Ein Brite, der Europa liebt – und die Euro-Skeptiker doch versteht

Für Adrian Taylor aus Großbritannien ist Europa Beruf und Berufung zugleich. Der studierte Politikwissenschaftler berät Großfirmen in Strategiefragen und sehnt sich nach einer EU mit mehr Basisdemokratie.
Titelbild
Adrian Taylor (dpa)
Von 1. Mai 2007

Europa traf Adrian Taylor völlig unerwartet. Aufgewachsen in gutbürgerlichen Verhältnissen in London, studierte er Politik und Wirtschaft an dem renommierten Trinity College in Oxford und verbrachte höchstens ein paar Ferienwochen im Jahr im Ausland. «Als Student habe ich die europäischen Institutionen in Brüssel und Straßburg besucht, und dort geschah etwas, das ich vorher nie erlebt hatte», sagte der 41-jährige (geboren 1.3.1966) sympathische Brite: «Mir kam die Erkenntnis, dass Menschen unterschiedlicher Länder ganz anders über Sachen nachdenken als ich. Es war wie eine Offenbarung.»

Nach einem Intermezzo als Offizier auf einem britischen Militärstützpunkt an der Straße von Gibraltar wollte Adrian Taylor zunächst einen lukrativen Vertrag als Unternehmensberater unterschreiben. Doch es kam anders. Taylor hatte sich um einen Posten bei der Europäischen Kommission beworben, konnte jedoch zu der Aufnahmeprüfung nicht erscheinen, weil er auf einer Vortragsreise in den USA war. Bei seiner Rückkehr lag ein Telegramm auf der Treppe. In seiner Abwesenheit sei die Prüfung verschoben worden, er möge zu einem neuen Termin erscheinen. Adrian Taylor absolvierte das Examen mit Bravour und begann seine Tätigkeit in der Generaldirektion für Auswärtige Angelegenheiten.

Heute lehrt Adrian Taylor an der European School of Governance in Berlin und steht Top-Entscheidern im öffentlichen und privaten Sektor mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um Business-Strategien für Europa geht. Der lösungsorientierte Pragmatiker ist ein begabter Redner, und zu Hause bei Tee und selbst gebackenen Keksen im gediegenen Hamburger Vorort Blankenese erkennt man auch den perfekten Gentleman.

Von der sprichwörtlichen Zurückhaltung seiner Landsleute ist bei ihm wenig zu spüren. Adrian Taylor setzt sich vehement für die Demokratisierung Europas ein und untermalt seine bisweilen provokativen Meinungen zu Europa gerne mit ein wenig schwarzem Humor. «Seien wir doch ganz ehrlich: Sollte die EU darum bitten, in die Europäischen Union aufgenommen zu werden, müssten wir sie glatt ablehnen ­ weil sie nicht demokratisch genug ist», sagte der Brite mit einem herzhaften Lachen.

Adrian Taylor ist Mitbegründer der ersten rein-europäischen politischen Partei Newropeans. Und er kann auch sehr gut Menschen verstehen, die von der Europäischen Idee enttäuscht sind, weil sie das Gefühl haben, nicht tatsächlich an den Entscheidungsprozessen teilnehmen zu können. «Unsere Politiker haben es einfach nicht geschafft, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie Europa dringend brauchen.» Ein klassisches Beispiel sei dafür die noch nicht zustande gekommene Europäische Verfassung. «Natürlich sagen die Leute: Wenn die da oben sich nicht mal über die Basics einigen können, was soll dann das Ganze?»

Europa hat Adrian Taylor viel gegeben. Er hat seine deutsche Frau kennen gelernt und viele Freunde und Kollegen auf dem ganzen Kontinent, mit denen er in regelmäßigem E-Mail-Kontakt steht. Er bewegt sich selbstsicher auf internationalem Parkett und liebt seine Tätigkeit als Berater, oder als «Szenarioplaner», wie er sie selbst beschreibt. Seine Kinder wachsen in Deutschland auf, ein Land, das er zu schätzen weiß: «Ich war das erste Mal 1985 hier als Armee-Kadett und fand Deutschland schon damals sehr interessant. Das Land ist sehr empfänglich für neue Methoden und Ideen. Ich glaube, die Deutschen können die Grenzen des Möglichen viel besser ausloten als andere.»

Adrian Taylor sieht Europa als Garant für Wohlstand und Sicherheit in der Welt, aber er versteht auch die Bedenken seiner Mitbürger. Dazu hat er ein Gleichnis parat: «Etwa 450 Millionen Menschen sitzen in einem Airbus A 380 auf der Rollbahn. Es gibt 22 Flugkapitäne und sie erzählen uns, dass wir alle in einem neuen Riesenflieger sitzen, der noch nie einen Linienflug absolviert hat. Kein Wunder, dass viele Leute in Europa etwas nervös sind!»



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