Panik unter den Flüchtlingen: Kenia will Hunderttausende loswerden

Insgesamt leben in Kenia nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 600 000 Flüchtlinge, zumeist Somalier. Am 6. April kündigte die kenianische Regierung an, die beiden größten Flüchtlingslager zu schließen. Die Regierung befürchtet, dass die somalische Terrormiliz Al-Shabaab in den Lagern Kämpfer rekrutiere.
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Kinder im Flüchtlingslager 1 in Kakuma in Kenia. Insgesamt gibt es vier solcher Lager in Kakuma.Foto:  Dominic Nahr/dpa
Epoch Times16. Mai 2016
„Abdi Rashid“, sagt der Junge mit leiser Stimme. „Er heißt Abdi Rashid“, ruft Schuldirektor Joseph Waiyaki auf Englisch. „Er kommt aus Somalia!“. „Er kommt aus Somalia“, wiederholen die rund 70 Schüler, die in dem Klassenzimmer auf dem Boden sitzen, im Chor.

Es ist Englischunterricht in der „Mogadisho“ Schule im Flüchtlingslager in Kakuma. Am Morgen gab es keine Tafelkreide – und keinen Lehrer. So musste Waiyaki improvisieren.

Die sechs- bis 13-jährigen Schüler haben ihre Wurzeln in Kenias Nachbarländern Somalia, Südsudan, Burundi, Ruanda, Kongo und anderen Krisenstaaten Ostafrikas. Insgesamt leben in Kenia nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 600 000 Flüchtlinge, zumeist Somalier.

Am 6. April kündigte die kenianische Regierung an, die beiden größten Flüchtlingslager zu schließen – „aus Sicherheitsgründen“, hieß es. Die Regierung befürchte, dass die somalische Terrormiliz Al-Shabaab in den Lagern Kämpfer rekrutiere. Mehr als 180 000 Menschen leben im Camp Kakuma im Nordwesten Kenias, mehr als 340 000 Menschen im größten Flüchtlingslager der Welt in Dadaab, im Osten des Landes.

Die internationale Gemeinschaft reagierte auf die Ankündigung mit heftiger Kritik. Das Vorgehen sei „verantwortungslos“ und „rechtswidrig“, rügten Hilfsorganisationen und auch das US-Außenministerium. Die Schließungen würden gegen die Regelungen zur freiwilligen Rückkehr verstoßen, denen Kenia zugestimmt habe. Zugleich riefen die Organisationen westliche Länder dazu auf, mehr Flüchtlinge aus Ländern am Horn von Afrika aufzunehmen.

Unter den Flüchtlingen sei nach Bekanntwerden der Ankündigung Panik ausgebrochen, sagt Duke Mwancha vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in der Hauptstadt Nairobi. „Viele Flüchtlinge haben uns angerufen und gefragt, was sie tun sollten, oder wie sie sich vorbereiten sollten.“ Die Hälfte der 380 000 somalischen Flüchtlinge in Kenia sei nie in Somalia gewesen. „Viele Menschen sind hier geboren“, weiß Mwancha. Immerhin bestünden die beiden Camps schon seit rund 25 Jahren.

„In Dadaab warten vier Patienten auf ihre Überstellung nach Nairobi“, berichtet Liesbeth Aelbrecht, Leiterin von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Dadaab. Kenia hatte nach der Ankündigung umgehend die Behörde für Flüchtlingsangelegenheiten geschlossen, die für Überstellungen notwendige Dokumente ausstellen müsste.

Kenias Regierung verteidigte die Entscheidung. Auch Europa mache seine Grenzen dicht und US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump wolle einen Grenzwall bauen, twitterte das Innenministerium. „In Europa weisen reiche, wohlhabende, demokratische Länder Flüchtlinge aus Syrien ab, einer der schlimmsten Kriegsgebiete seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Joseph Nkaissery vom kenianischen Innenministerium.

Vor wenigen Tagen teilte Kenias Innenministerium mit, das Camp in Kakuma vorläufig erhalten zu wollen. Die Gefahr gehe vorwiegend von Dadaab aus, hieß es. Terrorangriffe wie etwa der auf das Einkaufszentrum Westgate in Nairobi 2013 und der auf die Garissa Universität im vergangenen Jahr sollen der Regierung zufolge dort geplant worden sein. Experten konnten diese Aussage nicht bestätigen.

Seit Ende 2011 beteiligen sich kenianische Truppen an der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) im Kampf gegen die Al-Shabaab. Die Terrormiliz hat Kenia seither im Visier. Bei Angriffen der Al-Shabaab in Kenia wurden nach Angaben der Risikoberatung Verisk Maplecroft seit 2012 mehr als 800 Menschen getötet. Die Angst vor weiteren Anschlägen sei demnach begründet.

Für die Schüler in Kakuma geht der Unterricht also zunächst einmal weiter. „Sie heißt Muton“, ruft Waiyaki der Klasse zu. „Sie kommt aus Burundi!“ Die Mädchen und Jungen wiederholen eifrig.

(dpa)


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