Fassungslos und doch kämpferisch: Nizza stellt sich der Angst

„Die Stimmung vor Ort ist bedrückend“, sagt eine Touristin aus Berlin. Das Wochenende in Nizza habe sie sich anders vorgestellt. Nun herrscht eine beklemmende Schwere und Schweigen - bis auf die TV-Reporter, die ihren Job erledigen. Denn im Hintergrund wird gerade der weiße Lkw an einen Abschleppwagen montiert.
Titelbild
Der Lastwagen, mit dem ein 31 Jahre alter Tunesier ein Blutbad angerichtet hat, wird abgeschleppt.Foto: Andreas Gebert/dpa
Epoch Times15. Juli 2016

An einem Absperrband hängt die Tricolore mit einem Trauerflor. Menschen stehen fassungslos davor. Reden will an diesem Ort eigentlich keiner.

Zwei junge Männer legen wortlos einen Strauß weißer Lilien eingangs der Rue du Congres in Nizza nieder. Es herrscht eine beklemmende Schwere. Und Schweigen, bis auf die TV-Reporter, die ihren Job erledigen – im Hintergrund wird gerade der weiße Lkw an einen mächtigen gelben Abschleppwagen montiert. Der Lkw, mit dem ein 31 Jahre alter Tunesier ein Blutbad angerichtet und 84 feiernde Menschen auf der Proménade des Anglais in den Tod gerissen hat.

Es herrscht umso mehr Fassungslosigkeit, je näher der Ort dieses schrecklichen Geschehens rückt. Weitläufig ist die Promenade abgesperrt. An den Zugangswegen und -straßen sind Barrikaden aufgebaut. Nur wer in einem Hotel direkt am Ufer der Côte d’Azur gebucht hat, wird von den Polizisten durchgewunken. Während sich die Touristen und Einheimischen in Cannes und den Nachbarorten von der Sonne verwöhnen lassen und ins azurblaue Wasser steigen, bleibt der Strand von Nizza entlang der Promenade leer.

„Es war wie ein Schlachtfeld“, erinnert sich Hamish Ky. Der 28-Jährige stammt aus Neuseeland. Dass ein Lkw für die Tat genutzt wurde, „macht einem Sorgen für die Zukunft“, sagt er. Er besucht derzeit seine französische Freundin, die in einem Lokal in einer der Zugangsstraßen zu der Strandpromenade arbeitet. An diesem Freitag ist der Laden am späten Nachmittag praktisch menschenleer.

„Die Stimmung vor Ort ist bedrückend“, sagt eine Touristin aus Berlin. Das Wochenende habe sie sich anders vorgestellt, am geplanten Abreisetermin werde aber festgehalten – sie will bis Sonntag bleiben.

Nun hat der Terror seine grausamen Spuren also auch in dieser französischen Stadt hinterlassen. Aber nicht im Zentrum. Der Schaffner des Schnellzugs wünscht noch einen schönen Tag, in der Innenstadt herrscht so etwas wie reges Alltagsleben. Von einem erhöhten Polizeiaufgebot am Bahnhof ist auch nichts zu sehen. Vor den Eingängen patrouillieren bloß fünf Beamte – während der gerade beendeten Fußball-EM waren es an solchen Orten meist deutlich mehr.

Die Cafés in der Avenue Jean de Medecin sind recht gut besucht, die Menschen genießen das herrliche Wetter bei weit über 20 Grad sowie einen strahlend blauen Himmel. Es ist nicht laut, aber ein geschäftiges Treiben. Noch ist nicht viel zu merken von dem, was Frankreich, Europa und die ganze Welt in seiner Brutalität und Unfassbarkeit erschüttert hat. Und vielen wieder bewusst gemacht hat, dass dieser Terror jeden treffen kann.

So wie Guy Thomas, 50 Jahre, Brite, der in Hongkong lebt und mit zwei Kumpels am Donnerstag auf den Mont Ventoux zur Etappe der Tour de France gekommen war. „Wäre die Tour anders geplant gewesen, wären wir wohl auch in der Menge gewesen“, meint er, während er gerade sein Rad wieder zusammenbaut nach der Fahrt mit dem Zug von Avignon nach Nizza: „Es ist so traurig.“

Wieder stemmt sich eine Stadt dagegen, sich dem Terror und der Angst zu beugen. Davon künden auch Plakate, die eilig an Bäumen an der Flaniermeile befestigt wurden – ob wütend mit dem Bild eines ausgestreckten Mittelfingers in den französischen Nationalfarben oder lyrisch: „Sie sind gekommen, um den Himmel zu bewundern, nun sind auf dem Weg dorthin #BetetfürNizza.“ Oder auch singend, wie Andrea, der aus Italien stammt, aber in Frankreich lebt. „Wir wollen den Menschen ein Lächeln zurückgeben“, sagt er. An seinem Roller hängt eine Kühlbox, darauf steht: „Weil wir keine Angst haben.“ (dpa)



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