Gao Zhisheng und der Tag der Menschenrechte

In Dachau hatte der Tag der Menschenrechte 2011 ein besonderes Thema: Menschenrechtsverletzungen in China - auch am Beispiel der friedfertigen Falun Gong-Anhänger und verfolgter Christen sowie deren Anwälte.
Titelbild
Gao Zhisheng, seine Frau Geng He, die jetzt 18-jährige Tochter Gege und der 7-jährige Sohn Tianyu, als sie noch in China zusammen waren.Foto: The Epoch Times
Von 11. Dezember 2011

Direkt neben der KZ-Gedenkstätte Dachau liegt ein christliches Kloster. Es wurde 1964 eingeweiht, ist Sitz des Ordens Karmel und beherbergt 21 Schwestern. Eine schlichte Kapelle befindet sich auf dem Gelände, sie hat ein bemerkenswertes Glasfenster. Es ist weiß, aber in das Weiße sind an einer Stelle kleine rote Glasstückchen eingearbeitet, die wie ein großer Blutstropfen zusammen wirken, und an das grausame Unrecht erinnern, das den Häftlingen von Dachau während des Nationalsozialismus geschehen ist.

Gegenüber der Kapelle ist der Lesesaal. Dort findet anlässlich des 10. Dezember 2011, des Internationalen Tags der Menschenrechte, unter der Schirmherrschaft des Klosters und Pater Klaus Schultz eine Veranstaltung statt. Man gedenkt der Menschen, die auch heute noch wegen ihres Glaubens, ihrer politischen Meinung und ihrer Weltanschauung verfolgt und getötet werden. Kein Ort wäre passender für eine solche Veranstaltung.

Vertreter der Menschenrechte wie Amnesty International und die IGFM (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte) sind da, genau wie Diakon Klaus Spiegel und Anhänger der Meditationsgruppe Falun Gong, die in China verfolgt wird. Schwerpunkt ist dieses Mal die Situation der Menschenrechte in China. Kornelia Plötz, die das Treffen mit organisiert hat, berichtete von einem chinesischen Anwalt, Gao Zhisheng, der Christ ist und sich für entrechtete Bürger, für Falun Gong-Praktizierende und für Mitglieder christlicher Hauskirchen eingesetzt hatte. In den Augen der chinesischen Regierung scheint das ein Verbrechen zu sein. Zu den Mandanten von Gao Zhisheng gehörte auch Zheng Yichun, Journalist und ehemaliger Professor, der wegen seiner im Internet verbreiteten Artikel zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde, und Pastor Cai Zhuohua, der wegen angeblich „illegaler Geschäftspraktiken“ – gemeint war damit Druck und Verkauf von Bibeln – eine dreijährige Haftstrafe zu verbüßen hatte.

Verfolgte Mandanten – verfolgter Anwalt

Nachdem Gao Zhisheng diese Mandanten vertreten hatte wurde er und seine Familie ebenfalls verfolgt. Gao Zhisheng wurde seit dem Jahr 2006 immer wieder verhaftet und gefoltert, war und ist mit kurzen Unterbrechungen „verschwunden“. Aktuell weiß niemand, wo Gao Zhisheng ist, und ob er überhaupt noch lebt. Seine Frau und seine beiden Kinder konnten nach Amerika fliehen, wo sie sich noch heute aufhalten. Dokumente aus dem Leben und Arbeit von Gao Zhisheng wurden in einem Buch zusammengestellt mit dem Titel: „Chinas Hoffnung“ (agenda-Verlag, ISBN 978-3-89688-355-1).

Gao Zhisheng ist zusammen mit sechs Geschwistern in großer Armut aufgewachsen, und wurde streng aber aufrecht erzogen. Obwohl die Familie so arm war, kam so etwas wie Stehlen von Früchten anderer – auch aus Hunger – nicht in Frage. Der Vater von Gao Zhisheng starb früh, und Gao Zhisheng musste in einer Kohlenmine arbeiten. Danach trat Gao Zhisheng in die Volksbefreiungsarmee ein. Als er 1991 einmal als Gemüsehändler arbeitete, benutzte Gao Zhisheng mangels Plastiktüten Zeitungspapier, um das Gemüse darin einzuwickeln. Einmal fiel eine Zeitungshälfte auf den Boden und als Gao Zhisheng sie aufhob, sah er, dass es die „Legal Daily News“ war. Die Zeitung berichtete, dass China in den nächsten 10 Jahren 150.000 Rechtsanwälte benötigte und der beste Weg, die Qualifikation zum Rechtsanwalt zu erhalten, ein Berufsabschluss in Recht durch Selbststudium sei.

