Juncker erteilt Türkei-Beitritt klare Absage – und warnt vor Graben zwischen Ost- und Westeuropa

Kurz vor der Bundestagswahl präsentierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine Ideen zur Zukunft der Europäischen Union. Dabei sprach sich Juncker unter anderem für die Einführung des Euro überall in der Europäischen Union, also auch in den ärmeren osteuropäischen Ländern.
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EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.Foto: Getty Images
Epoch Times13. September 2017

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hält einen EU-Beitritt der Türkei bis auf Weiteres nicht für möglich.

„Bei allen Beitrittsländern haben Rechtsstaatlichkeit, Justiz und Grundwerte oberste Verhandlungspriorität“, sagte Juncker am Mittwoch im Europaparlament in seiner jährlichen Rede zur Lage der Union. „Das schließt eine EU-Mitgliedschaft der Türkei in absehbarer Zeit aus.“ Denn diese entferne sich „seit geraumer Zeit mit Riesenschritten von der Europäischen Union“.

Juncker forderte von der türkischen Regierung, alle festgenommenen Journalisten freizulassen. Sie gehörten nicht ins Gefängnis, sondern in ihre Redaktionen, sagte er. Der Kommissionschef verwahrte sich gleichzeitig gegen Beschimpfungen europäischer Politiker durch Vertreter Ankaras: „Hören sie auf, unsere Staats- und Regierungschefs als Faschisten und Nazis zu beschimpfen.“

Der ehemalige Luxemburger Regierungschef wiederholte seine Vermutung, „einige in der Türkei“ hätten gar kein Interesse mehr an einem EU-Beitritt. Sie wollten für ein Scheitern der Verhandlungen aber Europa die Schuld geben. Dies hatte Juncker vor zwei Wochen bereits dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan vorgeworfen.

Juncker will schnell weitere Handelsabkommen abschließen

Vor dem Hintergrund des protektionistischen Kurses der neuen US-Regierung will Juncker schnell weitere Handelsabkommen Europas mit anderen Staaten.

Juncker kündigte an, er wolle Verhandlungen mit Australien und Neuseeland eröffnen. Diese sollten noch vor Ende seines Mandats Ende 2019 abgeschlossen werden.

Zudem kündigte Juncker einen Vorschlag der Kommission an, um ausländische Investitionen in Europa besser zu kontrollieren. Dies sei etwa nötig, wenn ausländische Staatsunternehmen wichtige europäische Häfen übernehmen wollten oder Unternehmen der Rüstungstechnologie. Die europäische Politik habe die Verantwortung, „unsere gemeinsame Sicherheit zu schützen“.

Juncker sah die jüngste Entwicklung der EU positiv. Auf den Schock des Brexit-Votums der Briten im vergangenen Jahr habe Europa mit Einigkeit reagiert, sagte er. Gleichzeitig habe die wirtschaftliche Erholung nun jeden Mitgliedstaat erreicht. „All dies bringt mich dazu zu glauben, dass der Wind in Europas Segeln zurück ist“, sagte der Luxemburger. Europa habe nun ein „Fenster der Möglichkeiten“, das jedoch „nicht für immer offenstehen“ werde.

Juncker will Ausweitung der Eurozone auf gesamte EU

Der EU-Kommissionspräsident hat sich für die Ausweitung der Eurozone auf die gesamte EU ausgesprochen. „Wenn wir wollen, dass der Euro unseren Kontinent mehr eint als spaltet, dann sollte er mehr sein als die Währung einiger ausgewählter Länder“, sagte Juncker. Der Euro sei dazu bestimmt, die einheitliche Währung der Europäischen Union als Ganzes zu sein.

„Alle außer zwei Mitgliedstaaten sind verpflichtet und berechtigt dem Euroraum beizutreten, sobald sie die Bedingungen erfüllen.“ Doch die Mitgliedstaaten, die dem Euroraum beitreten wollten, müssten dies auch tun können, so Juncker. „Deswegen schlage ich die Schaffung eines Euro-Vorbeitrittsinstrumentes vor, dass ihnen technische und manchmal auch finanzielle Heranführungshilfen bietet.“

Juncker warnt vor Graben zwischen Ost- und Westeuropa

Juncker hat sich auch besorgt über einen wachsenden Graben zwischen Ost- und Westeuropa geäußert.

„Unser Kontinent muss einigen, nicht spalten“, sagte der luxemburgische Christdemokrat in Straßburg. Die Europäische Union müsse mit zwei Lungenflügeln atmen, dem östlichen und dem westlichen. „Sonst leidet sie an Atemnot“.

Unterschiede im Osten und Westen der EU – etwa bei der medizinischen Versorgung von Kindern – seien nicht hinzunehmen, mahnte Juncker. Das gleiche gelte für den Verbraucherschutz. In einigen östlichen EU-Staaten würden Lebensmittel geringerer Qualität verkauft, als im Westen. „Sklowaken haben aber nicht weniger Fisch in den Fischstäbchen verdient, Tschechen keine Schokolade mit weniger Kakao“.

Zugleich forderte der EU-Kommissionspräsident aber auch alle EU-Staaten auf, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu respektieren. Wer dies nicht tue und seine Bürger zudem einer unabhängigen Justiz beraube, verletze eines der Grundprinzipien der EU – die Rechtsstaatlichkeit, sagte Juncker in Anspielung auf Ungarn. Die rechtskonservative Regierung in Budapest weigert sich, ein Urteil des EuGH zur Verteilung der Flüchtlinge in der EU umzusetzen. (afp)

Siehe auch:

EU-Kommissionspräsident hält Rede zur „Lage der Union“: Juncker für Einführung des Euro überall in der EU + Livestream



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