SECURITY – Sicherheit oder Selbstheilung?

Von 10. September 2012

Wer einen Kurort aufsucht, sehnt sich nach Gesundheit und Heilung; man möchte sich gern pflegen lassen (lat.: curare). Das lat. Substantiv „securitas“ bedeutet Gemütsruhe, in zweiter Linie Sicherheit. Sicherheit kommt nicht durch einen Kuraufenthalt zustande. Unser Wohlbefinden liegt weitestgehend in unserer Eigenverantwortung, der Selbst-Fürsorge und Selbst-Heilung (lat.: securare = sich selbst pflegen). Jedes Leben ist ein täglich neues Risiko, das letztlich niemals sicher sein kann. Das korrespondierende französische Verb secourir bedeutet Hilfe leisten.

In aller Munde heißt es heute: Hilfe zur Selbsthilfe. Wir brauchen das Vertrauen zu unserer ewigen Lebensquelle. Es geht nicht um ein Ich-Vertrauen, sondern um Selbst-Vertrauen. Das Ich steht dem Urgrund und letztlich auch der Inspiration im Wege.

Selbst-Verantwortung (engl.: self-responsibility) bedeutet nicht primär, für seinen Lebensunterhalt (Existenz) zu sorgen (es gibt sehr schicksalhafte Situationen, die dies nicht möglich machen), aber es geht um den Ruf des Kosmos, mit der Ur-Quelle, dem Ur-Grund in Kontakt zu kommen, um sich von der Trennung vom ursprünglichen Leben zu befreien.

Die bedingungslose Absichtslosigkeit ist vielleicht das entscheidende Mittel, das Lebenspendel in den Zustand der maximalen Instabilität zu bringen, wovor sich viele Menschen fürchten. Obwohl es paradox klingt, ist die Instabilität die höchste Form von Freiheit. Alles, was zu stabil, fest, fixiert ist, kann kaum noch schwingen.

In der englischen Sprache wird das Wort Absichtslosigkeit mit without intention umschrieben, während der Franzose dafür das Wort inintention (= Nicht-Absicht) benutzt.

Ich führe hiermit zwei neue englische Worte in die Sprache ein:

• absichtslos intentionless

• Absichtslosigkeit intentionlessness

Die Absichtslosigkeit ist ein Wegsehen, ein Abstandnehmen von einseitig zielgerichtetem Handeln, Abwendung von Anstrengung Anspannung. Das englische Wort intention hat mit lat. intendere (anspannen, steigern, streben, wenden) zu tun. Der Lateiner drückt seine Absicht mit voluntas (= Wille) aus und benutzt das entsprechende Adjektiv sciens, das wörtlich wissend bedeutet. Interessant wiederum wird es beim Verb absehen: engl.: to dispense (dispensieren) und lateinisch omittere (auslassen). Der Engländer kennt bis zur Stunde kein einleuchtendes Wort für absichtslos, während der Lateiner sich mit insciens (unwissend) behilft.

Es geht in unserer ständigen, körperlich-geistigen Selbstfürsorge um eine Haltung, in der alles möglich ist, aber nichts erzwungen wird, ein lebendiges Gleichgewicht, das gerade deshalb erhalten bleibt, weil es niemals erstarrt. Vielleicht gelingt es in dieser schwebenden Offenheit, den verschütteten Weg zum Urvertrauen wieder zu öffnen, in dem die grundlegenden inneren Bilder der Gesundheit gespeichert sind. Es ist letztlich die Offenheit für neue Wege, die Bereitschaft, einen kleinen, vorsichtigen, ersten Schritt zu tun und dafür die volle Verantwortung zu übernehmen, die helfen können, die Kräfte der Selbstheilung zu erhalten oder wiederzugewinnen.

Immer mehr Wissenschaftler, Ärzte, Heilpraktiker, Psychotherapeuten und Heiler haben erkannt, dass die einzige Konstante im Leben die Unbeständigkeit ist. Sich in die wechselnden, niemals gleich bleibenden Rhythmen einzuschwingen und so das Pendel in tänzerischer Bewegung zu halten, darin liegt wohl in Wahrheit das Geheimnis. Und diese Erkenntnis ist weit von einem mechanistischen Verständnis der Welt entfernt. Die Menschen des 21. Jahrhunderts müssen sich verändern und uraltes Wissen neu entdecken und integrieren.

Lao Tse schreibt im 76. Kapitel des „Tao Te King

„Der Mensch ist weich und zart,
wenn er geboren wird.
Wenn er gestorben ist,
ist er steif und starr.
Gräser und Blumen sind biegsam und zart,
wenn sie das Licht der Welt erblicken.
Wenn sie tot sind,
sind sie dürr und trocken.
Darum ist das Harte und Starre dem Tod nahe,
das Zarte und Nachgiebige ist dem Leben nahe.
Darum wird eine starke Armee keine Schlacht gewinnen.
Ein starker Baum wird gefällt werden.
Das Harte und Starke wird unterliegen.
Das Weiche und Zarte wird siegen.“

{R:2}

Der Religionsphilosoph Roland R. Ropers ist Autor und Herausgeber etlicher Bücher:

Was unsere Welt im Innersten zusammenhält: Hans-Peter Dürr im Gespräch mit bedeutenden Vordenkern, Philosophen und Wissenschaftlern von Roland R. Ropers und Thomas Arzt; 2012 im Scorpio Verlag

Eine Welt – Eine Menschheit – Eine Religion von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Gott, Mensch und Welt. Die Drei-Einheit der Wirklichkeit von Raimon Panikkar und Roland R. Ropers

Die Hochzeit von Ost und West: Hoffnung für die Menschheit von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Geburtsstunde des neuen Menschen. Hugo Makibi Enomiya-Lassalle zum 100. Geburtstag von Roland R. Ropers

 

 

 



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