Daraufhin widmete sich Gao Zhisheng diesem Studium mit großen Engagement und Selbstdisziplin, denn er kannte keinen Richter, der ihn gefördert hätte, wie das in China üblich ist. Gao Zhisheng hat schließlich alle notwendigen Prüfungen bestanden und ist zu einem sehr erfolgreichen Anwalt geworden, der auch aussichtlose Fälle erfolgreich beendet hat. Bis Gao Zhisheng dann durch die Verteidigung der oben genannten Mandanten in Ungnade bei der Regierung gefallen ist und tagelang gefoltert wurde.

Chinas Hoffnung

Frau Teng-Schwägerl las bei der Veranstaltung aus dem Buch von Gao Zhisheng vor. Nicht nur er wurde unmenschlich gefoltert, er hat auch beobachtet, wie Falun Gong-Praktizierende gefoltert wurden, von denen ersagt: „Wir haben es mit einer Gruppe von Heiligen zu tun. Ihr unbezähmbarer Geist, ihr edler Charakter und ihre großzügige Seele, die ihnen ermöglichen, denen zu verzeihen, die ihnen Gewalt angetan haben, sagen uns, dass es noch Hoffnung für China gibt. Das sind die Gründe, warum wir standhaft weitermachen müssen!“

„In diesen vergangenen zwei Wochen habe ich von unbeschreiblicher Gewalt erfahren, die diesen freundlichen Menschen angetan wurde. Betrachten wir nur einmal, wie Polizei und Parteikader Frau WANG Yuhuan, eine friedliche alte Frau, behandelt haben! Sechs Jahre lang haben sie ihren Körper und Geist mit solch furchtbaren Mitteln vergewaltigt, dass mir das Blut kocht.

Zwanzig Polizisten wechselten sich ab, als sie sie vierundzwanzig Stunden lang folterten, bis sie selbst erschöpft waren und nur noch verzweifelte Wut zeigen konnten. Das gesamte Arsenal an Folterinstrumenten wurde eingesetzt, um Frau WANG, eine ältere Frau, dreimal in siebzehn Tagen zu foltern. Einmal wurde sie drei Tage und Nächte lang auf die Tigerbank gebunden.

Nachdem zwei Wochen vorüber waren und ich von diesen Erlebnissen gehört hatte, fing ich an, alle Hoffnung zu verlieren, die ich jemals in die Partei gesetzt hatte. Diese Partei hat die schrecklichsten, unmoralischsten und höchst gesetzeswidrigen Mittel eingesetzt, um unsere Mütter zu foltern, unsere Kinder zu foltern und um unsere Brüder und Schwestern zu foltern. Die Partei hat der Folterung einen politischen Rang verliehen und zu einem festen Bestandteil der Arbeit gemacht, die die Parteimitglieder ausführen. Die Partei versucht unaufhörlich, durch Folterungen zu erreichen, dass die Menschen ihr Gewissen, ihre Freundlichkeit und menschliche Würde aufgeben.“ (Gao Zhisheng ist deshalb aus der Partei ausgetreten.)

„Während meiner Zeit mit der Falun Gong-Gruppe entdeckte ich noch eine andere erfreuliche Tatsache. Obwohl die Gesellschaft als Ganzes einen Verfall erlebt bezüglich des Charakters, des Gewissens, der Moral, der Menschlichkeit und der Verantwortlichkeit des Volkes, geschieht genau das Gegenteil bei diesen Menschen – ihr Geist und ihre Moral haben sich von Grund auf, auf eine neue und positive Art, geändert. Sie sind eine so eindrucksvolle neue Menschengruppe, als ob sie mit ihrem völlig neuen transzendenten Denken und Fühlen aus der alten Nation Chinas herauswachsen und weiter emporsteigen. Man kann spüren, wie die Kraft des Glaubens ihre Seelen verändert. Das hat mir in der Tat die Hoffnung gegeben, dass unsere Nation aus ihrem gegenwärtigen entarteten Zustand gerettet werden kann. Diese Praktizierenden kümmern sich wenig um ihren Namen oder um materielle Dinge. Ruhig und beständig helfen sie anderen Praktizierenden, deren Leben in Gefahr ist. Ihre geduldige Ausdauer, den Kindern oder älteren Familienmitgliedern von inhaftierten oder verstorbenen Falun Gong-Praktizierenden zu helfen, liegt außerhalb jeder Vorstellungskraft.“

