Millionen leiden unter psychischen Störungen – Werden Syriens Kinder zu einer verlorenen Generation?

Nach sechs Jahren blutiger Kämpfe in Syrien bestehen kaum Zweifel daran, dass die Kinder unter psychosomatischen Stresssymptomen leiden. Die Hilfsorganisation "Save the Children" hat 450 Minderjährige und Erwachsene vor Ort befragt – die Aussagen lassen ein Trauma erahnen, mit dem eine ganze Generation ihr Leben lang kämpfen wird.
Titelbild
Kinder in SyrienFoto: ABD DOUMANY/AFP/Getty Images
Von 7. März 2017

Wie eine neue Studie der Hilfsorganisation „Save the Children“ zeigt, leiden die Kinder in Syrien nach sechs Jahren Krieg unter psychosomatischen Stresssymptomen. Der Krieg habe „unsichtbare Wunden“ in den Köpfen syrischer Kinder hinterlassen.

Seit sechs Jahren wüten die blutigen Kämpfe, der Bombenhagel über Wohngebieten, die Exekution von Vätern, Vergewaltigungen von Müttern und Töchtern. Syrien – einst Reiseland voller Kultur – steht nur noch für den aktuell wohl verheerendsten Konflikt der Welt. Mehr als 400.000 Menschen starben, Millionen flüchteten oder sind von Gewalt, Hunger und Krankheiten bedroht, schreibt „Focus“.

Save the Children hat 450 Minderjährige und Erwachsene befragt – die Aussagen lassen ein Trauma erahnen, mit dem eine ganze Generation ihr Leben lang kämpfen wird.

Wie Focus weiter berichtet, sei bei 84 Prozent der befragten die Bombardierung die Hauptursache für den psychischen Stress der Kinder. Die Kinder seien zunehmend aggressiv geworden, die Hälfte der Jugendlichen nehme Drogen. Jeder zweite Erwachsene will beobachtet haben, dass Kinder seit Kriegsbeginn die Fähigkeit zum Sprechen verloren oder Sprachstörungen entwickelt hätten. Jedes vierte Kind hat nach eigener Aussage niemanden, mit dem es reden kann, wenn es traurig ist.

Die elfjährige Sainab aus dem nordostsyrischen Hasaka erzählt, dass „viele Kinder sich nicht mehr an das Alphabet erinnern könnten, sie haben alles vergessen.“ Laut dem UN-Kinderhilfswerk Unicef soll es insgesamt mehr als 4000 Angriffe auf Schulen seit 2011 gegeben haben.

Laut der Expertin für Kinderschutz und mentale Gesundheit an der Universität Harvard, Alexandra Chen, kann die dauerhafte Ausschüttung von Stresshormonen langfristige Folgen haben, wie eine Reduzierung von Nervenverbindungen im Gehirn und eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Kinder. Ebenso könne das Risiko für Herzkrankheiten, Alkohol- und Drogenmissbrauch oder psychische Störungen bis ins Erwachsenenalter eine Folge davon sein.

Schule sei bei vielen Minderjährigen längst Vergangenheit, meint eine Entwicklungshelferin aus der Provinz Idlib. „Ich sehe Kinder unter 15 Jahren, die sich bewaffneten Gruppen angeschlossen haben, mit Gewehren an Checkpoints stehen“, sagt sie.

Syriens Kinder könnten zu einer verlorenen Generation werden

Aber auch unter den Kindern, die nach Europa gebracht wurden, sind viele Kinder des Krieges, Waisen, deren Eltern während der Bombardierungen starben. Oder einfach nur diejenigen, die in dem Chaos der Kämpfe verloren gegangen sind.

Nach Einschätzungen der Vereinten Nationen waren allein in Syrien in den Kriegsgebieten etwa 5 600 000 Kinder. Man kann sich das so vorstellen, schreibt die Reporterin Darja Aslamowa: Ein dreijähriges Kind überlebt in dem Haus, wo seine Eltern getötet oder verletzt sind. Ein schreiendes Kind kann ein „guter Onkel“ mitnehmen, der ihm Süßigkeiten oder Spielzeug gibt. Schon nach ein paar Wochen wird sich das Kind an den Onkel gewöhnen und nach ein paar Monaten bleiben über die Eltern nur vage Erinnerungen. Wenn sie denn überhaupt noch bleiben.

Nach Europa mitgebrachte Kinder erleichtern das Erhalten von Asyl, aber nach der Registrierung kümmert sich oft keiner mehr darum, wo sie verbleiben. Syrische Kinder können unterwegs problemlos von Flüchtlingen und Kriminellen anderer Nationalitäten aufgegriffen und missbraucht werden. Zum Teil werden sie dann Opfer des Menschenhandels und werden in die Sklaverei und Sexarbeit verkauft.

Aber auch Schleuser profitieren von Flüchtlingskindern.  Europol habe Beweise, dass manche Kinder und Jugendliche auf der Flucht sexuell missbraucht worden sind. „Es hat sich eine gesamte kriminelle Infrastruktur gebildet, die vom Migrantenstrom profitiert“, sagte Brian Donald, Stabschef der EU-Polizeibehörde. Kriminelle Banden, die bisher als Schleuser aufgetreten seien, wären dazu übergegangen, Flüchtlinge für Sexarbeit und Sklaverei auszunutzen.

Doch was wird aus den Kindern, die im Land geblieben sind? Die Kinder Syriens könnten zu einer verlorenen Generation werden, resümiert Focus. Ihre Wunden würden nicht mit dem Ende des Konflikts heilen und ihr Mangel an Bildung werde zu schweren wirtschaftlichen Schäden führen. Nach Ansicht der Studie sei es aber noch nicht zu spät, die Kinder zu retten: Die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung müsse genauso enden wie das Rekrutieren von Minderjährigen als Soldaten.



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