Marek Janowskis Siegfried in der Philharmonie Berlin stürmisch gefeiert

Titelbild
Marek JanowskiFoto: Felix Broede
Von 2. März 2013

Ein gigantischer Publikumserfolg mit einigen Überraschungen gelang Marek Janowski und seinem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin am Freitagabend in der Philharmonie Berlin. Nach über zwei Monaten Pause ging der Wagner-Zyklus weiter mit Teil Drei des „Ring des Nibelungen“: „Siegfried“. Der Dirigent, das hochmotivierte Orchester und eine Solistenriege in optimaler Tagesform schafften es, nahtlos an den musikalischen Triumph der „Walküre“ anzuknüpfen und das Publikum auf der gesamten Werklänge von über vier Stunden zu begeistern.

Schon das Vorspiel zog einen magisch in die Welt des wilden Waldes hinein, in dem irgendwo in einer finsteren Höhle der Drache Fafner auf dem Nibelungen-Hort liegt: Aber keineswegs wurden die düsteren Tubaklänge des Drachen-Motivs wie Kaugummi behandelt, nein, hier ging es zackig zur Sache. Janowski fand für den ersten Akt eine Geschwindigkeit, die perfekt war: Einerseits erzählerisch genug für Atmosphären und Details und andererseits fließend genug für flotte Dialoge und Dramatik. Diese Rasanz lenkte er im zweiten und dritten Akt in die lyrischeren Bahnen eines großen Flusses, der stets seine Spannung und Prägnanz behielt, ohne je gemacht zu wirken.

Ja, es war ein Glücksfall, dass er die Musik einfach wie ein Metronom ticken ließ. Die Höhepunkte ergaben sich wie von selbst und die Singstimmen „surften“ geradezu auf diesen dramaturgischen Wellen.

Das Vorurteil, dass „Siegfried“ unter den Wagneropern auf dem Konzertpodium ein Sorgenkind wäre, wurde von der ersten Sekunde an gründlich widerlegt. Und ausgerechnet ein Mann, den wir vom „Rheingold“ als ziemlich lauen Loge in Erinnerung hatten, leistete dazu den Hauptbeitrag: Es war Christian Elsner als Mime – die künstlerische Überraschung des Abends und kaum wiederzuerkennen! Die Rolle des Zwergen-Stiefvaters hatte in ihm offenbar das geweckt, was Fachleute die „Rampensau“ nennen. Seinen glatten und klangschönen Tenor vergewaltige er nun genüsslich. Zeternd, krächzend, kreischend und mit diebischer Spielfreude schenkte er dem Publikum einen Mime, dem man amüsiert und fasziniert lauschte.

Elsners hemmungslosem Mut zur Hässlichkeit stand Stephen Goulds warm strömender, fast baritonal gefärbter Tenor mit noblem Grundtimbre gegenüber. Ein sehr gesanglicher Siegfried, durch den das Göttliche seiner Herkunft schimmerte und der durch Geschmeidigkeit und Ausdruck bestach, auch in der zupackenden Schmiedeszene. Also hatten sich zwei Idealbesetzungen gefunden, die nicht besser hätten kontrastieren können und die mit perfekter Textverständlichkeit die Fetzten fliegen ließen.

Und auch mit dem gut gelaunten Wanderer von Tomasz Konieczny gelang ein spannender Dialog: Plappernd und flüsternd gewann Christian Elsner auf jeden Fall schauspielerisch gegen den stählern timbrierten Bass, der es nicht lassen konnte, vokal die Muskeln spielen zu lassen. Denn Koniecznys Souveränität bei der Darstellung des Göttervaters stützt sich vor allem darauf, dass seine Stimme selbst die wuchtigsten Klangmassen durchschneidet. Dies nutzte wiederum Janowski, um die Rätselszene mit exorbitanten Lautstärken zu unterstreichen – aber hinreißend!

Im zweiten Akt folgte der mit Spannung erwartete Auftritt Jochen Schmeckenbechers, der schon im Rheingold ein furioser Alberich gewesen war. Auch er bot wieder Intensität, die sich gewaschen hatte und das in Stimme, Textbehandlung und Darstellung. Jedes einzelne seiner Worte atmete Häme, Enttäuschung und Intrige.

Sängerlegende Matti Salminen adelte die Aufführung durch seine Anwesenheit und seine Ausstrahlung. Er sang Fafner, „den Wurm“, durch einen Metalltrichter, der sich mit einem unnachahmlichen „lasst mich schlaaaaafen“ auf die andere Seite dreht, verzichtete jedoch im Folgenden auf alle Drachenbrüller, die seinem Auftritt noch mehr Bedrohlichkeit verliehen hätten. Mit seiner Ausnahmestimme, deren Volumen fast erloschen ist, die aber immer noch großes Charisma besitzt, ließ er den Riesen komplett im Piano sterben, was mutig war und berührte.

Danach kam Sophie Klußmann von der Orgelempore aus, als lupenreiner Waldvogel und nach der Pause die kraft- und gefühlvolle Altistin Anna Larsson Erda.

Der dritte Akt des Siegfrieds hat manchmal gefährliche Längen, weil sich die Handlung gegen Ende hin immer weiter entschleunigt. Diese Klippen wurden gemeistert: Janowski hob das Klangbild von der Leichtigkeit des Vorhergegangenen auf eine mythische Ebene zurück und man erlebte Siegfrieds Ankunft auf Brünnhildes Felsen sehr atmosphärisch, als gelungene Rückblende auf die „Walküre“.

Stephen Gould schaffte es, seine monumentale Rolle als Siegfried so gut zu balancieren, dass er der erwachenden Brünnhilde Violeta Urmana tadellos gewachsen war. Und diese bezauberte durch einen runden und strahlenden Klang in jeder Tonlage: Walkürenkraft, die durch Sensibilität gebändigt war. Das glänzende Jubelfinale des Liebespaares krönte ein maximal pointierter, temperamentvoller Aktschluss.

Das Publikum in der Philharmonie war außer Rand und Band. Als der völlig erschöpfte Marek Janowski schließlich aufs Podium kam, stand mit einem Ruck der ganze Saal von den Stühlen auf. Größer kann man eine Aufführung nicht feiern.



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