Tony Blair – Der längste politische Abschied

Rücktritt nach zehn Jahren im Amt
Titelbild
Tony Blair beim EU-Gipfel in Belgien am 23. Juni. (JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN/AFP/Getty Images)
Von 27. Juni 2007

Tony Blairs Abschied ist einer der längsten und am sorgfältigsten inszenierten Abgänge in der politischen Geschichte. Keine Gelegenheit für Fotos wurde ausgelassen, vom Treffen mit Ghadafi in dessen Zelt bis zum Händeschütteln mit dem Papst. Der erfolgreichste Premier der Labourpartei setzte noch einen drauf und traf sich am Dienstag mit Arnold Schwarzenegger, um den Klimawandel zu diskutieren. Und am Mittwoch fährt er die Mall hinunter, um bei der Queen seinen Abschied einzureichen.

Ganz dem Text einer Downing Street-Notiz entsprechend, die im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit gelange, wurden seine letzten Tage so in Szene gesetzt, dass „die Masse nicht genug davon bekommen kann“.

Die Absicht dahinter ist, das Bild eines aktiven Mannes zu zeigen, der eher für neue Herausforderungen bereitsteht, als das eines müden Politikers, der sich wirklich zurückziehen möchte.

Was wird Tony Blair als nächstes tun?

Sein neues Vier-Millionen-Pfund-Haus in Connaught Square ist nicht annähernd die Erfüllung für einen Ex-Premierminister, der vermutlich den Rest seines Lebens unter Polizeischutz stehen dürfte. Was also wird Tony Blair als nächstes tun? Seit er ein Datum für die Machtübergabe an den lange Zeit im Wartestand stehenden Premierminister Gordon Brown festgesetzt hatte, wird er mit Anfragen überschüttet. Der exzentrische ehemalige Präsident Italiens, Silvio Berlusconi, hat ihm eine Stellung als Rektor seiner neuen internationalen Universität angeboten, während der französische Staatspräsident Nicholas Sarkozy vorgeschlagen hat, ihn zum Ersten Präsidenten des EU-Ministerrats zu machen. Auch das Amt als Präsident der Weltbank wurde diskutiert.

Auf jeden Fall nimmt man an, dass er die hoch bezahlten Jobs zunächst beiseite lässt. Seine Memoiren, wenn er sie denn herausgeben würde, werden auf fünf Millionen Pfund geschätzt, und ihm steht immer noch die Hälfte seines Jahresgehalts als Premierminister von 188.932 Pfund zu.

Wie werde ich ein Ex-Premierminister?

Aber wie wird es ihm dabei ergehen, wenn er von einem Job zurücktritt, der ihm täglich 16 Stunden Arbeit, sieben Tage die Woche, gebracht hat? Eine Dokumentation von BBC4 mit dem Namen „Wie werde ich ein Ex-Premierminister“ spekulierte genau darüber.

Ein Berater erzählte: „Tony weiß noch nicht, was ihn wirklich berühren wird. Was er am meisten vermissen wird, ist das Abgeschnittensein von Spitzen-Informationen. Er wird keine Geheimberichte und -papiere mehr bekommen und keine Informationen, die ihm sagen, was wirklich los ist in Großbritannien und im Rest der Welt.“

Lord Powell, ehemals die rechte Hand von Ex-Premierministerin Margaret Thatcher, sagte einmal: „Wenn man nicht mehr Premierminister ist, wechselt man in kürzester Zeit vom Zustand ‚alles wird arrangiert’ zu ‚alles alleine machen’. Eine sehr irritierende Erfahrung. Ich erinnere mich an einen Anruf von Lady Thatcher, kurz nachdem sie Downingstreet Nr. 10 verlassen hatte. Es war ein Sonntag und sie hatte ein Problem mit der Toilettenspülung. Ich sagte zu ihr: ‚Meine Liebe, es ist am besten, einen Klempner zu rufen.’ Nach einem langen Schweigen: ‚Und wie mache ich das?’“

Man nimmt auch an, dass Blair und seine Frau Cherie in die USA ziehen werden, in die Gegend von Yale, wo ihr Sohn studiert. Blair könnte leicht etwa 30.000 Pfund pro Auftritt verdienen, wenn er sich in Amerika auf eine Vortrags-Tour begibt. Auf diese Weise könnte er auch vermeiden, politische Linien zu Hause zu behindern.

Der ehemalige konservative Premierminister John Major erklärte das so: „Ein ehemaliger Premier ist ein ziemlich seltener Fisch in der Politik. Wenn sie nichts sagen, was tun sie dann überhaupt dort? Wenn sie etwas sagen, ist die Versuchung groß, daraus eine indirekte Attacke auf deinen Nachfolger zu konstruieren. Deshalb ist es sehr schwierig, eine Rolle zu finden, die nicht ernsthaften Missinterpretationen Tür und Tor öffnet.“

Gesandter im Mittleren Osten?

Ein Bereich, in dem er sehr wahrscheinlich landen wird, ist der Mittlere Osten. George Bush ist sehr interessiert, so wurde berichtet, dass er als Gesandter des Landes in der Region tätig wird, und vermutlich wird Blair dieses Angebot nicht ablehnen.

Irak wird als Blairs größter politischer Misserfolg in den zehn Jahren seiner Amtszeit angesehen und hat seine Chancen vermindert, eine glanzvolle Hinterlassenschaft in der Region sicherzustellen. Enge Berater von Blair sagen, er wäre sehr interessiert, eine Vereinigung für verschiedene Glaubensrichtungen zu gründen, um für Frieden im Land zu sorgen.

Tatsächlich könnte das Motiv für seinen Besuch bei Papst Benedikt am Samstag eine Buße für seinen Fehler gewesen sein. Der Papst ist ein vehementer Kritiker des Krieges. Von Blair hieß es nach dem Treffen, er überlege, ob er zum Katholizismus konvertieren solle, aber der Pontifex stellte ihn besonders heraus bei seiner Kritik über seine Art, den Krieg zu führen.

Aber es könnte sein, dass was auch immer Blair in den kommenden Jahren tun wird, es kaum mehr ist, als das Gefühl aus sich herauszulösen, das entstanden ist, als er Chef des Landes war.

Der Tory-Abgeordnete Kenneth Clarke hat während seiner politischen Laufbahn fünf Premiers kommen und gehen gesehen. Er zieht das Resümee: „Ich glaube, wenn man zu ihnen allen sagen würde, dass es durch ein erstaunliches Wunder möglich wäre, dass sie morgen wieder zurückkehren und Premierminister sein könnten mit all der Hetze, der Anspannung, der Kritik und all den Krisen, sie würden alle sofort darauf anspringen und auf schnellstem Wege wieder ihr Amt antreten.“



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