismus hin zur zunehmend gewaltorientierten beziehungsweise jihadistischen Salafistenszene hält dabei auch im Jahr 2017 weiter an.

Bundesinnenminister de Maizière erklärte bei der Vorstellung: „Islamistische Gewalttäter sind fast durchgängig salafistisch geprägt. Sie wurzeln damit in einem Milieu, das sich als entschiedenes Gegenmodell zur westlichen Gesellschaft präsentiert. Der anhaltende Zuwachs dieser Szene zeigt, dass der Salafismus in seiner Dynamik ungebrochen ist. Diese Bedrohung erfordert ein entschiedenes Einschreiten seitens des Staates.“

Höchststand an gewaltorientierten Rechtsextremisten

Innerhalb der rechtsextremistischen Szene schätzten die Verfassungsschutzbehörden im vergangenen Jahr 12.100 Anhänger und damit mehr als die Hälfte des Personenpotenzials als gewaltorientiert ein – der höchste Stand, seit diese Zahl statistisch erfasst wird. Dies schlägt sich auch in den Zahlen rechtsextremistischer Gewalttaten des Jahres 2016 nieder. Sie stiegen nach der besonders starken Zunahme im Jahr 2015 weiter an (2016: 1.600; 2015: 1.408; 2014: 990).

Mehr linksextremistisches Personenpotential

Im Bereich des Linksextremismus war die Zahl der Straf- und Gewalttaten 2016 im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Zum einen fehlte es an Ereignissen, die Linksextremisten zu großen überregionalen Protestdemonstrationen nutzen konnten. Zum anderen wuchs das linksextremistische Personenpotenzial dennoch um 7 % auf 28.500 Personen an (2015: 26.700) und damit auf seinen höchsten Stand seit dem Jahr 2012. Mit mehr als 10 % fiel die Steigerung im Bereich der gewaltorientierten Linksextremisten am stärksten aus.

Der Innenminister zu diesen Entwicklungen: „Eine Entspannung bei den Zahlen der politisch motivierten Kriminalität ist für das Jahr 2017 nicht zu erwarten. Für den bevorstehenden G20-Gipfel in Hamburg hat die linksextremistische Szene bereits seit Herbst 2016 intensiv mobilisiert. Die Möglichkeit zu demonstrieren ist verbrieftes Grundrecht unserer Demokratie. Ich appelliere jedoch an alle: Protest muss friedlich ablaufen! Sollte das nicht der Fall sein, werden die Sicherheitsbehörden klar und deutlich einschreiten.“

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als eigenständiger Phänomenbereich

Erstmals werden auch „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als eigenständiger Phänomenbereich in den Verfassungsschutzbericht aufgenommen. Nach derzeitigem Stand zählen deutschlandweit etwa 12.800 Personen zur „Reichsbürger und Selbstverwalter“-Szene, davon ca. 800 Rechtsextremisten. Die Szene ist insgesamt organisatorisch wie ideologisch äußerst heterogen. „Reichsbürger“ weisen eine hohe Affinität zu Waffen auf und sind oftmals gewaltorientiert. Ende letzten Jahres verfügten – basierend auf einer vorläufigen Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden – 700 von ihnen über Waffenerlaubnisse.

Der Bundesinnenminister Dr Thomas de Maizière hat daher das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt angewiesen, die Erkenntnisse zu Reichsbürgern an die zuständigen Waffenbehörden der Länder zu übermitteln. Hier zeigen sich erste Erfolge: Bis Anfang Juni 2017 konnten ca. 100 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen werden.

Anstieg auch im Bereich des Ausländerextremismus

Auch das Anhängerpotenzial nichtislamistischer sicherheitsgefährdender beziehungsweise extremistischer Ausländerorganisationen stieg im Jahr 2016 an; insbesondere aufgrund des Zuwachses im Bereich der türkischstämmigen Rechtsextremisten.

De Maizière: „Deutschland ist mehr denn je zuvor Spiegel und Resonanzboden innertürkischer Ereignisse. Der PKK und verschiedenen türkischen linksterroristischen Gruppierungen steht dabei eine inzwischen beachtliche Zahl organisierter türkischer Rechtsextremisten gegenüber. Das sich hieraus ergebene Spannungsfeld ist gekennzeichnet durch hohe Emotionalisierung, verbale Provokationen sowie – wenn auch in einem bislang geringen Umfang – körperliche Auseinandersetzungen.“

Zunahme nachrichtendienstlicher Aktivitäten türkischer Stellen

Die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes musste nach dem missglückten Putschversuch in der Türkei auch eine Zunahme nachrichtendienstlicher Aktivitäten türkischer Stellen in Deutschland feststellen.

Dazu erklärte der Bundesinnenminister: „Ich möchte unmissverständlich klarstellen, dass Ausspähungsaktivitäten und nachrichtendienstliche Einflussoperationen jedweder Art in Deutschland nicht toleriert werden. Jedem Verdacht auf illegale nachrichtendienstliche Aktivität wird mit Bestimmtheit nachgegangen.““

Weitere Informationen: www.verfassungsschutz.de



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