„Falun Gong-Fälle sind etwas, das ich vor einigen Jahren noch nicht angerührt habe, und zwar aus einem fundamentalem Grund: Jeder Anwalt weiß, dass die betroffene Regierungsbehörde es ihm nicht erlaubt, in diese Fälle involviert zu werden. Es ist nicht notwendig herauszufinden, ob irgendjemand irgendein Dokument gesehen hat, das diesen Erlass enthält. Man sollte sich auch nicht fragen, ob Absicht und feste Entschlossenheit, die Anwälte daran zu hindern, solche Fälle zu übernehmen, existieren – zweifelsohne tun sie das. Fragen Sie irgendeinen Anwalt und er wird Ihnen erzählen, dass dieses Verbot definitiv auf den Plan trat, als Falun Gong 1999 verboten wurde. Und doch hat kein Anwalt es jemals schriftlich gesehen. Der Vorteil, einen nicht greifbaren Erlass zu besitzen, besteht darin, dass die Behörden, während sie die Anwälte unter Zwang setzen, zu jeder Zeit öffentlich erklären können, dass die ‚Gerüchte‘ über diesen Erlass ‘gefälscht‘ sind. Diejenigen, die etwas anderes sagen, verübten ‘bösartige Attacken‘ gegen Partei und Regierung.“

Inszenierte Selbstverbrennung und andere Ungereimtheiten

Nicht nur Gao Zhisheng setzt sich für Falun Gong-Praktizierende, Uiguren und Tibeter ein, auch der Heidelberger Hubert Körper von der IGFM. In einem Lichtbild-Vortrag vor Ort berichtete Körper von der angeblichen Selbstverbrennung der angeblichen Falun Gong-Praktizierenden im Jahr 2001, die aber von der Regierung inszeniert und gefilmt worden war, und dann im chinesischen Fernsehen den Zuschauern immer wieder gezeigt wurde. (Bei der genauen Analyse der Bilder konnte man sehen, dass z.B. die Plastikflasche zwischen den Beinen eines der Brandopfer nicht verbrannt war, auch die Haare nicht). Ähnliche Ungereimtheiten zeigten sich auch bei dem angeblichen Aufstand der Tibeter, als sich herausstellte, dass einer der angeblich bewaffneten Tibeter in Wirklichkeit ein verkleideter chinesischer Polizist war. Ungewöhnlich viele Todesurteile werden ausgerechnet in der Heimat von Uiguren ausgesprochen, einem Volksstamm muslimischen Glaubens. Das sei schon auffallend, meinte Körper.

Auch bezieht er sich auf die kanadischen Menschenrechtsanwälte David Matas und David Kilgur, die anhand ihrer Untersuchungen nachweisen konnten, dass die Zahl der Organtransplantationen seit der Verfolgung von Falun Gong in China drastisch angestiegen sind. So drastisch, dass die benötigte Menge von Transplantaten nicht mehr nur von Hingerichteten bezogen werden konnte. Kilgour und Matas fanden durch Telefon-Anrufe in Kliniken, bei denen sie sich als „Kunden“ ausgaben, heraus, dass die Organe tatsächlich von Falun Gong-Praktizierenden stammen. Die Anzahl der in China zum Zweck der Organtransplantation getöteten Falun Gong-Anhänger wird auf 41.000 geschätzt.

Die Amnesty International-Gruppe Kirchen und Religionsgemeinschaften, München, erinnerte an den Fall des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiabo und seiner unter Hausarrest stehenden Frau in Zusammenhang mit der seit 1961 durchgeführten Menschenrechtsarbeit von Amnesty International. Die Menschenrechtsverletzungen in der VR-China wurden von Matthias Röth von Amnesty International in einem zehnminütigen Vortrag vorgestellt.

Pastor Spiegel erinnerte an Dorothea Sölle, die gesagt hatte „Man kann Gott nicht präziser leugnen als mit dem Satz: „Man kann sowieso nichts daran ändern.“ Zum Schluss führte Pater Klaus die Gruppe ins Kloster zu den Karmelitinnen, die für die Opfer sangen und beteten.

 



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