Wird das eine „schöne neue Welt“ mit Nachrichten von Journalisten-Robotern?

Die "New York Times", die "Washington Post", die Sender CNN und NBC, Yahoo News und Organisationen wie ProPublica gehören zu den Nachrichtenanbietern, die im Wahlkampf und bei der Berichterstattung am Wahltag auf Journalistenroboter setzen. Schafft das wieder Freiheit für individuelle Geschichten von echten Journalisten?
Titelbild
Journalisten im BundestagFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times5. November 2016

Wer in diesen Tagen in den US-Medien über die Präsidentschaftswahl liest, schaut womöglich  auf die Zeilen eines Journalistenroboters. Schon länger setzen Redaktionen auf Programme, bei denen Algorithmen aus Daten einen Text kreieren, und auf virtuelle Roboter, die sogar mit Nutzern kommunizieren können. All das wird nun auch im Wahlkampf eingesetzt – als Folge der ausgereiften Technologie und des Medienverhaltens der Wähler.

Die „New York Times“, die „Washington Post“, die Sender CNN und NBC, Yahoo News und Organisationen wie ProPublica gehören zu den Nachrichtenanbietern, die im Wahlkampf und bei der Berichterstattung am Wahltag auf solche Programme setzen. So startete etwa die „NYT“ in diesem Jahr einen Roboter im Chatdienst des Netzwerks Facebook. Nutzer bekommen dabei regelmäßig kurze Nachrichten des leibhaftigen Journalisten Nick Confessore.

Medien und Nachrichten sollen sich vertiefen

„Hi, hier ist Nick. Das Rennen hat sich am Wochenende gedreht“, könnte so eine Nachricht lauten. Bei Interesse können die Nutzer Details anfordern, die dann der intelligente Roboter herausgibt. Es sei eine Herausforderung gewesen, die richtige Form für diese Texte zu finden, sagt Confessore über das Programm. Laut Andrew Phelps, Produktdirektor bei der Zeitung, richten sich die Roboter erwartungsgemäß vor allem an Nutzer, die jünger und moderner sind als die klassische „NYT“-Leserschaft.

Die Hoffnung ist dabei, dass sie schließlich Medien und Nachrichten vertieft konsumieren – und so eine engere Beziehung zwischen Lesern und Reportern entsteht, wie Phelps erklärt. Die „Washington Post“ setzt am Wahltag etwa auf das Programm Heliograf, das eine Mischung aus von Menschen geschriebenen und automatisch erstellten Artikeln erzeugt. So entstünden Texte, die „besser sind als die aus einem automatischen System, die aber rascher aktualisiert werden können als jede von einem Menschen geschriebene Geschichte“, erklärt der Verantwortliche Jeremy Gilbert.

Nicht ganz neu das System

Vollautomatische Programme, die mit Hilfe eines Algorithmus aus Daten einen einfachen Text basteln, gibt es schon seit mehreren Jahren. Dazu nutzt das Programm zum Beispiel Unternehmenszahlen oder Sportergebnisse und baut sie in vorgefertigte Textbausteine ein. Die „Los Angeles Times“ hat etwa den „homicide report“, der über jedes Gewaltopfer berichtet, und den „quakebot“, der Daten zu Erdbeben sammelt und sofort veröffentlicht.

Die Nachrichtenseite ProPublica nutzt ein Programm, das Wahlprognosen und Daten zur Wahlkampffinanzierung sammelt und alle 15 Minuten einen aktuellen Text veröffentlicht. Ähnlich arbeitet PollyVote, das sich unter anderem dann auf die eintrudelnden Wahlergebnisse stützt. Entwickelt wurde dieses Projekt von der LMU München und dem Tow Center for Digital Journalism der University of Columbia.

Fertiger Text in Sekundenschnelle

Der Verantwortliche Andreas Gräfe mag daran vor allem, dass das Programm schon binnen Sekunden, nachdem die Daten verfügbar sind, einen fertigen Text ausspuckt und das Ganze in unbegrenzter Anzahl möglich ist. Studien in Europa hätten außerdem ergeben, dass die Nutzer nicht erkennen, ob ein Journalist oder ein Computer den Artikel geschrieben hat. Allerdings finden sie gemessen an der Lesbarkeit die menschlichen Texte besser – bei der Glaubwürdigkeit siegt die Maschine.

Damian Radcliffe von der University of Oregon hält den Einsatz der Journalistenroboter bei der US-Wahl für die logische Folge der weiterentwickelten Technologie und für eine gute Sache, um rasch Ergebnisse zu verbreiten. Dass die Maschinen den Journalisten ganz ersetzen könnten, fürchtet er nicht. Vielmehr könnten sie ihnen mehr Freiheit und Zeit ermöglichen – für Geschichten, die die Maschine nicht schreiben kann.  (afp/rls)



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