Chávez verliert seine Macht

Von 1. August 2011

Caracas, Venezuela – Unabhängig davon, wie der Kampf gegen seine geheimnisvolle 
Krankheit ausgeht, darf man mit Recht sagen, dass Hugo Chávez weniger Macht über seine Anhänger hat.

Seine Anhänger haben entdeckt, dass Chávez, der seit 1999 Präsident von Venezuela ist, wenig an ihrem Land liegt. Er regiert es ohne Bedenken von Havanna aus, als ob es nur ein kolonialer Vorposten des kubanischen Reiches wäre. Mehr noch sind sie darüber schockiert, dass ihr geliebter Führer ein sterblicher Mensch ist, der vielleicht nicht für immer garantieren kann, dass sie von diesem Regime profitieren können.

Drei Wochen Abwesenheit

Chávez‘ Missmanagement in der ganzen Situation erinnert im Twitter-Zeitalter an die Geheimniskrämerei des Kalten Krieges. Aufgrund seiner mysteriösen Abwesenheit in der mittlerweile dritten Woche kursieren in Venezuela Gerüchte, dass der Krieg um seine Nachfolge innerhalb der „Chavismo“-Bewegung begonnen hat. Diese linke Ideologie basiert auf Chavez‘ populistischem Credo.

In der Zwischenzeit fordert die Opposition, dass das Gesetz eingehalten werden muss, demzufolge Chávez einen Interimspräsidenten zu ernennen hat, während er sich erholt. Chávez jedoch kann eine solche Teilung der Macht, wenn auch nur vorübergehend, nicht dulden; es würde immerhin dazu führen, dass er nicht unverzichtbar ist. Doch das verbietet sich politisch für jemanden, der eine Präsidentschaft auf Lebenszeit anstrebt.

Und doch weist alles, was er tut oder nicht tut, auf seine neue Verwundbarkeit hin.

Zuerst gab es die „alte Knieverletzung“, die Chávez dermaßen arbeitsunfähig machte, dass er zum ersten Mal seit Jahren seine Schmähauftritte im Fernsehen nicht fortsetzen konnte.

Dann war es die Operation eines geheimnisvollen Beckenabszesses Anfang Juni in Havanna. Am vergangenen Donnerstag jedoch veröffentlichte das Wall Street Journal einen Artikel, demzufolge der Präsident wegen Prostatakrebs behandelt wurde, was bis jetzt nicht dementiert wurde. Auch gibt  es hartnäckige Gerüchte von Metastasen, die nicht ignoriert werden können.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Probleme Venezuelas, die schon vor Chávez‘ Erkrankung auftraten, durch die Unfähigkeit der Minister, die er weiter im Amt ließ, noch verschärft haben.

Zuerst scheiterte sein Vorschlag, zwei Millionen Häuser zu bauen und sie fast kostenlos seinen Unterstützern zukommen zu lassen. Um zu einem Erfolg zu werden, müssten bis zum 30. Juni mindestens 50.000 neue Einheiten zur Verfügung gestellt werden. Doch das geschieht nicht. Stattdessen verbot Chávez Privateigentum und erlaubte den Mietern, die Mietobjekte, in denen sie wohnen, einfach in Besitz zu nehmen. In der Praxis machte dies jede Möglichkeit für den privaten Wohnungsbausektor zunichte.

Zweitens brach die Stromkrise von 2009 und 2010, deren Ende uns mit großem Tamtam verkündet wurde, erneut aus und verursachte schwerwiegende Stromausfälle inmitten einer Hitzewelle. Die jüngste Krise zwang die Regierung, eine noch strengere
Rationierung als die letzte, die gescheitert war, durchzusetzen. Dass die jüngste Stromkrise auftrat, während alle Dämme Venezuelas voll ausgelastet sind, lässt sich nur auf die Misswirtschaft des Regimes im Bereich dieses Sektors zurückführen. Es ist offensichtlich, dass Venezuelas sehr schwache Konjunkturerholung sowie das Programm des Baus kostenloser Häuser so gut wie tot sind.

Drittens provozierten die entsetzlichen Verhältnisse in den venezolanischen Gefängnissen einen großen Aufstand der Häftlinge, die die Nationalgarde und die Armee eine Woche lang abwehren konnten. In den venezolanischen Gefängnissen herrscht schlimmere Gewalt als in allen anderen Gefängnissen in ganz Amerika: in ihnen werden jedes Jahr rund 500 Häftlinge ermordet. Waffenbesitz und Drogenhandel sowie ein florierendes Geschäft mit Lösegelderpressung und Prostitution, die über Mobiltelefone kontrolliert werden, sind an der Tagesordnung.

Dies kann nur durch die extreme Korruption der Nationalgarde und die Weigerung des 
Regimes, mehr Gefängnisse zu bauen, erklärt werden. Denn dort gibt es schon eine gefährliche, mehr als doppelt so hohe Überbelegung.

Das Regime implodiert

Das Regime verspricht, Chávez werde am zweihundertsten Jahrestag der Unabhängigkeit Kolumbiens am 5. Juli wieder zurück sein. Da es am nächsten Tag auch einen großen Gipfel auf Margarita Island gibt, kann Chavez seine öffentliche Rückkehr nicht länger hinausschieben. Wenn er es doch tut, wird er sich für seine Abwesenheit verantworten müssen.

Doch beide Optionen werden ihm an dieser Stelle nichts nützen. Das Regime ist dabei zu implodieren, was entweder zu seinem Untergang oder zu einer neuen Radikalisierung und internen Säuberungen als einzigem Weg zum Machterhalt führen wird. Wie die Franzosen sagen: wir könnten ein fin de règne (Ende der Regierungszeit) oder noch Schlimmeres erleben.

Aufgrund der Situation in Venezuela ist der Name Daniel Duquenal nur ein Pseudonym. Als ehemaliger Wissenschaftler, der jetzt auf dem Lande in Venezuela lebt und seinen kleinen Familienbetrieb führt, gibt Daniel einen sehr beliebten Blog namens Venezuela News and Views heraus.

Artikel auf Englisch: Chavez Losing His Hold on Power

 

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion